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„Freie Linke“ Die Antiimpf-Antiimps

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Ein wiederkehrendes Motiv: Die „Freie Linke“ will ihre politischen Feinde zum Gefangenenlager Guantanamo schicken.
Ein wiederkehrendes Motiv: Die „Freie Linke“ will ihre politischen Feinde zum Gefangenenlager Guantanamo schicken. (Quelle: Nicholas Potter)

Es ist eine bizarre Szene, die sich am 21. April 2021 auf der Berliner Straße des 17. Juni abspielt: Damals wollen Coronaleugner:innen und „Querdenker:innen“ gegen das Infektionsschutzgesetz und neue Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-Pandemie protestieren (siehe Belltower.News). Wie immer dabei: Rechtsextreme und Antisemit:innen jeglicher Couleur. Zwischen Reichsflaggen, Kreuzen und Shoahrelativierungen versammelt sich aber auch eine Handvoll älterer Menschen mit roten Flaggen. Dazu: Eine Flagge „gegen Nazis“, eine Israelfahne sowie ein Schild, auf dem die Worte stehen: „Merkel for Guantanamo“.

„Freie Linke“ nennt sich die Gruppe, die sich im Laufe der Covid-Pandemie gründete und inzwischen ein kleiner aber fester Bestandteil von „Querdenken“-Demonstrationen geworden ist. Der Gründungsaufruf der „Freien Linken“ trägt das Datum 1. Januar 2021, der erste Beitrag auf ihrer Webseite erschien am 12. Februar. Die roten Flaggen der Gruppierung sorgen auf Demonstrationen für viel Aufmerksamkeit, doch die Zahl der Mitglieder ist sehr überschaubar. Der „Freie Link Chat“, eine Gruppe auf Telegram, hat nicht einmal 200 Mitglieder. Die Profilfotos einiger Mitglieder auf Telegram richteten sich gegen Impfungen oder Masken, manche in NS-Optik. Ein Nutzer schreibt „Du bist dieBasis“ in seinem Namen, in Bezug auf die „Querdenken“-nahe Partei (siehe Belltower.News). Dort teilen Mitglieder regelmäßig Artikel des russischen Desinformationssenders „RT Deutsch“ (siehe Belltower.News). Auf Facebook haben die „Freien Linken“ lediglich 400 Likes, auf Twitter und Instagram etwa 300 bzw. 200 Follower:innen. Auch in einem eigenem, bislang beitragsarmen Forum organisiert sich die Gruppe.

Die „Freie Linke“ begreift sich offenbar als linker Flügel der „Querdenken“-Bewegung – eine Bewegung, die auffällig rechtsoffen und verschwörungsideologisch ist. Dass die „Freien Linken“ auch neben Rechtsextremen und Antisemit:innen laufen, ist kein Problem, sondern ihnen sogar bewusst. Eine Aktivistin der Gruppe erklärt dem Online-Medium Telepolis: „Mit Sicherheit beteiligen sich auch Rechte an Querdenker-Demonstrationen. Bei Zehntausenden Menschen einer breiten Bevölkerung ist das keine Besonderheit“. Daher habe solche Kritik wenig Gewicht, so die Aktivistin. Die „Freie Linke“ beobachte zudem Personengruppen, die ihnen suspekt seien, ein Mitglied sei selbst schon auf einer Demonstration in Kassel angegriffen worden. „Ein Angriff auf unsere Grundrechte über Politik und bewusst falscher Berichterstattung gefährdet unser Leben weit mehr, als es Dutzende Faschisten je könnten. Deshalb kämpfen Freie Linke nicht gegen Querdenker, sondern mit ihnen“, so die Aktivistin weiter.

Dass die Grenzen zwischen den vermeintlichen „Freien Linken“ und Rechtsaußen in der Praxis fließend sind und die Gruppe es mit antifaschistischer Politik doch nicht so ernst meint, war exemplarisch auf der Demonstration am 21. April in Berlin zu sehen. Nach ihrem Redebeitrag reichten zwei Anhänger:innen der „Freien Linken“ das Mikro ohne Bedenken an AfDler weiter (siehe taz).

Auch ein Blick auf die Aussagen und Texte der „Freien Linken“ macht schnell klar, wo die ideologischen Überschneidungen liegen: Das Coronavirus sei eine Lüge, Impfen sei tödlich, die Pandemie gebe es nicht, die Medien verbreiteten bewusst falsche Nachrichten und Bill Gates und die Rockefellers hätten mit all dem irgendetwas zu tun. In Redebeiträgen sprechen sie von einer „parasitären Minderheit von Milliardären“, von einer „modernen Diktatur“, von einem neuen „Faschismus“. Auch der Verschwörungsmythos vom „Great Reset“ ist fester Bestandteil ihres verschwurbelten Repertoires und wird in zahlreichen Artikeln der Gruppe erwähnt (siehe Belltower.News).

An der Oberfläche bemüht sich die „Freie Linke“, eine antiimperialistische Fassade aufrechtzuerhalten. In ihrem Gründungsaufruf heißt es: „Kapitalistische Strukturen, unverhältnismäßig autoritäres Regierungshandeln und eine Linke, die sich ausschließlich auf Identitäts- und Symbolpolitik beschränkt, können keine adäquaten Antworten auf die in der Coronapandemie sichtbar gewordenen globalen Missstände in Zeiten von massivem Umbruch liefern.“ Eine Ikone der „Freien Linken“: Sahra Wagenknecht. Am 14. September besuchten Mitglieder der Gruppe Wagenknechts Kundgebung in Bochum und luden ein Video davon auf Telegram hoch – samt roten „Freie Linke“-Flaggen. Auch auf Instagram teilte die „Freie Linke“ ein Video von Wagenknecht mit dem Kommentar „Sahra Wagenknecht rechnet mit Fridays For Future ab“, dazu ein Applaus-Emoji.

Postkarte aus Prenzlberg: Die „Freie Linke“ besucht Ernst Thälmann (Quelle: Instagram-Screenshot)

Die „Freie Linke“ erwähnt zwar Menschenrechte, Hungerkrisen und eine „wachsende ökologische Bedrohung“ in ihren Schriften, doch in erster Linie geht es ihnen nur um ein einziges Thema: Die Covid-Pandemie. So kommt die verkürzte Kapitalismuskritik der „Freien Linken“ eher wie ein Feigenblatt daher, um die „Querdenken“-Demonstrationen politisch zu rehabilitieren, während sie ungestört den Schulterschluss mit Rechtsextremen und Verschwörungsideolog:innen sucht. Die „Freie Linke“ fungiert als vermeintlich progressives Aushängeschild einer antidemokratischen Bewegung, die allzu gerne behauptet, sie seien in Wirklichkeit nur linke Gesellschaftskritiker:innen und esoterische Hippies.

Einer der bekanntesten Unterstützer der „Freien Linken“ dürfte der „Querdenken“-nahe Tatort-Regisseur Dietrich Brüggemann sein, dessen Coronaskeptikerr:innen-Kampagne „#allesdichtmachen“ mit rund 50 Filmschaffenden im April 2021 für Aufsehen sorgte (siehe Belltower.News). Wenige Tage nach dem Kamapagnenlaunch twitterte Brüggemann: „Man wundert sich ja über die wenigen Stimmen von links zur Lockdown-Politik, aber einige gibt es“ – und teilte einen Link zur Webseite der „Freien Linken“. Brüggemann weiter: „Deren Telegram-Chatgruppe ist wahnsinnig aktiv. Unmöglich, da alles zu lesen, wahnsinnig viel Streiterei, aber in der Summe und im Duktus liest sich das schon wie eine eher linke Gruppierung“. Eine Behauptung, die genau ins Narrativ der Gruppierung passt. Auch zur „Querdenken“-nahen Partei „dieBasis“ hat die „Freie Linke“ offenbar gute Verbindungen. Ein Nutzer behauptet auf Telegram, dass einige Mitglieder auch bei der verschwörungsideologischen Partei seien. „Die Basis ist eine Chance gegenzusteuern“, schreibt ein anderer Nutzer, der angibt, selbst „Basis“-Mitglied zu sein.

Fast typisch für das „Querdenken“-Spektrum hat auch die „Freie Linke“ ein Problem mit Antisemitismus, somit dürfte auch ihre Israelfahne lediglich als Feigenblatt dienen. Die Gruppe spricht vom israelischen „Siedlerkolonialismus“, schreibt auf ihrer Webseite, dass Antisemitismusvorwürfe bloß „ein perfides Mittel zur Disziplinierung Andersdenkender“ seien. In ihrem Gründungsaufruf wird die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane, sogar namentlich erwähnt: Die „Freie Linke“ lehne die Verzerrung und Umdeutung von Begriffen und Definitionen vollständig ab, die „jegliche Kritik am herrschenden System, Regierungen, Konzernen und Machteliten“ beispielsweise als „genuin antisemitisch“, „rechtsoffen“ oder „verschwörungsschwurblerisch“ framen, wie Anetta Kahane es angeblich tue. Auf Telegram schreibt Theresia F., ein Mitglied der Gruppe, der Begriff „Reichsbürger“ sei ein „Kunstprodukt aus dem Hause der Chefhetzerin Kahane“.

Auch auf einer Demonstration der „Freien Linken“ im Mai 2021 in Halle hetzt die „Freie Linke“-Aktivistin Sandra Gabriel in einer Rede gegen Kahane und die Amadeu Antonio Stiftung. Gabriel fällt immer wieder im rechtsextremen Kontext auf: So finden Demos der „Freien Linken Halle“ und des halleschen Neonazis Sven Liebich gegen Infektionsschutzmaßnahmen häufig gleichzeitig oder direkt nacheinander statt (siehe Mitteldeutsche Zeitung). Als ein Neonazi-Mob durch die hallesche Innenstadt im Febraur 2021 tobte, war auch Gabriel dabei: In einem Video ist zu sehen, wie sie direkt hinter einem Mann läuft, der den Hitlergruß zeigt.

Antisemitismus als Provokation: Die „Freie Linke“ relativiert die Shoah (Quelle: Telegram-Screenshot)

Antisemitismus wird von der „Freien Linken“ als bewusste Provokation benutzt: So schreibt Hermann H., ein aktiver Nutzer der Gruppe, auf Telegram: „Die können mir ne 9mm an den schädel halten, da drücke ich sogar selber ab, wenn ich keine andere wahl habe als mich ‚impfen‘ zu lassen, geht wenigstens schnell“ (Fehler im Original). Dazu postet er ein Foto von seinem Rucksack, auf dem in weißer Schrift die Worten „Hirn aus, Maske auf“ sowie ein Davidstern mit der Aufschrift „unbeugsam“ stehen. Für diese Aussage bekommt Hermann H. schnell Zustimmung: Erik M. schreibt: „Jepp, das sehe ich genau so.“ „Sandra“ reagiert mit fünf Daumen-Hoch-Emojis. Hermann H. antwortet: „Bin mal gespannt, wie die krabbelgruppe auf meinen rucksack reagiert am samstag: ‚du anti-itischer nasie! Blub blub blub‘“ (Fehler im Original).

Ein wiederkehrendes Motiv der „Freien Linken“ ist absurderweise Guantanamo Bay. Das menschenrechtlich höchst kontroverse Gefangenenlager auf Kuba wird nicht nur auf Demo-Schildern der Gruppe thematisiert, wie eingangs erwähnt, sondern auch auf Telegram: Hermann H. schreibt, dass es in unser aller Interesse sei, „gestalten wie [Regierungssprecher] seibert und all die anderen politdarsteller des neoliberal-faschismus“ (sic) nach Guantanamo zu überführen – „für unseren und ihren schutz versteht sich“. Weil Ex-Bundespräsident Joachim Gauck Impfgegner:innen als „Bekloppte“ bezeichnete, schreibt Hermann H. an anderer Stelle: „Ab nach guantanamo mit dem schweine-priester oder zumindest in die geschlossene, für immer.“

Immer wieder zeigt die „Freie Linke“, dass hinter ihren roten Flaggen und antiimperialistischer Rhetorik eine altbekannte verschwörungsideologische Impfgegnerschaft lauert, die sich kaum vom Rest der „Querdenken“-Bewegung unterscheidet. Mit linker Politik hat das wahrlich nichts zu tun.

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