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Frauenhass und Rechtsextremismus Die Wechselwirkungen von Antifeminismus und rechter Gewalt

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Stopp Femizide, Frauenmorde (Quelle: picture alliance / CHROMORANGE | Weingartner-Foto)

CN: Femizide und Misogynie 

Gewalt an Frauen und marginalisierte Geschlechter ist in Deutschland ein krasses Menschenrechtsproblem und wird schulterzuckend von einer modernen Demokratie zur Kenntnis genommen. Statistisch gesehen versucht täglich ein Mann seine Frau umzubringen und an jedem dritten Tag gelingt ihm das. 2021 sind 113 Frauen umgebracht worden. 114.833 Frauen haben 2021 geschlechtsspezifische Gewalt erlebt, so Zahlen des Bundeskriminalamts von 2022. Die Zahlen zeigen lediglich das Hellfeld. Geschlechtsspezifische Gewalt hat ein gigantisches Ausmaß, denn nur ein Bruchteil wird zur Anzeige gebracht. Geschweige denn angeklagt oder gar verurteilt. Gewalt gegen Frauen hat viele Gesichter: Partnerschaftsgewalt, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, Stalking, Menschenhandel, psychische und digitale Gewalt oder Feminizide, Tötungen von Frauen. Geschlechtsspezifische Gewalt an Frauen ist Ausdruck sexistischer und patriarchaler Gesellschaftsverhältnisse. Das ist der Kontext, vor deren Hintergrund geschlechtsspezifische Gewalt und Rechtsextremismus eingebettet werden muss. 

Geschlechterverhältnisse und Gewalt in der extremen Rechten

Im rechtsextremen Denken spitzen sich die patriarchalen und hierarchischen Geschlechtervorstellungen zu und werden mit einer generellen Legitimation von Gewalt verkoppelt. Es gibt keine Zahlen dazu, wie viele Frauen durch ihre rechtsextremen (Ex)Partner Gewalt erfahren. Denn bei einer Anzeige wird nicht nach dem Weltbild des Täters gefragt. Eines ist jedoch klar: für gewaltförmigen Rechtsextremismus sind Geschlechterungleichheit und männliche Überlegenheit ein wesentliches Merkmal. 

Frauen sind in diesem Weltbild dem Mann hierarchisch untergeordnet. Bestimmte Frauen werden für das eigene Scheitern verantwortlich gezeichnet oder sogar als Bedrohung ausgemacht: vor allem Frauen, die eine weiße männliche Dominanz und Herrschaft in Frage stellen. ‚Andere‘ Männlichkeiten, wie jüdische, muslimische oder schwule, queere Männlichkeit, werden abgewertet oder als Bedrohung und gesellschaftliche Modernisierungsprozesse als Kränkung des Mannes verstanden.

Die Beschwörung dominanter, reaktionärer Männlichkeit und eine aggressive, potenziell gewaltsame Verteidigung schwindender patriarchaler Privilegien gehören zum geschlechtsspezifischen Moment des Rechtsextremismus. Das letzte Mittel, um die subjektive Kränkung und Ohnmachtserfahrung zu überwinden und wieder ‚Herr der Situation‘ zu werden, ist Gewalt.

Geschlechtsspezifische Gewalt und extreme Rechte

Etwa 80 Prozent der Opfer von Partnerschaftsgewalt sind Frauen und etwa 80 Prozent der Taten werden von Männern begangen. Dieses spiegelverkehrte Verhältnis ist nur ein Indikator dafür, dass Männlichkeit und Gewalt sehr eng miteinander verwoben sind. Für die kulturelle Konstruktion von Männlichkeit und für die Stabilisierung von Geschlechterordnungen spielt Gewalt eine große Bedeutung. 

Besonders ausgeprägt und zugespitzt ist das Geschlechterarrangement bei extrem gewaltvollen Phänomenen: in den USA gab es zwischen den Jahren 1982 und 2018 insgesamt 114 Massenschießereien beziehungsweise Amoktaten – unterschiedlich politisch oder religiös motiviert. Nur in insgesamt vier von diesen Fällen war eine Frau die Attentäterin. Alle anderen sind von Männern ausgegangen. 

Noch ein weiteres geschlechtsspezifisches Moment ist hier auffällig: bei mehr als der Hälfte aller Massenerschießungen in den USA von 2009 bis 2017 war eine Intimpartnerin oder ein Familienmitglied des Täters unter den Opfern. Das spricht gegen die These, dass Massenschießereien in der Regel zufällig sind. 

Nicht zuletzt ergab eine Analyse der New York Times, dass die Amokläufer und Attentäter von El Paso, Dayton, Orlando und anderen Orten eines gemeinsam haben: Frauenhass. Sie waren bereits wegen häuslicher Gewalt, Vergewaltigung oder sexueller Nötigung aufgefallen oder verurteilt worden . Es zeigt sich, dass in den Biografien von rechtsterroristischen Attentätern und verschwörungsideologischen Gewalttätern die Abwertungen und Gewalthandlungen gegen Frauen oder weiblich gelesenen Personen auffallend oft zu finden sind: ein Männerrechtler, sogenannter Incel und Rassist tötet in Tallahassee/Florida (2018) in einem Yoga-Studio zwei Frauen und verletzt vier weitere. Er nennt Frauen, die sich mit Schwarzen Männern einlassen‚ Verräterinnen am eigenen Blut‘. Er war zuvor zweimal wegen Körperverletzung und sexualisierter Gewalt an Frauen angeklagt worden. Er bekundete seine Sympathien für den Isla-Vista Attentäter, der 2014 in Kalifornien sechs Menschen erschoss. 

Die Verbindung geschlechtsspezifischer Gewalt und extrem rechte Gewalt ist kein US-Amerikanisches Phänomen, sondern auch in Deutschland virulent: So bedrohte der Attentäter von Hanau, der 2020 neun Menschen aus rassistischen Motiven erschoss, zuvor eine Sexarbeiterin. Er zeigte ihr seine Waffen und ein von ihm verfasstes Drehbuch, in dem am Ende eine Frau umgebracht wurde, sowie Sexspielzeuge, die nach enormer Gewaltanwendung aussahen. Dann schaltete er eine Kamera ein und forderte sie auf zu tanzen, als wäre es ihr ‚letztes Mal‘. Von der Toilette aus verständigte die Frau die Polizei. Der Hanau-Attentäter ist im Anschluss an das Attentat in die elterliche Wohnung gefahren und hat dort seine Mutter erschossen. 

In Idar-Oberstein/ Rheinland-Pfalz erschoss 2021 ein Mann aus dem Querdenken-Spektrum den Mitarbeiter einer Tankstelle, nachdem dieser ihn darauf hingewiesen hat, im Geschäft eine Maske zu tragen. Die Waffe stammte von seinem Vater, der ein Jahr zuvor versucht hatte, damit seine Frau zu töten, und sich anschließend selbst richtete. 

Anfang Dezember 2021 erschoss in Königs-Wusterhausen/ Brandenburg ein Familienvater seine Frau, dann seine drei Töchter im Alter von vier bis zehn Jahren, bevor er sich selbst umbrachte. Die Tat wird mittlerweile auch als antisemitische und rechtsmotivierte Tat eingestuft, weil der Täter hinter der staatlichen Impfkampagne einen bösen Plan und eine jüdische Weltverschwörung vermutete. Dieses Verbrechen zeigt nicht nur, welche enorme Gefahr von antisemitischen Verschwörungserzählungen innerhalb der Pandemieleugner*innen-Bewegung ausgeht, sondern auch eine geschlechtsspezifische Dimension. Die Tat in Königs-Wusterhausen ist somit ein antisemitisch motivierter Feminizid. 

All diese Fälle zeigen, dass geschlechtsspezifische Gewalt und Frauenhass inhärenter Teil gewaltvoller rechtsextremer Ideologien und Handlungen sind. 

Misogyne Gewalt von rechts

Misogynie kann im Rechtsextremismus in Bezug auf bestimmte Frauen besonders gewaltvolle und eliminatorische Formen annehmen. Das betrifft vor allem Jüdinnen, Migrantinnen, Frauen of Color, Lesben, trans oder nicht-binäre Personen, Sexarbeiter*innen, politische Gegnerinnen oder Feministinnen. Welche Rolle geschlechtsbezogene Ideologien und die Abwertung von Weiblichkeit bei rechter Gewalt, Übergriffen oder rechtsextremen Tötungsdelikten spielen, haben Mira Brate und Anna Sumorai für die Amadeu Antonio Stiftung mit der Expertise „Alles Einzelfälle? Misogyne und sexistisch motivierte Gewalt von rechtserstmalig aufgearbeitet. Anhand von Tötungsdelikten rechter Gewalt der letzten Jahre wurde danach gefragt, inwiefern Sexismus tatmotivierend oder abwertende Weiblichkeitsbilder tatverschärfend waren. 

1994 wurde Beate Fischer in Berlin von vier Neonazis getötet. Der Fall steht exemplarisch für extrem rechte Gewalt gegen Frauen, deren Sexualität von den Tätern als „abweichend“ verstanden wird. Beate Fischer war als Sexarbeiter*in ein besonderes Feindbild der Rechtsextremen und wurde mehrfach vergewaltigt, bevor sie umgebracht wurde. 

Jana G. wurde als 14-jährige im Jahr 1998 in Saalfeld/ Thüringen von einem Schüler erstochen, der zur rechtsextremen Szene gehörte. Kurz vor der Tat hatte sie ihn als „scheiß Fascho“ beschimpft. Zwei Jahre zuvor soll er ihr einen Liebesbrief geschrieben haben. Bei der Gerichtsverhandlung sagte der Täter, dass Jana G. die „Linken auf ihn gehetzt“ habe und sich darüber ärgerte, dass sich Jana G. nicht „unterwürfig und demütig“ gezeigt hätte. Er habe „imponieren und seine Macht demonstrieren wollen“ .  

Marwa El-Sherbini wurde 2009 in Dresden während einer Gerichtsverhandlung ermordet. Sie hatten den späteren Mörder zuvor angezeigt, weil er sie massiv rassistisch und sexistisch beleidigt hatte. Der Täter wurde zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und das Gericht erkannte die rassistische Motivation des Täters an – übersah jedoch die frauenfeindlichen Aspekte.

In all diesen Fällen wurde weder in der gesellschaftlichen, medialen noch strafrechtlichen Aufarbeitung Sexismus oder Misogynie als tatauslösende oder tateskalierende Motive erkannt, geschweige denn anerkannt.

Rechtsextreme Anschläge und ihre ideologischen Bezüge zum Frauenhass

Rechtsmotivierte Attentate der vergangenen Jahre zeigen, dass Antifeminismus und Frauenhass darüber hinaus ideologisch eine bedeutende Rolle spielen: Der Attentäter von Oslo/Utøya (2011) sah Feminismus als gefährlichsten Auswuchs der ‚Political Correctness‘ und Frauen würden ihre Unterordnung nicht mehr akzeptieren, während sich traditionelle Männlichkeit aufzulösen beginne. Der Isla Vista-Attentäter (2014) führte Frauenhass als erstes Motiv an und schrieb von einem „Krieg gegen Frauen“, weil sie ihn abweisen würden. Der 22-jährige Täter tötete sechs Menschen und verletzte vierzehn andere in der Nähe des Campus der University of California, Santa Barbara in Kalifornien. Er gilt als der vermeintliche Begründer der militant-misogynen Incel und wünschte sich die Einrichtung von Konzentrationslagern, in denen Frauen bewusst zu Tod gehungert werden sollten. Zudem spricht er Frauen Moral, Rationalität und sämtliche Rechte ab, vertrat rassistische Ansichten und drückte seinen Ärger darüber aus, dass Männer of Color – im Gegensatz zu ihm selbst – Erfolg bei Frauen hätten. Er idealisierte Frauen, die einem traditionellen Schönheitsideal entsprachen und zugleich sah er sich als Opfer von
Frauen, denn diese würden ihm sein Recht auf Geschlechtsverkehr vorenthalten. 

Der Christchurch-Attentäter (2019) forderte die Kontrolle über die Geburtenrate und damit die Autorität über den weiblichen Körper. Er propagierte die rassistische Vorstellung, dass ein Austausch der Bevölkerung im Gange sei, sowie das neurechte Konzept des ‚Ethnopluralismus‘, das er mit reaktionären Ansichten in Bezug auf die (national gedachte) Familie verband. Er schrieb über seine Ablehnung von Feminismus und weiblicher Selbstbestimmung und über die Rolle von Männern als Kämpfer, denen jedoch zunehmend ihre starke Maskulinität abhandenkäme. 

Fazit

Es gibt eine starke Wechselwirkung zwischen Frauenhass, geschlechtsbasierter Gewalt und extrem rechter Gewalt. Frauenhass geht oftmals rechtsextremer Gewalt voraus oder ist Teil dieser. Die Wechselwirkung lassen sich nachzeichnen zwischen Antifeminismus in reaktionären und extrem Rechten Szenen, zwischen Frauenhass als Anlass extrem rechter Gewalt sowie zwischen rechtsextremen Anschlägen und ihren Bezügen zur geschlechtsbasierter Gewalt. Ein Blick auf diese Dimensionen macht deutlich, dass Sexismus, Abwertung von Weiblichkeit und geschlechtsspezifische Gewalt ein Substrat sind, auf dem auch rechte Gewalttaten gedeihen können. Warum also bei geschlechtsspezifischer Gewalt die politische Dimension nicht erkannt wird, erschließt sich spätestens hier nicht. Die Formel könnte lauten: erst kommt Gewalt an Frauen, dann rechter Terror und oft genug fällt beides zusammen. 

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