Mit dem Wahlsieg der Partei Fratelli d’Italia (Brüder Italiens, 25,5 Prozent) unter Führung der Parteichefin Giorgia Meloni triumphierte am Sonntag, dem 25. September 2022, bei den Regierungswahlen in Italien ein extrem rechtes Bündnis. Meloni ist auf dem besten Weg, die erste Regierungschefin Italiens zu werden – mit faschistischer Ideologie. Regieren möchte sie mit der rechtspopulistischen Lega (8,5 Prozent) von Ex-Innenminister Matteo Salvini und mit der Partei des früheren Regierungschefs Silvio Berlusconis, der Forza Italia (7,9 Prozent). Ein Rechtsbündnis um Meloni, Salvini und Berlusconi kommen auf 43 Prozent, damit hätte dieses Bündnis einen Vorsprung von 17 Prozentpunkten vor der nicht rechten, demokratischen Partei.
„Ich habe ein entspanntes Verhältnis zum Faschismus“
Melonie hat ihre politische Karriere in neofaschistischen Organisationen begonnen, bevor sie 2006 in italienische Parlament einzog. Mit 15 Jahren trat sie der Fronte della Gioventù bei, der Jugendorganisation des neofaschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI). Später engagierte sie sich in den Jugend- und Studierendenorganisationen der Nachfolgepartei Alleanza Nazionale (AN). In einem kurzen TV-Beitrag von 1996 sagte die damals erst 19-Jährige, dass „Mussolini ein guter Politiker gewesen sei, der beste der letzten 50 Jahre“. Zehn Jahre später untermauerte sie ihre Faszination für den faschistischen Diktator in einem Interview: „Ich habe ein entspanntes Verhältnis zum Faschismus. Es handelt sich um einen Abschnitt unserer nationalen Geschichte.“ Mussolini sei eine Figur, die kontextualisiert werden müsse.
Melonie hat es sich zur Aufgabe gemacht, den „politischen Antifaschismus“ bekämpfen. Geflüchteten, Migranten, PoC, Jüd*innen, Feminist*innen, LGBTQ*-Aktivist*innen und Antifaschist*innen droht unter Meloni ein gewaltiger Backlash. Melonie fiel in der Vergangenheit besonders wegen Hetze gegen queergeschlechtliche Menschen, Abtreibung und George Soros auf. Dem liberalen jüdisch-amerikanischen Milliardär warf sie vor, er fördere mit seinem Geld die Migrationsbewegung, „um Europas Staaten zu zerstören“ und aus dem Kontinent „einen persönlichen Spielplatz zu machen“. Eine beliebte Erzählung von Antisemiten weltweit, denn George Soros ist Dreh und Angelpunkt der antisemitischen Verschwörungstheorie einer angeblichen „jüdischen Weltregierung“. International werfen ihm rechte Aktivist*innen, -Bewegungen und -Parteien vor, den Plan zu verfolgen, Europa durch die Flüchtlingspolitik ins Chaos zu stürzen – entweder in verdecktem oder in offen antisemitischem Ton.
Die Partei Fratelli d’Italia will zwar von der Öffentlichkeit nicht mehr faschistisch wahrgenommen, trägt aber bis heute die Flamme im Logo, die als Symbol für das Gedenken an den Faschisten Benito Mussolini steht. Der „State of Hate“-Report, zur Analyse der extremen Rechen in Europa, schätze 2021 die Ausrichtung der Fratelli d’Italia als nationalistisch, EU-skeptisch und souveränistisch ein.
Glückwünsche kommen unterdessen aus der extrem rechten Ecke. Allerlei AfD-Personal brachte auf verschiedenen Social-Media-Plattformen ihre Freude über den extrem rechten Wahlsieg zum Ausdruck. So schickt etwa der Faschist Björn Höcke (AfD) ein „Herzlichen Glückwunsch nach Italien“ und nennt die Wahl eine „wichtige Wendemarke“. In Anbetracht des Erstarkens des rechtsextremen Rassemblement National in Frankreich, der möglichen Regierungsbeteiligung der extrem rechten Schwedendemokraten und nun der Sieg der Neofaschisten in Italien, schreibt Höcke: „EU-Europa befindet sich scheinbar auf dem Weg der Genesung“ – ganz so, als sei Europa von einer Krankheit befallen, die durch neofaschistische Politiker*innen geheilt wird. Schon die Nazis nutzen gerne Krankheitsmetaphern, um den Feind, Jüd*innen, die Alliierten und Systemfeinde zu diskriminieren. Einmal mehr rutscht Höcke in NS-Rhetorik – seine Fans verstehen die Andeutungen.
Auch Höckes Landesverband, die AfD-Thüringen, schickte Glückwünsche
Ebenso freut sich die extrem rechte Netzwerkerin und AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch über den Wahlsieg der Fratelli d’Italia. „Linke Regierungen sind so was von von gestern“ (sic!), feixte sie am Sonntagabend auf Twitter.
Die Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, Alice Weidel, meint in den Wahlsiegen in Schweden und nun Italien zu erkennen, dass sich die Bürger eine „geordnete, bürgerliche Politik“ wünschen. Die AfD versucht wieder Worte andere Bedeutung zu geben, um so die öffentliche Wahrnehmung zu ändern. Schließlich steht Meloni nicht für Ordnung und Bürgerlichkeit, sondern eher für Nationalismus, Souveränismus und Neofaschismus. Dabei versucht Meloni in der Öffentlichkeit von sich das Bild einer lediglich konservativen Frau zu zeichnen und betont dabei gerne ihre Rolle als Frau, Mutter und Christin – wohl auch mit dem Ziel harmlos zu erscheinen.
Unterdessen interpretieren die Neonazis der sogenannten „neuen“ Rechten den Wahlsieg Melonis als Sieg populistischer Parteien und werben sogleich für ein neurechten Klassiker in ihrem Verlag – die finanzielle Unterstützung für die demokratiefeindliche Bewegung muss ja schließlich irgendwo herkommen. Martin Sellner hofft unterdessen, dass der Wahlsieg der Rechtsextremen in Italien dazu genüge, „eine klare Wende in der Migrationspolitik“ auszulösen. Er meint damit: Grenzen zu, kein Asyl mehr für Menschen, die nicht zum europäischen Kulturraum gehören und wer dazu gehört und wer nicht, dass entscheiden natürlich die Rassist*innen selbst.
Auch der deutsche ehemalige Schlagerstar, Michael Wendler, schickt Grüße nach Italien und behauptet, dass Patrioten ihre Länder zurückgewinnen würden. Ohne antisemitisch konnotiertes Verschwörungsgeraune kommt er aber offenbar nicht aus: Auch Italien habe sich nun aus „DEN KLAUEN DER GLOBALISTEN“ gelöst. In verschwörungsideologischen Kontexten steht der Begriff „Globalisten“ synonym für Juden, beziehungsweise für eine jüdische Elite, die die Geschicke der Welt steuern würde.
Auch die Neonazis der Splitterpartei Die Rechte freuen sich über Melonis Wahlsieg, im Vergleich zur AfD und zur „neuen“ Rechten jedoch eher verhalten. Sie sind skeptisch, ob Meloni es tatsächlich schaffen könnte, den Faschismus nach Italien zurück zu bringen. Ebenso geht es Frank Franz, dem Vorsitzenden der NPD. Er schreibt: „Ich bin inzwischen einfach schon zu lange dabei, um mich von der Wahl in Italien euphorisch machen zu lassen.“
Ein rechtsextremer Verlag, der an die Partei Die Rechte angegliedert ist, glaubt, für eine echte nationalistische Regierung, müssten drei Punkte umgesetzt werden – würde Meloni denn auf jene Nazis in Dortmund hören: „Italien den Italienern!“ Die Grenzen sollen sofort geschlossen werden, Einwanderung soll gestoppt werden und „illegale und kriminelle Ausländer“ sollten „großzügig in ihre Heimatländer angeschoben werden. Die Wirtschaft solle „deglobalisiert“ werden, also „schrittweise aus dem Globalkapitalismus“ herausgelöst werden. Außerdem solle Meloni nun die „kulturelle Hegemonie zurückerobern“. Ob Meloni Italien wieder in den Faschismus führen kann, wird sich daran messen, glaubt Die Rechte, ob sie sich gegen „die Globalisten“ zur Wehr setzen kann – vom Wendler wissen wir bereits, dass Globalisten synonym für Jüd*innen steht.
Nikolai Nerling, auch unter dem Namen „der Volkslehrer“ bekannt, freut sich, dass Italien rechts gewählt hat. „Zwar noch nicht rechtsradikal, aber immerhin rechts.“
Doch nicht nur aus Deutschlands rechter Ecke kamen Glückwünsche. Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki schrieb auf Twitter „Glückwunsch Giorgia Meloni.“ Und der Chef der rechtsextremen spanischen Partei Vox, Santiago Abascal, erklärte, Meloni habe „den Weg zu einem stolzen und freien Europa souveräner Nationen gezeigt“.
Der französische Europaabgeordnete Jordan Bardella vom rechtsextremen Rassemblement National twitterte, dass die Italiener der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen „eine Lektion in Demut“ erteilt hätten. Die deutsche Politikerin hatte in der Woche vor der Wahl gesagt, dass ihre Behörde „Werkzeuge“ habe, sollte Italien unter einer rechten Regierung die EU-Regeln nicht beachten. „Keine Bedrohung jeglicher Art kann die Demokratie aufhalten“, schrieb der stellvertretende Parteivorsitzende, um pathetisch hinzuzufügen: „Die Völker Europas erheben ihre Häupter und nehmen ihr Schicksal wieder in die Hand.“ Auch die FPÖ freut sich. Harald Vilimsky, FPÖ-Delegationsleiter im Europäischen Parlament, twittert: „Italiener holen sich ihr Land zurück. Bravissimo.“ Aber er hat noch mehr heiße Takes: „Jetzt wird in Italien endlich einmal eine Frau ohne jegliche Quote Regierungschefin und den ganzen Linken und Emanzen hier passt es wieder nicht. Da soll sich einer auskennen #bravo_italia“ etwa oder „Starkes Zeichen für ein Europa der Vaterländer“ – das bezieht sich auf das neurechte Konzept des Ethnopluralismus.
Erstmals seit Ende des Zweiten Weltkriegs bekommt Italien aller Voraussicht nach wieder eine rechtsnationale Regierung. Wie es nun mit progressiven Strömungen im Land weitergeht, wie sich die eh schon in Teilen prekäre Situation von Geflüchteten entwickelt oder welche Zukunft humanitäre Seenotrettung haben wird, wie der Schutz von Sinti und Roma, queergeschlechtlichen Menschen, Feminist*innen und Antifaschistinnen aussieht, wird sich in Zukunft zeigen.