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„Freie Sachsen“ Mit der Monarchie für den Säxit

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„Freie Sachsen“ – das Projekt von Rechtsextremen (Quelle: Screenshot Website)

In der neuen Partei „Freie Sachsen“ vereinigen sich bekannte rechte Strömungen mit der „Querdenken“-Bewegung. Vordergründig geht es ihnen um Kritik an den Corona-Schutzmaßnahmen, doch schon auf dem zweiten Blick stellt man fest, dass viele der Phrasen bekannt klingen. Es sind völkische und rechtsextreme Positionen. Letztendlich sind die „Freien Sachsen“ ein Projekt von gut organisierten Rechtsextremen.

Die Regionalpartei „Freie Sachsen“ wurde am 26. Februar 2021 in Schwarzenberg im Erzgebirge gegründet. Bei ihrem Namen haben sich die „Freien Sachsen“ bei einer von 2007 bis 2009 aktiven Wählervereinigung bedient, die noch den Zusatz „Allianz unabhängiger Wähler“ trug. Der Vorstand der neugegründeten Partei setzt sich überwiegend aus namhaften sächsischen Rechtsextremen aus dem Raum Chemnitz und dem Erzgebirgskreis zusammen.

Martin Kohlmann: Der Chef

Martin Kohlmann aus Chemnitz ist Chef der „Freien Sachsen“. Er wurde 2018 deutschlandweit bekannt, als er die rassistischen Proteste in Chemnitz im Spätsommer 2018 als Kopf der rechten Wählervereinigung „Pro Chemnitz“ mit anführte. Nach der Tötung eines Chemnitzers durch einen Asylbewerber hatte er die rassistischen großen Proteste in Chemnitz koordiniert und angeführt. Kohlmann, ehemals sächsischer Landesvorsitzende der Kleinstpartei „Die Republikaner“, ist hauptberuflich als Anwalt tätig. So vertrat er beispielsweise die rechtsterroristische „Gruppe Freital“, die Sprengstoffanschläge auf Asylunterkünfte verübte und Flüchtlingsunterstützer:innen angriff. Die Partei „Freie Sachsen“ läuft offenbar zum Teil über das Haus, in dem Herr Kohlmann seine Anwaltskanzlei betreibt.

Stefan Hartung: NPD-Kader aus Sachsen

Zur Führungsriege der „Freien Sachsen“ zählt auch der IT-Unternehmer Stefan Hartung aus Aue-Bad Schlema (Stellvertreter), er ist der Stellvertretende des Vorstandes Kohlmanns. Hartung hat eine lange Vergangenheit in der rechtsextremen Szene. Er gilt als eine zentrale Figur der NPD im Erzgebirge. Der sächsische Verfassungsschutz zählt Hartung „zu den relevantesten rechtsextremistischen Akteuren im Erzgebirgskreis und im Großraum Chemnitz“. 2013 hat Hartung in Schneeberg die rassistischen „Lichtelläufe“ organisiert. Thematisch und ideologisch waren sie ein Vorläufer von Pegida und ein Abbild dessen, was zwei Jahre später in vielen weiteren Orten in Sachsen und bundesweit geschehen sollte: der Zusammenschluss von offenen Neonazis und „normalen Bürger:innen“ auf der Straße. Aus den „Lichtelläufen“ ist 2014 unter Stefan Hartung schließlich der rassistische Verein „Freigeist e.V.“ hervorgegangen. Das Langzeitziel formuliert der Vorsitzende Stefan Hartung folgendermaßen: „Wir dürfen uns nicht länger in Pegida, NPD, AfD und so weiter zersplittern lassen. Alle, ausnahmslos alle heimatliebenden Deutschen müssen sich zu einem neuen Volksaufstand vereinigen“ (Stefan Hartung in Schneeberg, 10.10.15)

Mehrere Jahre saß Hartung als NPD-Politiker im Kreisrat im Erzgebirge. Bei den Kommunalwahlen 2019 trat der NPD-Politiker offiziell nicht für seine verfassungsfeindliche Partei an, sondern als Einzelkandidat. Bei der Wahl des ersten Oberbürgermeisters in der neu gebildeten Stadt Aue-Bad Schlema erhielt Hartung im ersten Wahlgang 19,1 Prozent. Er sitzt nun auch im Gemeinderat in Aue-Bad Schlema.

Thomas Kaden: Kein unpolitischer Busunternehmer

Der zweite Stellvertreter der „Freien Sachsen“ ist der Busunternehmer Thomas Kaden aus Plauen. Zum Beginn der Covid19-Pandemie starte Kaden seine politische Karriere als verzweifelter Busunternehmer, der massiv unter den Corona-Einschränkungen leidet. Dann organisierte er im großen Stil die An- und Abfahrten von „Querdenker:innen“ zu Demonstrationen. Mittlerweile lässt Kaden selbst wenig Zweifel daran, wo er politisch steht. Auf seiner Facebook-Seite teilt er neben „Querdenken“-Inhalten zahlreiche flüchtlingsfeindliche Beiträge, rassistische und homofeindliche Inhalte, außerdem viele Bilder mit Sprüchen wie, „Warum sagen Migranten immer Nazi zu uns? Wenn wir Nazis wären, dann wäre keiner von euch in unserem Land!“. Im Juni trat er als „der OB gegen den Maulkorb“ bei der Wahl zum Oberbürgermeister im sächsischen Plauen an und fuhr mit 7,5 Prozent das fünftbeste Ergebnis ein.

Robert Andres: Von „Pro Chemnitz“

Die vierte Führungsfigur der „Freien Sachsen“ ist Robert Andres. Er übernimmt die Funktion des Kassenwarts. Genau wie Kohlmann hat Andres für die „Pro Chemnitz“-Fraktion in Chemnitz einen Sitz im Stadtparlament. Zuletzt sorgte er im Dezember 2020 für einen Eklat, als er sich weigerte, bei der Stadtratstagung eine korrekte Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen und daraufhin von der herbeigerufenen Polizei aus dem Sitzungssaal entfernt wurde.

Michael Brück: Der Dortmunder Neonazi-Kader

Eine weitere wohl zentrale Figur der „Freien Sachsen“ ist Michael Brück. Er blickt auf eine beachtlich lange „Karriere“ als überzeugter Neonazi zurück. Seit seinem 15. Lebensjahr war der bekennende Nationalsozialist in der Kameradschafts-Szene aktiv. 2006, da war er 16, schloss er sich der NPD und deren Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) an. 2008 zog Brück von Bergisch Gladbach in die nordrheinwestfälische „Nazihochburg“ Dortmund, hier schloss er sich der militanten Gruppe „Nationalen Widerstand Dortmund“ (NWDO) an. Drei Wochen nach dem Verbot der NWDO 2012 entstand die „legale“ Gruppierung „Die Rechte“ mit Parteistatus. Michael Brück wurde sogleich stellvertretender NRW-Vorsitzender dieser rechtsextremen Partei. Von der „Nazi-WG“ in der Emscher Straße in Dortmund-Dorstfeld aus, in der er auch wohnte, betrieb er einen Onlineversandhandel, der lange den unzweideutigen Namen „Antisem Versand“. Ende 2020 wurde bekannt, dass Brück nach Chemnitz gezogen ist, dort ist er als Angestellter für den Chef der „Freien Sachsen“, Martin Kohlmann, tätig.

Michael Brück in Chemnitz beim „Tag der deutschen Zukunft (TddZ) 2019.

Organisation und Vernetzung für den rassistischen Protest

All die zentralen Figuren von den „Freien Sachsen“ haben Erfahrungen mit Straßenprotest und sind teilweise sehr gut in der rechtsextremen Szene vernetzt. Sie wissen, wie sie Proteste organisieren müssen und wie sie sich vernetzen können. Die Vernetzung findet dabei größtenteils über die Messenger-App Telegram statt. Diese Gruppe ist seit der Gründung rasant gewachsen. Über 50.000 Abonnent:innen werden hier täglich mit „Querdenken“-Inhalten, Rassismus, Flüchtlingsfeindlichkeit und ganz viel Heimattümelei versorgt. Darüber hinaus gibt es noch einige kleine regional Gruppen der „Freien Sachsen“ auf Telegram. So können sie Proteste auch in der sächsischen Provinz erfolgreich vernetzen.

Bei den „Freien Sachsen“ sind Doppelmitgliedschaften nicht bloß erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht – ungewöhnlich für eine Partei. Sie wollen keine Konkurrenz zu bereits bestehenden Parteien und Organisationen wie AfD, NPD, III. Weg, Pro Chemnitz und Pegida sein, vielmehr wollen die „Freien Sachsen“ extrem rechten Aktivist:innen ein gemeinsames scheinbar unauffälliges Dach bieten, unter dem die rassistischen Kräfte wirkungsvoll gebündelt und Aktivitäten wie Demonstrationen koordiniert werden können.

Was wollen die „Freien Sachsen“?

Der Unmut über die aktuelle Politik zur Pandemiebekämpfung wird als Aufhänger für Kritik an der bundesrepublikanischen Ordnung, dem Föderalismus und der EU genommen. Man wolle sich, so heißt es, „gegen dreiste Vorgaben aus Brüssel und Berlin“ zur Wehr setzen. „Wir wollen keine Duckmäuser und abnickenden Befehlsempfänger sein, sondern ohne Bevormundung als freie Sachsen leben“, so heißt es in der Erklärung der „Freien Sachsen“.

Das Programm der „Freien Sachsen“ klingt bekannt, es wimmelt nur so vor völkischen und rechtsextremen Positionen. Geflüchtete sollen etwa dankbar sein, überhaupt „ein Dach über dem Kopf und täglich eine warme Mahlzeit“ zu haben. Die „durch den Merkelschen Rechtsbruch ausgelöste demographische Katastrophe“ solle rückgängig gemacht werden. Und natürlich dürfen auch die Begriffe „Heimat“ und „Identität“ nicht fehlen, die es zu bewahren gilt. Sie phantasieren von einem Säxit ​​ dem Austritt Sachsens aus der Bundesrepublik, außerdem solle das sächsische Königshaus bei der Gestaltung der Zukunft Sachsens einbezogen werden.

Vom Verfassungsschutz beobachtet

Im Juni 2021 teilte der sächsische Verfassungsschutz mit, die „Freien Sachsen“ künftig zu beobachten. Die Behörde hat die Partei als „rechtsextremistische und verfassungsfeindliche“ Bestrebung eingestuft. Damit ist die seit etwa einem halben Jahr in Sachsen tätige Gruppe offiziell ein Beobachtungsobjekt.

„Die ‚Freien Sachsen‘ sind inzwischen ein fester Bestandteil der rechtsextremistischen Szene im Freistaat Sachsen“, so Dirk-Martin Christian, Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes. Sie sind aufgefallen, da sie überregional für die Teilnahme an den sogenannten „Corona-Protesten“ im Freistaat Sachsen mobilisiert hatten.

Letztendlich kann man sagen, die „Freien Sachsen“ sind eine Art Sammelbecken, um menschenfeindlichen Protest wirkmächtig zu organisieren. Zentrale Figuren haben es bereits in der Vergangenheit erfolgreich geschafft, Unmut und Ressentiments auszunutzen und in Protestformen umzuwandeln. Den derzeitigen Frust über die Corona-Schutzmaßnahmen versuchen sie dabei zu nutzen. Und das machen sie vor allem mit Hilfe ihrer großen Telegram-Gruppe. Wobei man den Erfolg in den sozialen Netzwerken, mit über 50.000 Abonnent:innen auf Telegram, nicht mit Wirkmächtigkeit gleichsetzen sollte. Politisch erfolgreich waren die Akteure bis heute nicht.

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