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Gauland im Sommerinterview Kein Inhalt, keine Antworten und die große Verschwörung

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Alexander Gauland hat "persönlich keine enge Beziehung zum Internet". (Quelle: picture alliance / Sven Simon)

Gut 20 Minuten lang hatte der ZDF-Journalist Thomas Walde am Sonntag den AfD-Vorsitzenden in Potsdam befragt. Im Interview ging es dabei allerdings nicht ums Lieblingsthema der Rechtspopulisten – den Untergang der Abendlandes und warum  Geflüchtete daran Schuld sind –, sondern um Fragen, die die große Mehrheit außerhalb der blauen Blase tatsächlich interessieren. Auch wenn die AfD es gebetsmühlenartig wiederholt, so sind die angebliche „Islamisierung“, die „Umvolkung“ und ähnliche Fantasie-Theorien eben doch nicht ganz oben auf der Agenda der Menschen im Land.

Laut dem aktuellen Deutschlandtrend von ARD und Infratest Dimap für August 2018, steht für die große Mehrzahl der Wahlberechtigten das Thema Gesundheitspolitik und Pflege an erster Stelle. Geschlagene 97 Prozent der Befragten geben an, dass ihnen dieses Thema wichtig, oder gar sehr wichtig ist. Als nächstes steht die Renten- und Sozialpolitik, danach der Schutz vor Kriminalität und Verbrechen, die Klimapolitik und die Beschaffung bezahlbaren Wohnraums. Erst danach kommt schließlich die Asyl- und Flüchtlingspolitik, gefolgt von der Digitalisierung.

Walde fragt nach einigen dieser Themen. Was hat Alexander Gauland also dazu zu sagen? Rentenpolitik: „Wir haben noch kein abgestimmtes Konzept“. Macht aber nichts, denn „bei den Landtagswahlen geht es ja auch selten um Rentenpolitik“. Regulierung des Wohnungsmarktes: „Nein, eine Regierungsmöglichkeit haben wir auch nicht gefunden.“ Digitalisierung: „Das kann ich ihnen nicht erklären. Es ist allgemein bekannt, dass ich persönlich keine enge Beziehung zum Internet habe.“ Klimapolitik: Menschengemachten Klimawandel gibt es sowieso nicht. Und genauso geht es weiter. Der AfD-Vorsitzende macht bemerkenswert deutlich, dass die Partei auf die Fragen, die für die Menschen im Land wichtig sind, nicht einmal Ansätze zu Lösungsvorschlägen hat.

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Das könnte jetzt alles sehr unangenehm für eine Partei sein, die sich selbst als Alternative anpreist. Muss es aber nicht, wenn man den richtigen Schuldigen ausmacht. Überraschenderweise sind diesmal nicht die Geflüchteten Schuld am Nicht-Wissen des Vorsitzenden, sondern die Medien, beziehungsweise der interviewende Journalist selbst. „Unjournalistisch“ findet Alexander Gauland das Interview im Nachhinein.  Außerdem sei es „unverhältnismäßig einseitig“ gewesen, so Gauland auf Nachfrage der FAZ. Was das genau bedeuten soll, führt er leider nicht aus. Walde geht im Interview mit dem Medienmagazin DWDL darauf ein: „Mein Ziel war es, über Themen zu sprechen, die für die Menschen im Land eine hohe Bedeutung haben. Es gab in jüngster Zeit Umfragen, dass beispielsweise das Renten-Thema höchst relevant ist. Das hat Herr Gauland ja auch selbst eingeräumt. Auch das Klima-Thema wird aus aktuellem Anlass als wichtig erachtet. Ich habe mich daher in das AfD-Programm eingelesen und gezielt nach Themen geschaut, die gewissermaßen frag-würdig sind.“

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Die Partei, die noch am Vorabend der Ausstrahlung über Twitter zum „vormerken und einschalten“ des Sommerinterviews aufgerufen hatte, ist jedenfalls empört. Frank Pasemann, Bundestagsabgeordneter der AfD, der in seinem Büro laut Recherchen der Zeit drei Mitarbeiter aus dem rechtsextremen Milieu beschäftigt und kürzlich den NSU-Prozess als „Schauprozess“ bezeichnete, spricht auf Twitter vom „schändlichen Handeln des GEZ Staatsfunks“. Den Journalisten Thomas Walde bezeichnet er als Moderator in Anführungszeichen. Laut Pasemann war das gesamte Sommerinterview „eine ganz offensichtlich abgekartete Angelegenheit“.

Wie so oft ist die AfD wieder Opfer. Allerdings ist der Staatsfunk nicht nur schuld am Unwissen des Vorsitzenden, sondern natürlich auch für drei Passant*innen verantwortlich, die ihre Meinung am Rande des Interviews kundtun. Auf Schildern steht „Schämen Sie sich“. Mehrmals skandieren die drei: „Gauland, die Schande im Herzen von Potsdam“. Einmal sind die drei zu sehen, für mehrere Sekunden zu hören. Walde dazu im Interview: „Als die Menschen zu rufen begannen, habe ich zu ihnen rübergeschaut und Herrn Gauland gefragt, ob er unterbrechen oder weitermachen möchte. Er wollte weitermachen, also haben wir das so getan. Nach der Aufzeichnung haben wir uns überlegt, den Vorfall in der Sendung zu dokumentieren, denn eine Kamera hatte ja Bilder davon gemacht. Andernfalls hätte uns das möglicherweise den Vorwurf eingebracht, das ZDF verschweige die Störer.“

Auch im Fall der kurzen Gegendemonstration bleibt die Kritik der Rechtspopulist*innen eher unklar, vielleicht hatte man sich erhofft, dass das ZDF-Team die Störer abdrängt? Die Passage aus dem Interview rauszuschneiden, hätte AfD, die schließlich eine große Verfechterin der Meinungsfreiheit ist, doch eigentlich auch nicht gutheißen können. Auch die Parteigranden scheinen sich da nicht ganz sicher zu sein. Beatrix von Storch lässt sich schließlich die Geflüchteten nicht nehmen und twittert: „Symbolisch: das #ZDF kann Störer nicht ausschließen und die Regierung die Grenzen nicht schützen. #Sommerinterview #Staatsfunk“. Aha.

Aber eigentlich war sowieso alles ganz anders. Laut AfD hat das ZDF die Demonstrant*innen nämlich beauftragt. Warum das nun genau passiert sein soll: Man weiß es nicht. Norbert Kleinwächter, AfD-Bundestagsabgeordneter fordert trotzdem schonmal „die Entlassung des verantwortlichen Redakteurs!“. Aus Gründen die das Geheimnis des MdB bleiben, sieht er einen „schwerwiegenden Verstoß gegen die faire und objektive Interviewführung“.

Eigentlich kann die AfD den Demonstrant*innen dankbar sein: statt sich mit wichtigen Sachthemen zu beschäftigen, bei der die Partei offensichtlichen Nachholbedarf hat, bieten die wenigen Sekunden Gegenprotest direkt die nächste Empörungs- und Verschwörungs-Möglichkeit. Rente, Pflege und der Mietpreis sind ja auch viel zu schwere Themen. Die eigene Opferrolle zu kultivieren ist einfacher.
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