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Good Gaming – Well played Democracy Rechte Falschspieler:innen in Gaming

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(Quelle: Unsplash)

Dass Rechtsextreme zur Verbreitung ihrer Ideologie die Nähe zu populärer Kultur wie Rock- und Rap-Musik sowie öffentlichen Spielgemeinschaften wie Fußballvereinen suchen, ist kein neues Phänomen. Und auch Computerspiele gehören bereits seit mehr als drei Jahrzehnten zu den Handlungsfeldern rechtsalternativer Akteur:innen. So berichtet die 27. Ausgabe des Magazins Der Spiegel im Jahr 1987 von sogenannter „Naziware“. Hinter Titeln wie dem „Anti-Türkentest“ oder dem „KZ Manager“ steht die unmissverständliche Absicht, ein menschenfeindliches und geschichtsrevisionistisches Weltbild zu propagieren – als herumgereichte Diskette auf dem Schulhof oder Download aus den Frühformen des Internets.

Auch die Probleme bei der Bekämpfung der gesellschaftlichen Unterwanderung mit „Naziware“ unterscheiden sich nur unwesentlich von heute. Die Verantwortlichen verstecken sich hinter Pseudonymen, ihre nur per Telefonnetz erreichbaren digitalen Mailboxen fliegen unter dem Radar der Strafverfolgungsbehörden, und das rechtsextreme Propagandamaterial wird als „Funsoft“ verharmlost. Im Jahr 1987 verfügt die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften in Bonn gerade mal über einen einzigen Heimcomputer, um bedenkliche Computerspiele zu sichten und lässt auf Anfrage des Spiegel zu Nazi-Mailboxen verlauten: „Davon ist uns überhaupt nichts bekannt.“

Zwar sind die Behörden heute deutlich aufmerksamer geworden und haben auch ihren alten Commodore 64 in Rente geschickt, doch die Rechtsextremen konnten ebenfalls ihre Methoden und Strategien weiterentwickelt. Ihre Community-Arbeit richtet sich nicht mehr nur mit expliziten Begriffen und klarer Ideologie an die bereits weitgehend Überzeugten, sondern spricht mit auf den ersten Blick unverfänglichen Bildern und Codes ebenso vermehrt die Unentschlossenen und Enttäuschten an. Im vorpolitischen Raum soll mit sogenannter „Metapolitik“ eine schleichende Verschiebung des Meinungskorridors erreicht werden, um anschließend mit weniger Widerstand aus der gesellschaftlichen Mitte die realen politischen Machtverhältnisse kippen zu können. Computerspiele und ihre Communitys spielen hierbei eine wachsende Rolle.

Metapolitik und Metagame

Für Philip Stein, den Leiter des vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall geführten Vereins Ein Prozent, sind Computerspiele der „logische nächste Schritt in unserer Strategie der Gegenkultur“ gegen einen vermeintlichen linken Mainstream. Auch Martin Sellner, der Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung, und Roland Moritz, Entwickler des 2020 veröffentlichten, indizierten Propaganda-Games „Heimat Defender: Rebellion“, reden öffentlich und unverblümt von dem Ziel, mit Games „möglichst viele rechte Inhalte unter Jugendliche zu bringen“. Der „Heimat Jam“ lädt derweil junge Kreative im März und August 2021 dazu ein, patriotische Game-Prototypen zu entwickeln, und die in vielen Bundesländern als extremistisch eingestufte Jugendorganisation der Partei Alternative für Deutschland (AfD), die Junge Alternative (JA), veranstaltet regelmäßige Spielabende über die Gaming-Plattform Discord. Spätestens, wenn sich Björn Höcke auf Fotos mit „Heimat Defender“-Merchandise zeigt, sollte klar sein, dass Gaming-Communitys im gesamten rechten Spektrum zum Gegenstand metapolitischer Bestrebungen geworden sind.

Aus internationaler Perspektive wird dieser Befund noch deutlicher. Neben offensichtlichen Provokationen durch verfassungsfeindliche Inhalte wie Hakenkreuze oder Holocaustleugnung finden sich im Community-Bereich der populären Distributionsplattform Steam immer wieder auch Chiffren, Texte und Symbole weltweit agierender, akzelerationistischer Terrorgruppen. Lose Bewegungen wie die sogenannte Atomwaffen Division und ihre diversen Ableger streuen Aufrufe zur Gewalt in Gaming-Communitys und zielen damit auf die Destabilisierung demokratischer Gesellschaften. Erst im November 2020 stand ein 23-jähriger Bayer mit Kontakten zur Feuerkrieg-Division für einen geplanten Anschlag auf eine Moschee vor Gericht. Im Mai 2021 wurde in Texas ein 28-jähriges Mitglied der InJekt Division für einen geplanten Anschlag auf einen Supermarkt festgenommen. Flankiert wird diese Propaganda- und Rekrutierungsarbeit von Strategien aus der breiteren Netzkultur und der sogenannten „Alt-Right“. Eine wachsende Folklore aus Memen und Slang-Begriffen erlaubt es rechten Akteur:innen, sich öffentlich zu äußern, ohne dabei auf den ersten Blick als rechtsextrem erkannt zu werden. Die Metapolitik wird hier zum Metagame, das antifaschistische Bildungsarbeit und den Kampf gegen Menschenfeindlichkeit vor Publikum im Netz verächtlich zu machen sucht. Mit Ironie und Doppelbödigkeit werden die eigenen Symbole stetig umgedeutet – mal steht die OK-Handgeste etwa für die weiße Vorherrschaft und mal nur für ihre ursprüngliche Bedeutung – und lassen so Aufklärer:innen und Kritiker:innen regelmäßig auflaufen. Auch in Gaming-Räumen kommt die rechte Propaganda in vermeintlich harmloser Pixel-Optik, als satirische Modifikation oder augenzwink ernde Provokation daher. Und während Rechtsextreme so als souveräne Mitspieler:innen erscheinen, wirken ihre Gegner:innen oft wie Spielverderber:innen.

Falschspieler und Spielverderber

Wie der niederländische Kulturanthropologe Johan Huizinga in seiner Kulturgeschichte des Spielens „Homo Ludens“ festgehalten hat, definiertsich Spiel maßgeblich aus der Abgrenzung vom Alltagsleben. 80 Und Spielgemeinschaften neigen dazu, diese Grenze intensiv zu verteidigen. Auch in den Communitys von Computerspielen, die oft großen Wert darauf legen, als „politisch“ interpretierte Interventionen von außen abzulehnen und für sich einen neutralen, unpolitischen Raum zu beanspruchen, lässt sich das Phänomen beobachten. Selbstverständlich findet der Alltag dennoch seinen Weg in die digitale Spielekultur, wenn etwa neue gesellschaftliche Gruppen den Zugang zu Games finden und aktiv in Communitys werden. Rechtsalternative Akteur:innen verstehen es, die daraus resultierenden Reibungen zu nutzen, und die Spielgemeinschaften zeigen sich bislang als eher anfällig für diese Vereinnahmung. Auch, weil es in vielen Spielgemeinschaften nicht selten an klaren und verbindlichen Verhaltensrichtlinien sowie einer in rechten Codes und Strategien geschulten Moderation mangelt.

In der öffentlichen Kommunikation zum Release von „Heimat Defender: Rebellion“ lässt sich diese Strategie zuletzt gut beobachten. So spricht Philip Stein in einem Video von Ein Prozent davon, dass andere Games „links unterwandert und von der Regierung gefördert“ seien. Das Spiel selbst bebildert, satirisch überhöht und verschwörungsideologisch verklärt, eine linke Meinungsdiktatur, die die vermeintlich gemäßigt rechtsalternativen Helden – identitäre Influencer wie Martin Sellner – gewaltsam unterdrückt. Kritik an der kaum verhüllten Ideologie des Spiels ist eingepreist und wird erfolgreich instrumentalisiert. So wird ein kritischer Beitrag des öffentlich-rechtlichen YouTube-Formats frontal zu „Heimat Defender“ massenhaft negativ bewertet, aufgrund handwerklicher Fehler, aber ebenso, weil rechtsalternative Akteur:innen gegen die „GEZ Zwangsgebühren bezahlte Doku“ trommeln. Der libertäre YouTuber KuchenTV, der bereits mehrfach wegen Volksverhetzung vor Gericht stand, liefert in einem Video die passende, tendenziöse Argumentationshilfe für Unentschlossene und beklagt gleichzeitig Antifa-Gruppen auf Steam.

Die Spielekultur sah sich in der Vergangenheit oft pauschalen Verurteilungen und öffentlichen Verbotsdiskursen ausgesetzt. Der daraus entstandene Vertrauensverlust von Gaming-Communitys gegenüber dem Journalismus und der Politik wirkt bis heute nach und bietet Anknüpfungsflächen für Rechtsaußen. Selbst wenn differenziert über rechtsextreme Strategien oder Hatespeech gegenüber marginalisierten Gruppen berichtet und diskutiert wird, gelingt es rechtsalternativen Akteur:innen, sich als Verbündete gegen die – in Johan Huizingas Worten – „Spielverderber“ der Außenwelt zu positionieren. Die politische Mitte unter den Spielenden zeigt sich dabei nicht immer in der Lage, die rechtsalternativen „Falschspieler:innen“, die nur zum Schein mitspielen, zu durchschauen, und lässt sich für rechte Themensetzungen und die Störung demokratischer Diskurse einspannen. Für manche wird das Falschspielen, Trollen und Agitieren sogar zum selbstwirksamen, identitätsstiftenden Moment, der von rechtsalternativen Sinn- und Involvement-Angeboten eingefangen wird.

Missverständnisse und Gegenstrategien

Um Mitspieler:in statt Spielverderber:in zu sein, müssen sich Strategien gegen Rechtsaußen mit aufrechtem Wohlwollen und Interesse der Spielkultur nähern. Pauschalisierungen, Kulturpessimismus und unauthentisches Fandom spielen rechtsalternativen Akteur:innen im Zweifelsfall in die Hände. Ebenso ist es wichtig, nicht auf jeden empörenden Köder einzusteigen und einer Kritik an rechtsalternativen Memen, Codes und Gegenständen stets auch eine Aufklärung über typische metapolitische Strategien folgen zu lassen. Denn selbst eine Sperrung oder Indizierung wird von Identitären im Zweifelsfall als Erfolg gefeiert, ihnen sollte für die Opfer-Inszenierung daher nur so wenig Aufmerksamkeit wie nötig geschenkt werden. Überhaupt ist es wichtiger, Gaming-Communitys durch die Vermittlung von antifaschistischem Know-how zu stärken und ihnen Möglichkeiten an die Hand zu geben, um Hass konsequent zu bekämpfen. Am Ende sollen alle gemeinsam Spaß haben können.

Dieser Text ist ein Auszug aus der Broschüre:

Amadeu Antonio Stiftung / Good Gaming – Well Played Democracy:
„Unverpixelter Hass. Toxische und rechtsextreme Gaming-Communitys“
Berlin 2022
90 Seiten

Mehr aus der Broschüre auf Belltower.News:

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