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Freisprüche nach Angriffen auf Asylsuchende am Anklamer Bahnhof – Lobbi e.V. Fatales Signal

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Das Amtsgericht in Pasewalk. (Quelle: Ephraim Stillberg / CC-BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons )

Pressemitteilung der LOBBI vom 27.01.2016

Am Abend des 10. November 2014 kamen drei aus Afghanistan und dem Iran geflüchtete Männer mit dem Zug am Bahnhof an, von wo aus sie mit dem Rad zur Gemeinschaftsunterkunft weiter fahren wollten. Dort hielt sich eine Gruppe von zehn bis zwölf Personen auf, aus der heraus rassistische Parolen gerufen wurden. Es kam zu einem Handgemenge, in dessen Verlauf die Betroffenen geschubst und geschlagen wurden. Außerdem fuhr einer der Angreifer mit einem PKW auf einen der Betroffenen zu, vermutlich mit der Absicht ihn zu verletzen. – So sah es das Pasewalker Amtsgericht nach fünf Verhandlungstagen als erwiesen an.

Die Aussagen belasteten die Angegriffenen

Die drei Betroffenen – zwei von ihnen hatten sich mittels Nebenklage dem Verfahren angeschlossen – mussten mehrmals vor Gericht und jeweils für mehrere Stunden aussagen. Dies belastete sie stark, zumal sie dadurch wiederholt für längere Zeit mit den Angreifern konfrontiert waren. Ein Betroffener, der sich nach dem Übergriff in psychotherapeutische Behandlung begeben musste, gab an, die Befragungen nur mithilfe von Beruhigungsmitteln überstanden zu haben. Vier Mal wurde er als Zeuge vor Gericht geladen. Und das, obwohl er während der Ermittlungen als „entbehrlich“ galt: Eine Abschiebung wurde trotz laufendem Verfahren angeordnet (LOBBI berichtete: http://www.lobbi-mv.de/nachrichten/abschiebung-betroffener-rassistischer-gewalt-droht/). Darüber hinaus wurde den Betroffenen vor Gericht immer wieder unterschwellig vorgeworfen, mit ihrem Aussageverhalten bestimmte Ziele zu verfolgen. So fühlten sie sich immer wieder genötigt, zu betonen, dass sie nur aufgrund ihrer konkreten Erinnerungen berichten.

Die Angeklagten

Angeklagt waren Andrea M. (20 Jahre) , Steven D. (23 Jahre) und der 27-jährige Stefan R.. Die 20-jährige wurde am Ende der Verhandlung frei gesprochen, obwohl sie durch die Betroffenen belastet wurde. Sie hatten ausgesagt, dass die junge Frau durch eine Bemerkung den Übergriff möglicherweise ausgelöst hatte. Außerdem habe sie einen der Betroffenen geschubst und beleidigt. Steven D. wurde bezüglich des Übergriffs ebenfalls freigesprochen, gleichwohl die Betroffenen aussagten, von ihm seien Schläge und beleidigende Bemerkungen ausgegangen. Er wurde lediglich zu einer zweimonatigen Haftstrafe verurteilt, da er Stefan R. seine Autoschlüssel mit den Worten „Mach damit was du willst!“ zugeworfen hatte, vermutlich in dem Wissen, dass dieser keine Fahrerlaubnis besaß.

Das Urteil

Der 27-jährige R. wurde zu einer Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Auch seine Verteidigerin hatte zuvor einen Freispruch beantragt. Das Gericht befand ihn jedoch der Körperverletzung sowie des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und des Fahrens ohne Führerschein für schuldig.

In seiner Entscheidung berief sich das Gericht auf ein gerichtsmedizinisches Gutachten, demzufolge bei den Betroffenen keine erheblichen körperlichen Verletzungen feststellbar waren. Im Ergebnis muss nun einer von ihnen angefallene Anwaltskosten der Verteidigung selbst tragen, da er im Rahmen eines Adhäsionsverfahrens Schmerzensgeld beantragt hatte. Das Gericht sprach auch die Widersprüchlichkeit der Aussagen der Betroffenen an. Solche ergaben sich jedoch auch in Hinblick auf die polizeiliche Ermittlungsarbeit. Einer der Betroffenen wurde ohne Hinzuziehung eines Dolmetschers vernommen. Das Gericht nahm dies als problematisch zur Kenntnis und forderte unter anderem, solche Aussagen zukünftig auf Tonband aufzunehmen.

„Für uns ist das Urteil ein fatales Signal“

„Für uns ist das Urteil ein fatales Signal. Gerade in der aktuellen Situation, in der rassistisch motivierte Angriffe immer weiter zunehmen. Die Motivlage wird durch die Freisprüche nicht gewürdigt.“ So Robert Schiedewitz, Mitarbeiter der LOBBI. „Die Betroffenen waren nach dem Übergriff stark verängstigt und das in einer Umgebung, von der sie bis dahin glaubten, endlich Sicherheit gefunden zu haben. Dass einem der Betroffenen nun auch noch zusätzliche Kosten entstehen, weil er ein Schmerzensgeld beantragt hat, ist eindeutig ein falsches Zeichen und führt möglicherweise zu einem Vertrauensverlust in die Strafverfolgungsbehörden.“ In Bezug auf die Anmerkungen zur Ermittlungsarbeit meint Schiedewitz: „Wir begrüßen es, dass ein Gericht die Ermittlungsarbeit der Polizei auch mal kritisch hinterfragt und ihr Änderungen beim Umgang mit fremdsprachigen Zeugen nahelegt.“

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