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Goldenes Grabow Völkische Siedler*innen in Brandenburg

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Der Raum Prignitz in Brandenburg wird von völkischen Siedler*innen heimgesucht. (Quelle: Wikimedia / Mehlauge / CC BY-SA 3.0)

Sie leben in abgeschottete Gemeinschaften, drillen ihre Kinder in Sommerlagern nationalsozialistischen Stils und fantasieren von der „Rettung der Rasse“ – Völkische Siedler*innengruppen gibt es in ganz Deutschland. Auch in letzter Zeit gab es immer wieder Berichte über Siedlungsprojekte wie Weda Elysia im Harz oder Anastasia- Reichsbürger*innen-Überschneidungen in der Uckermark. Das öffentliche Bewusstsein wächst – womöglich auch durch den reichsbürgerlichen Putschplan Ende 2022, der die akute Gefahr rechtsextremer Herrschaftsfantasien für die demokratische Grundordnung Deutschlands verdeutlichte.

Auch im Norden Brandenburgs findet sich ein gut vernetztes Siedlungsprojekt der rechtsesoterischen Anastasia-Bewegung. Unter dem Namen „Goldenes Grabow“ versucht das Ehepaar Markus und Iris Krause hier bereits 2015, gegen Geflüchtete und staatliche Institutionen zu agitieren, wie ein ARD-Kontraste-Beitrag zeigt: Bei einer Dorfversammlung und in selbst produzierten Videos auf ihrem YouTube-Kanal verbreiten sie Desinformationen zu „illegaler Masseneinwanderung“ und rufen zur Bildung einer Bürgerwehr auf.

Im selben Jahr stellen die Krauses das Gelände des „Goldenen Grabow“ für das Sommerlager der rechtsextremen Jugendorganisation „Sturmvogel“ zur Verfügung. Die Journalistin Andrea Röpke dokumentiert das Geschehen und berichtet in der ARD, dass Kinder bekannter Neonazis hier in militärischen Drillpraktiken unter anderem so lange in der prallen Sonne strammstehen müssen, bis sie kollabieren.

Das regressive Weltbild, das dem „Goldenen Grabow“ zugrunde liegt, ist jedoch nicht überraschend. Die ARD-Recherchen zeigen, dass Markus Krause schon als Student bei Neonazi-Kundgebungen mitmarschierte sowie an einem Treffen des völkisch-religiösen „Bundes für deutsche Gotterkenntnis“ teilnahm. Zu der auch als „Ludendorffer“ bekannten rechtsextremen Vereinigung besteht nach wie vor Kontakt. Dies zeigt sich bei deren Auftritten beim Anastasia-Festival 2017, das im „Goldenen Grabow“ stattfindet. Und auch zur rechtsextremen „Artgemeinschaft“ pflegen die Krauses persönliche Verbindungen ebenso zum völkischen Siedlungsprojekt „Weda Elysia“ im Harz und einem gleichgesinnten Hof im Allgäu.

Dass die Szene der völkischen Siedler*innen gut vernetzt ist, bestätigt Anna Weers, Expertin der Amadeu Antonio Stiftung für Rechtsextremismus im ländlichen Raum. Die Siedler*innen tun zudem alles, um ihr ideologisches Weltbild möglichst ungebrochen an die nächste Generation weiterzugeben. „Die Kinder werden von klein auf in den Familien indoktriniert und darüber hinaus auch auf Sommerlagern wie dem der Jugendorganisation ‚Sturmvogel‘“, berichtet Weers. Die Vision trägt Früchte: In den letzten zwei Jahrzehnten habe etwa eine neue Siedler*innen-Generation aus Niedersachsen in Mecklenburg-Vorpommern Fuß gefasst.

Diese völkische Landnahme in ländlichen Gebieten schafft Räume, die sich der staatlichen Kontrolle entziehen. „Völkische Siedler*innen erfüllen eine ideologisch aufgeladene Funktion für die rechtsextreme Szene. Sie sollen einen nach völkischer Vorstellung idealtypischen Lebensstil verkörpern. Sie schaffen bundesweit Orte der Vernetzung, der Nachwuchsakquise und Partnerschaftsvermittlung“, erklärt Weers.

Anastasia-Kult

Bei der Eintragung in Handelsregister 2015 geben die Krauses an, dass das Ziel der „Goldenen Grabow Dorferneuerung EWIV“ sei, die „vernünftige Arbeitsweise auf Familienlandsitzen“ zu fördern. Damit ordnen sie sich der sogenannten Anastasia-Bewegung zu. Dabei handelt es sich um einen aus Russland stammenden Kult, der sich um eine zehnteilige Romanreihe des Autors Wladimir Megre formierte.

In seinem von Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit und Wissenschaftsablehnung geprägten Werk schildert der Autor die Predigten der fiktiven Figur Anastasia. Als übersinnliches Wesen und Botschafterin des „uralten Volkes der Wedrussen“ verkündet sie als Lösung aller Probleme der angeblich verkommenen Moderne das Leben auf Familienlandsitzen. Es sollen schlicht alle Menschen in heteronormativen Kleinfamilien mit patriarchaler Rollenverteilung in Verwurzelung mit der eigenen Scholle landwirtschaftliche Selbstversorgung betreiben.

Die Betonung von Naturverbundenheit und Nachhaltigkeit machen die Anastasia-Szene dabei auch für ökologisch Interessierte anschlussfähig. Vom Europäischen Landwirtschaftsfond und dem Landes Brandenburg erhalten die Krauses etwa  mehrere tausend Euro öffentliche Fördermittel für Projekte im ländlichen Raum. Einige linke ökologische Bewegungen grenzen sich inzwischen klar gegenüber Anastasia-Gedankengut ab. Doch welchen Anklang die rechtsesoterischen Erzählungen gerade auch in Milieus finden, die sich selber keineswegs als rechts verstehen, macht deutlich, wie tiefgreifend strukturell antisemitische Weltbilder in der Gesellschaft verankert sind. Selbiges ließe sich zu der in den Büchern präsenten Wissenschaftsfeindlichkeit, dem Rassismus sowie den implizit (und explizit) patriarchalen Geschlechtervorstellungen sagen.

Durch das Siedlungsprojekt der Krauses entstehen nach Anastasia-Vision Familienlandsitze in Grabow. Für Interessierte stehen sogar „Probelandsitze“ zur Verfügung. Regelmäßig finden Treffen und Seminare statt, bei denen das Ehepaar über seine Ländereien führt – und auch durch das Dorf, um dort zum Verkauf stehende Immobilien zu begutachten, wie im Blog der Siedler*innen berichtet wird.

Das „Goldene Grabow“ soll expandieren – darauf arbeiteten Iris und Markus Krause zumindest lange hin. (Quelle: Screenshot aus einem YouTube-Video eines Fans des „Goldenen Grabow“)

Begeisterte Ortsvorsteher und bedrohliche Hausbesuche

In einem ARD-Beitrag  aus dem Jahr 2020 zeigt sich das Unwohlsein von Grabower Anwohner*innen mit der Expansion des Siedlungsprojektes im Ort. Das „Goldene Grabow“ erwerbe immer mehr Land und sei beständig auf der Suche nach neuen Grundstücken, berichten sie. Ihre Gesichter wollen sie nicht zeigen, offenbar haben sie Grund zur Sorge, wenn sie als Kritiker*innen des Projekts auftreten.

Der Ortsvorsteher von Grabow hingegen ist von Beginn an begeistert von der neuen Siedlungsintiative in seiner Gemeinde. Bei einem Trommelumzug mit Kindern aus dem Sturmvogel-Sommerlager ist er nur leicht irritiert von deren Uniformiertheit. Die Pläne der Siedler*innen, eine eigene Schule zu gründen, unterstützt er trotzdem gern.

2021 berichtet auch der Deutschlandfunk, dass Krause, der selber früher Ortsvorsteher war, Kritiker*innen seines „Goldenen Grabow“ auch mal persönlich Besuch abstattet. Die Betroffenen fühlen sich bedroht. Und das keineswegs ohne Grund – denn in der völkischen Szene sind persönliche Anfeindungen und Drohgebärden gegenüber kritischen Stimmen eine gängige Strategie. Häufig haben die Siedler*innen damit auch Erfolg und bringen Gegenstimmen nach und nach zum Schweigen, wie beispielsweise in Wienrode im Harz. Auch in Grabow habe sich die Stimmung verändert, berichtet eine Anwohnerin dem Deutschlandfunk, „mittlerweile trauen sich nur noch ein paar Leute zum Dorffest zu gehen“. Andere sagten sich: „Lieber nicht, wer weiß, mit wem ich da in Berührung komme.“

„Goldenes Grabow“ beendet?

Der Anwalt von Markus Krause lässt auf Nachfrage des Deutschlandfunk 2021 verlauten, dass das Projekt „Goldenes Grabow“ beendet sei. Um die zwei Dutzend Personen seien zu diesem Zeitpunkt Teil des Siedlungsprojektes, berichten Anwohner*innen. Die Siedler*innen wohnen teils in Bauwägen und Zeltkonstruktionen am Rande des Dorfes. Die befragten Grabower*innen halten die Ankündigung des Projektendes für reine Ablenkung. Auch im Handelsregister ist das „Goldene Grabow Dorferneuerung EWVI“ nach wie vor eingetragen und 2022 gibt es, laut Antifa-Infoblatt, Berichte, dass die Krauses weitere Grundstücke zum Kauf suchen würden und teils bereits in Verhandlungen stünden. Krause ist öffentlich bestellter Vermessungsingeneur des Landes Brandenburg – immer wieder wird gemutmaßt, dass er deshalb über Grundstückverkäufe vorzeitig im Bilde sei.

Ob das „Goldene Grabow“ tatsächlich seine völkischen Siedlungsbestrebungen aufgegeben hat, ist fraglich. Anna Weers bleibt skeptisch: „Vielleicht nehmen sie tatsächlich keine neuen Leute mehr auf. Genügend Land haben sie jedenfalls gekauft, vor Ort gibt es wenig Protest und ihre Kinder wachsen dort auf.“ Zumindest ihr demokratiefeindliches Weltbild an eine nächste Generation weiterzugeben, scheint hier zu gelingen. Wie es in Grabow weitergeht, bleibt also abzuwarten. Das Problem der völkischen Siedlung dort als abgeschlossen zu betrachten, wäre aber sicherlich ein Fehler.

Titelbild: Wikimedia / Mehlauge / CC BY-SA 3.0

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