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Gescheiterte Russlandreise AfD auf Kremlsafari

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Doch kein Krieg für Hans-Thomas Tillschneider: Sein Besuch der besetzten Gebiete im Donbas muss nach heftiger Kritik ausfallen
Doch kein Krieg für Hans-Thomas Tillschneider: Sein Besuch der besetzten Gebiete im Donbas muss nach heftiger Kritik ausfallen (Quelle: picture alliance/dpa/Klaus-Dietmar Gabbert)

Die AfD ist ein Sammelbecken der Kremlpropagandisten und Putinversteherinnen. Eine Partei, die der Spiegel kurz nach Russlands brutalem Überfall auf die Ukraine als „Putins nützliche Idioten“ bezeichnete. Die Bundeskanzler Scholz neulich „Partei Russlands“ nannte. Diesen Ruf wollen manche Parlamentarier der rechtsradikalen AfD offenbar verteidigen. So sollen drei Landtagsabgeordnete zurzeit in Russland sein: Hans-Thomas Tillschneider und Daniel Wald aus Sachsen-Anhalt und Christian Blex aus Nordrhein-Westfalen. Alle drei werden dem rechtsextremen, offiziell aufgelösten „Flügel“ der Partei zugerechnet, sind Vertraute von Björn Höcke.

Ihre Mission: „Wir werden uns auf dieser Reise ein eigenes und unverzerrtes Bild der Lage im Donbass machen“, schreibt Blex zu Reisebeginn am Montag auf Facebook. Er wirft den „deutschen regierungsnahen Medien“ vor, „höchst einseitig und lückenhaft“ über die humanitäre Situation der Menschen im Donbas zu berichten. Ein Besuch der Ostukraine sei auch geplant, teilt die AfD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt mit. Gemeint ist das Separatistengebiet Donbas, das zur Ukraine gehört und von Russland völkerrechtswidrig besetzt wird. Heute Morgen kündigte Putin an, noch im September dort „Referenden“ über eine Angliederung an Russland abhalten zu wollen.

Der Aufschrei ist groß. Und die drei Abgeordneten mussten ihre Reise schon am gestrigen Dienstag abbrechen. In einer E-Mail, aus der die taz zitiert, schreibt Blex: „Sehr geehrter Bundesvorstand, da ich als einziger Abgeordneter aktuell Internetzugang habe, möchte ich Ihnen den gemeinsamen Beschluss von uns dreien mitteilen, dass wir nicht mehr weiter in den Donbass reisen.“ Ob die Reise aber nun komplett ausfällt oder nur in die von Russland besetzten Gebiete in der Ostukraine nicht mehr auf dem Reiseplan stehen, ist noch unklar.

Sicher ist aber: Die Kritik am Trip wird immer lauter, auch in den eigenen Reihen. Die AfD-Parteispitze will von der Russlandreise nichts gewusst haben. „Wir unterstützen diese Reise nicht“, sagt Parteichef Tino Chrupalla. Es gehe um eine „Privatreise“, die nicht mit Fraktion und Partei abgesprochen worden sei, behauptet Co-Chefin Alice Weidel. Die Gruppe wird jetzt aufgefordert, die Organisation und Durchführung ihrer Reise „vollumfänglich offenzulegen“, heißt es in einem Beschluss des Bundesvorstands. Auch Blex‘ Fraktion in NRW, die ebenfalls nicht informiert worden sei, hat die Reise einstimmig missbilligt und verlangt, die Finanzierung offenzulegen. „Über etwaige disziplinarische Folgen wird die Fraktion nach einer Sachstandsprüfung entscheiden“, so heißt es im Beschluss der Fraktion.

Aus Sachsen-Anhalt kommen aber andere Töne. Der Welt zufolge übernahm die dortige AfD-Landtagsfraktion sogar die Flugkosten für ihre Abgeordneten nach Russland. Fraktionschef Oliver Kirchner bestätigte, dass die Flüge als Reisekosten nach Maßgabe des Abgeordnetengesetzes durch die Landtagsfraktion verauslagt wurden. Weder auf den Social-Medien-Kanälen noch auf ihrer Webseite hat sich die AfD in Sachsen-Anhalt bislang dazu geäußert.

Die Finanzierung der Russlandreise dürfte tatsächlich interessant sein: Woher kommen die Rubel? Ein Besuch von deutschen Mandatsträger pünktlich zu den heute angekündigten Volksabstimmungen in den von Russland besetzten Gebieten der Ostukraine kommt dem Kreml für seine Propagandazwecke sehr gelegen. Und es wäre nicht das erste Mal, dass sich AfDler*innen für Putin nützlich machen.

Schon im Februar 2018 besuchten zehn Landtagsabgeordnete aus NRW, Berlin und Baden-Württemberg die von Russland annektierte Krim. Dort wollten sie eine Aufhebung der westlichen Sanktionen gegen Russland besprechen. Einen Monat später begleitete AfDler Ulrich Oehme den rechtsradikalen, prorussischen Medienmacher Manuel Ochsenreiter auf die Krim, wo er die völkerrechtswidrige Scheinwahl „beobachtete“.

Auch Parteichefs Chrupalla und Weidel setzen sich für russische Interessen ein. Sie fordern etwa weiterhin die Öffnung der kontroversen russisch-deutschen Gas-Pipeline Nord Stream 2, die wegen Russlands Angriffskrieg auf Eis gelegt wurde. Zu Kriegsbeginn sagte Weidel im „Morgenmagazin“ der ARD, Russland habe den Krieg nur deswegen begonnen, weil das Land „gekränkt“ worden sei. Die Ukraine hingegen bezeichnet sie als „das Problem“ im Konflikt. Chrupalla wurde schon seit langem von Moskau hofiert: Im Dezember 2020 traf er Außenminister Sergej Lawrow in der russischen Hauptstadt zum Gespräch. Im Juli 2021 nahm er an der umstrittenen „Moskauer Konferenz für internationale Sicherheit“ teil. Solche Beispiele sind nur die Spitze des Eisbergs, wie Buzzfeed im Juli berichtete.

Hans-Thomas Tillschneider ist auch kein unbeschriebenes Blatt im Aktenkoffer Putins. Mitte Februar 2022, kurz vor Russlands Überfall auf die Ukraine, schrieb er auf Facebook: „Frieden mit Rußland sichert uns bezahlbare Energie; Kriegstreiberei und Hetze gegen Rußland machen Energie unbezahlbar! Deshalb: Die legitimen Sicherheitsinteressen Rußlands müssen akzeptiert werden!“ (sic). Nach Beginn des Kriegs twitterte er: „‚Russland greift an!‘“, schreibt die Tagesschau. Falsch. Russland verteidigt sich!“. Ein Tweet, den Tillschneider schnell wieder löschte.

Seit ihrem Aufbruch nach Russland haben sich Blex, Tillschneider und Wald nicht mehr öffentlich geäußert. Dafür, dass die Reise eigentlich eine PR-Aktion sein soll, herrscht eine auffällige Stille. Ob das am Funkloch oder dem FSB-Geheimdienst liegt, wäre reine Spekulation. Doch um bei nüchterner Analyse zu bleiben: Ein Coup ist die Russlandreise für die AfD wahrlich nicht. Vielmehr hat sie die inneren Konfliktlinien rund um die widersprüchliche Russlandpolitik der Partei verschärft. Nur Putin kann die Nummer teilweise als Erfolg verbuchen. Aber nur als bescheidenen: Denn mit der AfD hat er ein leichtes Spiel.

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