Es sind zwei verschieden Komponenten, die mit einem rechtsextremen Übergriff einhergehen: Die Bedrohung durch die Neonazis selbst. Und die Reaktionen der nicht-rechten Mitmenschen. „Ich bin seit Jahrzehnten gegen Rechtsextremismus engagiert. Schon aus meiner Familie habe ich eine klare Haltung gegen Nazis mitbekommen“, sagt Jordan, „und natürlich war mir immer klar, dass so eine Situation passieren kann.“ Heike E. Jordan engagiert sich im „Gelsenzentrum“ für die Aufarbeitung der Geschichte Gelsenkirchens in der NS-Zeit und für die Verlegung von Stolpersteinen in Gelsenkirchen, ist im Gelsenkirchener Bündnis gegen Rechts aktiv. „Da haben wir natürlich immer auch mal Bedrohungen oder Morddrohungen per Mail bekommen“, sagt sie. Absender mit einschlägigen Namen wie „Kameradschaft Volkssturm Deutschland“ schrieben: „Ihr sollt enden wie Schmuddel“ – der Punk, ein Neonazi in Dortmund im Jahr 2005 ermordet haben. „Aber ich habe mich schon immer auf die Seite von Schwächeren gestellt. Ich finde es einfach wichtig, dass rechtsextremes Gedankengut in der Gesellschaft nicht geduldet wird“, sagt Jordan. Deshalb schreckten sie solche Mails nicht ab, und auch angesichts der Übergriffs und der Beschmierung ihres Hauses findet sie klare Worte: „Ich stehe am 1. Mai trotzdem in der ersten Reihe, wenn wir hier gegen die Neonazis demonstrieren. Ich geh nicht weg!“
Wie umgehen mit der Bedrohung?
Etwas anderes sind die Reaktionen ihrer Mitmenschen. Auf Facebook berichtete sie über den Übergriff und die Hass-Graffitis, erhielt Solidaritätsbekundungen und Aufmunterung aus der ganzen Welt. Besonders gerührt hat sie die Reaktion von zwei befreundeten Holocaust-Überlebenden, die jetzt eine große Angst um die engagierte Frau hegen. „Hier in Gelsenkirchen gab es allerdings bisher nur wenig Reaktionen“, sagt sie, „aber unser Oberbürgermeister kommt ja aus dem gleichen Bezirk wie ich, vielleicht sagt der ja noch etwas dazu.“ Schwierig dagegen war die erste Reaktion des Hausbesitzers, der von Rechts wegen dafür zuständig ist, die Graffitis zu entfernen: „Der sagte, der Staatsschutz soll halt besser aufpassen.“ Er will Nazi-Schmierereien an den Wänden lassen? Jordan lacht ein resolutes Lachen: „Ja, da hab ich dem aber gesagt, dass das Volksverhetzung ist. Dass er das nicht in der Öffentlichkeit stehen lassen kann!“ Es wäre schön, wenn über so etwas nicht diskutiert werden müsste.
„Die Gefahr kommt näher“
Insgesamt, sagt Heike Jordan, sieht sie sich in ihren Erkenntnissen über die rechtsextreme Szene der Region leider bestätigt: „Seit Jahren warne ich davor, dass der Rechtsextremismus näher kommt, sich immer weiter in die Gesellschaft frisst.“ Die ganzen „Gidas“ rund um Pegida, die Wahlerfolge der AfD sind für sie Warnsignale für eine fortschreitende Verbreitung menschenfeindlichen Gedankenguts, und es will ihr nicht in den Kopf, dass sie selbst in manchen antifaschistischen Kreisen darüber diskutieren muss. Ermutigt fühlen sich durch die Erfolge der Rechtspopulist_innen auch Neonazis: „Im letzten Jahr ist es erstmals passiert, dass Neonazis hier aus Gelsenkirchen eine Stolpersteinverlegung gestört haben. Jetzt muss die Stolpersteinverlegung in diesem Jahr unter Polizeischutz stattfinden.“ Das ärgert Heike Jordan, man hat den Eindruck, sogar mehr als die konkreten Übergriffe auf sie selbst. Den Nazi, der vor ihrer Tür stand, sie würgte und mit eindeutigen Worten beschimpfte, die hier nicht reproduziert werden sollen, den kannte sie nicht. „Deshalb nehme ich an, dass der eher aus dem Dortmunder Umfeld kam. Die lokalen Nazis hier kenne ich von vielen Demonstrationen.“ Der Staatsschutz ermittelt. Zumindest weiß Heike E. Jordan nun, das ihr Engagement auch städteübergreifend Nazis ärgert. Sie selbst ist gedanklich aber schon wieder weiter, beim Alltagsrassismus, den sie auch in ihrem Umfeld erlebt: „Ich verstehe nicht, wie so viele Menschen in alltäglichen Gesprächen so gedankenlos rassistisch sein können. Die sollen doch froh sein, das sie Europa geboren wurden!“ Gelsenkirchen sollte auch froh sein, dass es eine so engagierte Bürgerin hat, die sich auch durch Nazi-Besuch nicht einschüchtern lässt – und über Strategien nachdenken, sie und andere Engagierte zu stärken, zu schützen und wertzuschätzen.
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WAZ zu den GraffitisWAZ zum Übergriff
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