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Gewalt Rechtsextreme Attacken im Pride Month und was dahinter steckt

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(Quelle: Unsplash)

Der Juni gehört LGBTQ*. Der Anfang des Sommers steht seit Jahren für den Pride Month. Es ist der Monat, in dem queere Menschen auf Sichtbarkeit pochen und auf Ungleichbehandlungen und Diskriminierungen aufmerksam machen. Es ist der Monat, in dem an vielen Orten Pride-Paraden stattfinden. Aber es ist auch der Monat, in dem Rechtsextreme und Reaktionäre nicht nur noch empörter sind, als üblich, sondern auch immer wieder zur Tat schreiten oder es zumindest versuchen. Auch 2022 kam es bereits zu mehreren Übergriffen und versuchten Angriffen auf LGBTQ*. Zuletzt in Zürich am vergangenen Sonntag.

Der Kampf gegen die Gleichbehandlung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und vor allem Trans*-Personen ist zum zentralen Thema der internationalen extremen Rechten geworden. Das rechtsextreme Narrativ hat viele unterschiedliche Aspekte. Aufklärungsarbeit über geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in Schulen, also der Versuch Schüler*innen zu zeigen, dass queere Sexualität und queeres Leben existieren, empören schon lange die Gemüter Rechtsaußen. Die Szene warnt vor der angeblichen „Frühsexualisierung“, der neueste griffige Begriff dafür heißt „grooming“: Angeblich arbeitet die „Homo Lobby“ – oder synonym „Globo Homo“ – daran, „unsere Kinder“ schwul, lesbisch oder gar trans* zu machen, verweichlicht dabei Männer, vermännlicht Frauen und sorgt auch noch dafür, dass die weiße Bevölkerung nach und nach verschwindet.

Diese Erzählungen sind nicht neu und schon lange Teil konservativer, reaktionärer, rechtsalternativer bis rechtsextremer Diskurse. Die angebliche Sorge um die Kinder, die keinesfalls erfahren dürfen, dass nicht nur heterosexuelle Cis-Menschen existieren, weil sonst die westliche Zivilisation untergeht – hinter der aber eigentlich nur Homo- und Transfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit und erzreaktionäre Moralvorstellungen stehen – eint Antifeminist*innen und Neonazis, AfD und „Identitäre Bewegung“, die sogenannte „neue“ Rechte mit der alten.

Die permanente Anti-LGBTQ*-Propaganda der Szene, die über Telegramkanäle, soziale Medien, Podcast, Webseiten, sogar Videospiele international verbreitet wird, trägt Früchte. Immer wieder kommt es zu Übergriffen oder versuchten Angriffen. Besonders jetzt in der Pride-Saison also während der Zeit des Jahres, in der LGBTQ* sichtbarer sind. Gerade diese Sichtbarkeit stört allerdings die Rechtsaußen-Aktivist*innen.

Zürich: Mutmaßliche Neonazis stürmen queeren Gottesdienst

Während des Pride-Wochenendes in Zürich versuchte eine Gruppe mutmaßlicher Neonazis einen queeren Gottesdienst in der katholischen Kirche St. Peter und Paul zu stürmen. Die Gruppe wollte ein weißes Holzkreuz mit Betonsockel in die Kirche tragen. Ein freiwilliger Helfer, der zufällig zugegen war, bemerkte die Gruppe aber schnell: „Mir war sofort klar: Das sind irgendwelche Störer“, sagte er einem katholischen Webmagazin aus der Schweiz. Der Mann drängte die mutmaßlichen Neonazis zunächst allein und dann mit Hilfe anderer Kirchenbesucher*innen aus der Kirche hinaus.

Von den verhinderten Störern gibt es allerdings nur Fotos von hinten. Denn immerhin das schnelle Wegrennen funktionierte besser als die Störaktion. Offenbar trugen die verhinderten Aktivist*innen aufeinander abgestimmte Outfits, inklusive Basecaps, weißen Shirts und Schlauchschals.

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Bisher ist noch nichts über die Identität der Gruppe bekannt. Kenner*innen der Schweizer Neonaziszene vermuten allerdings, dass es sich um Aktivisten der Neonazi-Kleinstgruppe „Junge Tat“ handelt. Sollte das zutreffen, dürfte die Gruppe nicht besonders zufrieden mit ihrer Aktion sein. In den sozialen Medien, etwa auf dem eigenen Telegramkanal, habt sich die Gruppierung bisher nicht geäußert. Das ist bemerkenswert, denn die Mitglieder der „Jungen Tat“ sind Neonazis mit Mitteilungsbedürfnis und haben sich ihr PR-Konzept von der „Identitären Bewegung“ abgeschaut. Die Aktionen der Gruppe dienen vor allem dazu, in den sozialen Medien Werbung für die eigene Ideologie zu machen. Die Aktionen selbst sind in der Regel weitaus weniger wichtig, als das Video- und Fotomaterial, das dabei entsteht und dazu dient, die Neonazis als angebliche Retter der westlichen Zivilisation zu inszenieren.

Wien: Identitäre gegen den Pride Month

Auch die „Identitäre Bewegung“ hat sich auf den Pride Month eingeschossen und ringt, wie so oft, um Aufmerksamkeit, für die eigenen menschenfeindliche Anliegen. Notfalls auch gern auf dem Rücken der Kinder, die sie doch eigentlich schützen will.

Seit 2015 gibt es in den USA „Drag Queen Story Hour“, ein Projekt, in dem Drag Queens Schulklassen, Kindergartengruppen, Jugendeinrichtungen oder Jugendclubs besuchen und dort aus Kinderbüchern vorlesen und mit den Kindern und Jugendlichen über Identitäten sprechen. Für Rechtsextreme in den USA ist das schon lange ein großer Skandal, denn sie sind sich sicher: Es handelt sich um „grooming“, also den Versuch, die Kinder schwul, bi oder trans* zu machen oder auch gleich zu missbrauchen. Grund genug für einschlägige Aktivist*innen, die Veranstaltungen zu stören oder zu verhindern. Zuletzt etwa am 11. Juni 2022 im kalifornischen San Lorenzo.

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Die „Drag Queen Story Hour“ hat es mittlerweile auch nach Europa geschafft, und auch hier ist die Empörung in rechtsextremen Kreisen groß, etwa bei der „Identitären Bewegung“ (IB) in Österreich. Zu Beginn des Pride Month, am 3. Juni, wollte die Wiener Drag Queen Candy Licious in der Bücherei Mariahilf vorlesen. In der Nacht zuvor mauerten IB-Aktivist*innen den Eingang der Bücherei zu. Beschriftet ist die in den österreichischen Nationalfarben weiß und rot gestrichene Mauer mit „#NoPrideMonth“, dem Titel einer IB-Kampagne.

Vor Ort hinterließen die Rechtsaußen Aktivist*innen Flyer, die von einer „staatsfinanzierten Globohomo-Ideologie“ schwadronierten und eine „Frühsexualisierung“ beklagten. Wie so oft bei IB und Co. ging es auch hier weniger um die Aktion als solche. Sondern hauptsächlich um die produzierten Bilder.

Während die Aktivist*innen sich in den sozialen Medien noch von ihren Fans dafür feiern ließen, eine öffentliche Bibliothek zugemauert zu haben, war die Mauer schon längst abgebaut und Candy Licious konnte ihre Veranstaltung abhalten.

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Die Besessenheit der IB-Aktivisten mit dem Pride Month war mit der Mauer allerdings nicht zu Ende. Denn das Thema Homo- und Transfeindlichkeit ist mittlerweile zentral in der Szene geworden.

Das inspirierte offenbar auch die „Freiheitliche Jugend“, die Nachwuchsorganisation der rechtsradikalen österreichischen FPÖ. Parallel und in unmittelbarer Nähe zur Abschlusskundgebung der Wiener Pride-Parade am 11. Juni 2022 veranstalteten sie eine Gegenkundgebung unter dem von der IB übernommenen Slogan „Patriot Month statt Pride Month“. Daran nahmen offenbar auch Vertreter*innen der IB, der FPÖ, auch von „Studenten stehen auf“ teil, einer Gruppierung aus dem Milieu der Anti-Maßnahmen-Proteste.

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Besonders eindrucksvoll war das allerdings weder in der Realität, noch in den sozialen Medien. Während zehntausende auf den Straßen Wiens für Gleichberechtigung und Sichtbarkeit demonstrierten und feierten, ist auf Fotos ist zu sehen, wie eine Handvoll Rechtsaußen-Aktivisten mit Bierkrügen und in kurzen Hosen vor einem Ladenlokal mit halbheruntergelassenen Rollläden stehen. Lokal und Vorplatz sind offenbar weiträumig von Polizist*innen abgesperrt.

USA: Geplante Attacken verhindert

Auch wenn Homo- und Transfeindlichkeit inhärenter Teil rechtsextremer Ideologie in Deutschland und der Welt sind, stammt das aktuelle Narrativ in der Szene aus den USA, wo Alt-Right und andere Rechtsaußen-Aktivist:innen schon seit Jahren gegen Homosexuelle und Trans*personen hetzen. Aktuell scheint der Hass dabei einen neuen Höhepunkt zu erreichen.

Das zeigte sich bei einem Polizeieinsatz am 11. Juni 2022 in Coeur d’Alene in Idaho. Polizist*innen nahmen 31 Männer fest, alles Mitglieder der rassistischen und rechtsextremen Militia „Patriot Front“, die im Nachgang der „Unite the Right“-Demonstration in Charlottesville gegründet wurde, bei der eine Gegendemonstrantin ermordet wurde. Die Aktivisten, die aus mindestens zehn Bundesstaaten nach Idaho gereist waren, wollten die örtliche Pride-Parade angreifen. In einem Umzugswagen, der den Neonazi-Aktivisten offenbar als Basis diente, fanden die Behörden eine Rauchbombe, Schilde, Schienbeinschützer und Kartenmaterial und Pläne.

Die Pride in Coeur d’Alene fand trotzdem statt. Trotz der Festnahmen der Militia gab es weitere Stör- und Einschüchterungsversuche. Während die Menge den Auftritten von Drag Queens und LGBTQ*-Aktivist*innen zujubelte und Kinder mit Kreide die abgesperrte Straße bemalten, patrouillierten offenbare mehrere Homo- und Transhasser durch das Publikum. Berichte sprechen von Männern mit Gewehren, die durch die Menge gelaufen seien – in Idaho dürfen Schusswaffen auch ohne offizielle Erlaubnis offen getragen werden. Eine christliche Gruppe versuchte die Veranstaltung mit Gesang zu stören, ein weiterer Mann rollte in der Menge ein homo- und transfeindliches Transparent aus.

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