Viele Sagen beruhen auf grausamen Realitäten, denken wir nur an Rapunzel oder Hänsel und Gretel: Meist handeln sie von Frauen, die eingesperrt oder umgebracht werden. Aus irgendeinem Grund scheinen diese brutalen Geschichten Menschen zu faszinieren.
Die Stadt Eisenberg schmückt sich mit der Figur eines Schwarzen Menschen als Wahrzeichen, was einige in den sozialen Netzwerken aktiven Saale-Holzländer sogar vermuten lässt, dies sei Zeichen einer jahrhundertealten Thüringer „Willkommenskultur“.
Der Eisenberger Sage nach – und wohl wider Erwarten – sprach der namenlos gebliebene Sklave die Wahrheit (er wurde verdächtigt Schmuck gestohlen zu haben) und gilt deshalb bis heute als besonders ehrbar. Die Ausnahme bestätigt hier wohl eine Regel: Nämlich das Schwarze normalerweise lügen und stehlen, weshalb dieser eine „ehrliche“ Schwarze dafür bis heute als ein Wunder verehrt wird. Er darf sich sogar in der Stadtmitte auf einem Brunnen in ausgedachtem Folklore-Schurz und Federn rekeln, so gut ging es ihm damals, als die ganze Stadt ganz ehrfürchtig zu ihm blickte. Zur Belohnung wird er auch nicht umgebracht. Die Eisenberger*innen haben hier im Gegensatz zu allen anderen europäischen Kolonisator*inneren sicher eine Ausnahme gemacht. Ein „treuer Diener“ wird auch bestimmt freiwilliger mit ins schöne fichtenbewachsene Thüringen gekommen sein, als die Millionen verschleppten und ausgebeuteten Schwarzen Menschen auf diverse Kontinente.
Es ist schön, wenn sich Bürgermeister Michael Kieslich (CDU) ein vielfältiges Stadtfest wünscht, dass offen für alle ist. Damit alle Menschen dort ihren Spaß haben können ist es jedoch nötig, der Kritik Schwarzer Menschen an diesem Fest und am Stadtsymbol zuzuhören (vgl. Thadine.de) – und sie überhaupt einzuladen.
Eine rassistische Namensgebung wie „M*****fest“ oder die stereotype Schlauchbootlippen-Darstellung Schwarzer Menschen im Eisenberger Stadtbild, wie etwa im Emblem der „M*****apotheke“ gegenüber des Busplatzes sind hingegen verletzend und alles andere als einladend.
Die rassistische Benennung des Stadtfestes erfolgte übrigens erstmals dieses Jahr mit der CDU als Mehrheit im Stadtrat. Was nicht bedeutet, dass es keinen weitverbreiteten Konsens in Eisenberg und Umgebung über die „gute alte Tradition“ gäbe. Dieser reicht von Verwunderung und Witzen über die Debatte im familiären Whatsapp-Chat, der „bedenkenlosen“ SPD Eisenberg (vgl. Bento, Vice), die Kritik ausübenden Schwarzen Menschen auf Facebook ihre Wahrnehmung einfach abspricht: „Uns erfasste das Gefühl, dass durch bestimmte politische Kreise diese Diskussion und die gegen die Namensgebung vorgetragene Argumentation bewusst emotionalisiert wurde und wird. Auch diese Reaktion ist der Sache wenig angemessen.“ Erstmal feiern, man kann sich doch später mal drüber unterhalten. Weniger freundlich jedoch wittert der örtliche Fleischer, wer dahinter steckt und stellt einen klaren Platzverweis vor seinem Laden auf: „Der M*** bleibt – ihr Kommunisten!“
Eines bleibt allen gemeinsam: Den „Kern“ der M*****sage würde niemand außerhalb Eisenbergs verstehen, nicht ich, die ein paar Jahre in Eisenberg gelebt hat, und am allerwenigsten Menschen, die von Rassismus betroffen sind.
Wäre es denn so schlimm, das Stadtfest zum Beispiel in „Möhrchenfest“ um zu benennen, die Skulptur auf dem Brunnen endlich abzureißen und schönere Namen für die Eisenberger Kneipe, wie etwa „Zum alten Hoppel“ zu finden? Huch, Aufschrei! Was wegnehmen und so!
Liebes Eisenberg, seid doch ein bisschen kreativ und setzt euch mit eurer Stadtgeschichte auseinander!
Für ein schönes Fest für alle!
#DecolonizeEisenberg
#RassismusStoppen
#Möhrchenfest