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Grundschullehrerin nach Rede auf Nazi-Demonstration suspendiert

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Screenshot Facebook-Veranstaltung "Demonstration in Boizenburg"

Sie wurde nun vorerst für ihre unhaltbare Position suspendiert und das Bildungsministerium in Schwerin prüft mögliche arbeitsrechtliche Maßnahmen.

 

 

Wir haben die Wahrheit auf unserer Seite.“

Durch Recherchen finden sich Fotos, die die Lehrerin hinter einem Banner mit der Aufschrift „Volksgemeinschaft supergeil – Für ein Volk ohne Zinsen!“ zeigen. Der Verweis zum Zins dient der einschlägigen Szene als Verweis für eine angebliche jüdische Weltverschwörung. Weitere Fotos zeigen sie bei ihrer Rede der Zwischenkundgebung. Eine Audiodatei liegt Belltower.News vor. Hier empfiehlt die Lehrerin Informationsquellen wie das Portal „Mut zur Wahrheit“. Es handelt sich um Websites, die rassistische Falschmeldungen und antisemitische Verschwörungstheorien verbreiten. Das Thema ihrer folgenden rund 38-minütigen Rede bezieht sich dann auf die Behauptung über einen angeblichen Plan der Bundesregierung, die deutsche Bevölkerung „auszutauschen“. In ihrer Rede, im Stil einer Schulstunde gehalten, fordert sie die Zuhörer_innen immer wieder auf, per Handzeichen auf ihre Fragen zu antworten. Inhaltlich geht es vor allem um den sogenannten “Hooton-Plan“, sie fragt „Habt ihr schon mal was vom Hooton-Plan gehört, wer hat schon mal was gehört? Wer ist informiert?“. Dabei handelt es sich um die Theorie des US-amerikanischen Hochschullehrers Earnest Albert Hooton (1887 – 1954). In einem 1943 veröffentlichten Artikel stellt er einen Plan dar, der „…die „aggressive Ideologie“ der Deutschen dadurch zerstören solle, indem man nicht-deutsche Bevölkerung in Deutschland ansiedle. Außerdem sollten die nach seiner Anschauung „biologisch begründeten und angeborenen, räuberischen Neigungen der Deutschen“ dadurch „weggezüchtet“ werden, indem Deutsche mit Vertretern anderer Völker „gekreuzt“ werden.“   Bei rechten Verschwörungstheoretikern wird seine rassistische Theorie als historische Tatsache dargestellt. Sie sehen hier in aktuellen Fluchtbewegungen den Beweis für die – von der Bundesregierung geplante – Umsetzung.

 

 

Ein Beobachter schildert, das rechte Weltbild sei vor allem durch die zu Beginn empfohlenen Informationsbezugsquellen deutlich zu erkennen gewesen. Auch die Grundlage der “Hooton-Theorie“ offenbart die rechten verschwörungstheoretischen Bezugsquellen. Die in rechten Kreisen beliebte Sorge um eine angebliche “Masseneinwanderung“ ( „…wir werden gezwungen Menschen aus aller Welt Schutz zu gewähren.“) passen hierzu. Weiter folgert sie: „Warum kümmern, um die Probleme in der ganzen Welt. Wir haben doch gewählt. Also sollen sie [die Politiker_innen] uns [Deutschen] dienen. „

Ihre Rede beendet sie mit den Worten „Wir haben die Wahrheit auf unserer Seite“. Zwar war die Lehrerin als Privatperson auf der Veranstaltung, dennoch stellt sich im Kontext der entstandenen Öffentlichkeit schnell die Anschlussfrage, welchen Raum empfohlene rechte Verschwörungstheorien als genutzte Informationsquelle im Schulunterricht einnehmen. 

 

Screenshot Facebook-Veranstaltung „Demonstration in Boizenburg“

Arbeitsrechtliche Konsequenzen von Linksfraktion erwartet

Der Sprecher des Bildungsministeriums, Henning Lipski, bestätigte gegenüber dem NDR , dass die Lehrerin „bis auf Weiteres“ vom Dienst an der Schule in Vellahn suspendiert wurde. Simone Oldenburg, Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion Mecklenburg-Vorpommern, erwarte zusätzliche „arbeitsrechtliche Konsequenzen“. Auch gegenüber dem NDR erklärt sie: „Aus meiner Sicht muss eine Kündigung erfolgen, denn eine Lehrerin, die nicht für eine freiheitliche, demokratische Wertevermittlung steht, ist nicht in der Lage, Kinder und Jugendliche zu offenen und toleranten Menschen zu erziehen“, sagte Oldenburg. Die Grenzen der persönlichen und politischen Meinung von Lehrer_innen wird auch in sozialen Netzwerken diskutiert. Wie Oldenburg schon andeutet ist für Beamt_innen die Grenze des politischen Engagements da erreicht, wo die vertretenen Positionen im Widerspruch zur Verfassung stehen (§ 34 Abs. 1 und 2 Beamtenstatusgesetz). Gerade auch vor dem Hintergrund der Urteilsverkündung des Bundesverfassungsgerichts Januar 2017 ist dies eine interessante Frage. Dort wurde NPD zwar nicht verboten, das Urteil formuliert unmissverständlich, dass sie „ein auf die Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtetes politisches Konzept [vertritt]. …Ihr politisches Konzept missachtet die Menschenwürde und ist mit dem Demokratieprinzip unvereinbar.“ Weiter heißt es, die NPD arbeite gezielt auf die gesetzten Ziele hin. 

NPD-Chefjurist übernimmt den Fall

Die Demonstration in Boizenburg war zwar keine explizit von der NPD angemeldete Veranstaltung. Politisches Milieu und NPD-Nähe zeigen aber auch schon die Social-Media-Bewerbungen im Vorfeld. Zu finden war die Mobilisierung beispielsweise bei „Jungen Nationaldemokraten-Hamburg Nordland“. Es handelt sich hier um die Jugendorganisation der NPD, die mit dem Motto „Jung,radikal und national“ nicht deutlicher ihre rechtsextreme Gesinnung zeigen könnte. Auch auf dem Facebook-Profil der „Nationalistischen Organisation Nordlichter“ ist die Veranstaltung unter Verwendung der Bildsprache der “Autonomen Nationalisten (AN)“ beworben? AN versuchen innerhalb der Neonazi-Szene Stil und Aktionsformen autonomer Linken zu übernehmen und gelten als besonders militant und gewalttätig. Ein Banner der “Autonomen Nationalisten” findet sich auch in der online gestellten Fotodokumentation der Demonstrations-Veranstaltung. Um nun die Rücknahme der Suspendierung wegen ihrer Teilnahme an einer Nazi-Veranstaltung voranzutreiben, beauftragte die Lehrerin nun den Anwalt Peter Richter – den Chefjuristen der NPD. Dieser hat schon die NPD in Karlsruhe beim Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten.

 

Screenshot Facebook-Auftritt „Junge Nationaldemokraten-Hamburg-Nordland“

Screenshot Facebook-Profil „Nordlichter“

 

Umgang mit rechtsextremen Lehrer/innen

Laut Schulgesetz hat politische Beeinflussung der Schüler_innen durch Lehrkräfte in der Schule nichts zu suchen. Ob eine solche Beeinflussung im tatsächlichen Unterricht auch stattfindet oder stattgefunden hat, ist gleichzeitig schwer nachzuweisen. Öffentliche Auftritte bei rechtsextremen Veranstaltungen hinterlassen aber ein beklemmendes Gefühl. Im aktuellen Fall wird dieses durch das dokumentierte Gespräch der Lehrerin mit Antje Mentzel, Landesvorsitzende der NPD-Frauenorganisation „Ring Nationaler Frauen“, verstärkt. „Der Ring Nationaler Frauen sieht sein Hauptaugenmerk seit der Gründung im Jahr 2006 vor allem darin, Frauen anzusprechen, rhetorisch zu schulen und auf den politischen Einsatz an der Basis vorzubereiten.“  Heike Radvan von der Fachstelle Gender und Rechtsextremismus der Amadeu Antonio Stiftung erklärt im Interview mit der Thüringer Landeszeitung, den bewussten Aufruf der NPD an junge Frauen, in soziale Berufe zu gehen. „Neonazistische Gruppierungen gehen durchaus strategisch damit um, dass Frauen mit ihren rechten Ideologien und Einstellungen weniger als solche erkannt werden.“

Der arbeitsrechtliche Umgang mit offenen rechtsextremen Einstellungen von Beamt_innen ist unterschiedlich und komplex. Auch schon in der Vergangenheit gab es Fälle der Suspendierung, Versetzung oder Kündigung. Einer Auflistung der taz zufolge trennte sich beispielsweise in Braunschweig eine Waldorfschule von einem Pädagogen, der sich für die Mitarbeit in der sächsischen NPD-Landtagsfraktion beurlauben lassen wollte. 2007 entschied die Hamburger Schulbehörde, dass eine Grundschullehrerin von ihrer Lehrtätigkeit freigestellt werde. Grund hierfür war ihre Zugehörigkeit zur NPD und eine auf ihren Namen laufende Postfachverwaltung der verbotenen „Heimattreue Deutsche Jugend“. Auch in Bredstedt (Schleswig-Holstein) wurde einer Lehrerin gekündigt, nachdem sie Schüler_innen für die NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ anwarb.

Auf erneute Anfrage unserer Redaktion über den aktuellen Stand der arbeitsrechtlichen Ermittlungen im Bildungsministerium, äußerte sich Henning Lipski es gebe keine neuen Entwicklungen. 

 

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