Die Vorwürfe der FPÖ gegen Werder Bremen wiegen schwer: Der deutsche Fußballverein hätte sich in die österreichische Politik eingemischt, unbescholtene Bürger*innen verleumdet und nicht zuletzt die Verbrechen des Nationalsozialismus verharmlost. Das klingt alarmierend – aber ist da was dran?
Um von vorn zu beginnen: Den Bundesliga-Aufsteiger Werder Bremen hat es in der Sommerpause nach Österreich verschlagen, für ein Trainingslager in Zell am Ziller. Direkt neben dem Trainingsgelände veranstaltete die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) am 2. Juli 2022 einen Aktionstag, auf dem Markus Abwerzger, der Landesparteiobmann der Tiroler FPÖ, und Parteichef Herbert Kickl auftraten. Der offizielle Account des SV Werder Bremen, der umfangreich vom Trainingslager berichtete, veröffentlichte ein Foto der Veranstaltung auf Twitter mit dem Kommentar: „Wir fühlen uns hier so sehr zuhause, dass wir auch im #Zillertal dafür einstehen: Klare Kante gegen Nazis“.
Die FPÖ fühlte sich angesprochen, sah den deutschen Fußball von „linken bis linksradikalen politischen Strömungen vereinnahmt“ und forderte ihrerseits „klare Kante gegen Dummheit und fehlendes Demokratieverständnis“. Das eigene Demokratieverständnis demonstrierte die Partei sogleich auf Twitter: Leo Kohlbauer, Pressesprecher der Wiener FPÖ und Ex-Landtagsabgeordneter, reagierte mit den Worten: „Niemand braucht diese links versifften Piefke bei uns. Sollen‘s in Buntland den Regenbogen-Ramadan feiern.“ Abwerzger sprach indes von „offensichtlichen Hohlköpfen“, verlangte, nachdem er selbst ausfällig geworden war, eine Entschuldigung von Werder innerhalb einer Woche und drohte andernfalls mit einer Klage. Inzwischen wird in einem Schreiben an den Werder-Sportvorstand Hubertus Hess-Grunwald die sofortige Löschung des Posts, eine öffentliche Entschuldigung und die Zahlung von 10.000 Euro bis zum 14. Juli 2022 gefordert.
Die FPÖ, ein Sammelbecken für Altnazis
Gegenüber der Nachrichtenagentur APA gab Abwerzger an, der Tweet stelle „zudem eine Verharmlosung der Verbrechen des Nationalsozialismus dar“. Bezeichnend ist, dass der Politiker diesen Vorwurf gegen Werder Bremen allein aus der Verwendung des Begriffs „Nazi“ abzuleiten scheint. FPÖ-Parteichef Kickl weigerte sich noch im Mai, eindeutige NS-Verharmlosungen wie das Tragen von sogenannten „Judensternen“ auf Querdenker-Protesten oder Parolen wie „Impfen macht frei“ zu verurteilen. Die Liste rechtsextremer und neonazistischer Vorfälle in der FPÖ ist jedenfalls lang. Dass die frühe FPÖ ein Sammelbecken für Altnazis war, ist ebenfalls unumstritten.
Der Tiroler FPÖ-Chef twitterte einen Link zur Website des SV Werder Bremen, auf der der Verein seine NS-Vergangenheit thematisiert und aufarbeitet. Abwerzger schreibt: „Das ist übrigens die Geschichte jenes Vereines, der meint, die #fpoe und Gäste auf deren Veranstaltung wären Nazis. Sehr informativ“, danach ein Zwinkersmiley. Über die Geschichte der FPÖ schweigt er, zum Beispiel über Friedrich Peter, Parteichef bis 1978 und SS-Obersturmführer, oder seinen Vorgänger, Anton Reinthaller, erster Parteichef der FPÖ und während des Nationalsozialismus Landesbauernführer Donauland und SS-Oberführer. Hervorgegangen ist die FPÖ aus dem VdU, dem „Verband der Unabhängigen“, der von zwei konservativen NS-Widerständlern gegründet wurde. 1956 wurde daraus die FPÖ. VdU-Mitgründer Herbert Kraus war davon nicht begeistert: Die FPÖ sei eine Partei von „Rechtsextremisten und ehemaligen Naziführern“ schrieb Kraus noch im Gründungsjahr. Er habe „nie eine Nachfolgeorganisation der NSDAP gründen“ wollen.
So inszeniert sich die FPÖ als Verteidigerin von Meinungsfreiheit und Demokratie und versucht gleichzeitig, den Sportverein aus Politik und gesellschaftlicher Debatte zu drängen. Dies geschieht immer wieder auch mit dem Hinweis, dass Werder Bremen schließlich nur zu Gast sei.
Eine Demokratie kann aber nur verteidigen, wer klare Kante gegen Nazis zeigt – nicht, wer sich von dieser Losung angegriffen fühlt. Und selbstverständlich lebt Demokratie vom Engagement der Zivilgesellschaft und deren Organisationen, auch den Vereinen. Werder Bremen ist mit seiner klaren Haltung nicht allein, aber unter den Fußballclubs einer der Vorreiter. Der Verein zeigt, wie Einsatz für Demokratie tatsächlich aussehen kann: Rechtsextreme sind im Weserstadion nach dem jahrelangen Einsatz der Fans und deren Initiativen nicht mehr willkommen. Trotzdem trifft noch immer zu, was Sportvorstand Hess-Grunwald 2018 gegenüber der taz zu bedenken gab: „Man kann klar sagen, dass der Kampf gegen den Rassismus nicht gewonnen ist, sondern er muss jeden Tag und jeden Spieltag neu geführt werden.“ Auch in Österreich. Sport und Politik sind keine getrennten Sphären.