Der brutale Vorfall ereignete sich bereits in der Neujahrsnacht. Öffentlich geworden ist dieser Übergriff nun durch die Initiative „Cottbus schaut hin“. Nach ihrer Darstellung, die der der Opfer entspricht, wurde eine Gruppe von drei Afghanen auf ihrem Heimweg in die Unterkunft von einer Gruppe verfolgt und rassistisch beleidigt. Es sollen Sprüche wie „Ausländer raus“ gefallen sein. Bereits auf dem Weg zu ihren Wohnungen attackierte die rassistische Gruppe die Afghanen mit Schlagringen und Bierflaschen. An ihrer Unterkunft angekommen, wurden die drei von den zwei diensthabenden Wachleuten hineingelassen. Zu ihrem großen Entsetzen ließ das Sicherheitspersonal allerdings auch die Angreifer in die Asylunterkunft.
Schwerer Vorwurf gegen das Sicherheitspersonal in Flüchtlingsunterkunft
„Wir haben mehrmals zu den Wachmännern gesagt, dass sie die Polizei anrufen sollen. Aber sie haben nicht reagiert und einfach 20-25 Minuten zugeschaut, wie wir von über zehn Deutschen im Flur und Treppenbereich geschlagen wurden, “ wird eines der Opfer zitiert. Kurz bevor die Polizei eintraf, sollen die Wachmänner die Schläger darüber informiert haben, „dass sie raus gehen müssen, weil jetzt die Polizei kommt.“
Gebrochener Kiefer
Als die Beamten schließlich vor Ort waren, sollen die Wachleute falsche Angaben darüber gemacht haben, in welche Richtung die Angreifer geflohen sein. Alle drei Angegriffenen erlitten massive Verletzungen. Ein Afghane liegt mit einem gebrochenen Kiefer im Krankenhaus.
Die Sicht der Wachschützer, die als Zeugen vernommen wurden, ist eine andere: Nach ihren Angaben kamen Täter- und Opfergruppe gemeinsam in die Unterkunft. Als es zu einer Auseinandersetzung kam, wollen sie direkt eingeschritten sein. Nach Information der Lausitzer Rundschau seien die beiden Wachmänner zum Schutz vor möglichen Übergriffen der Täter_innen bis auf weiteres versetzt worden.
Staatsschutz ermittelt nach Angriff auf Flüchtlingsunterkunft
Nach Angaben der Pressesprecherin der Polizei Cottbus, Ines Filohn, gegenüber Belltower.News, konnte die Identität der Täter_innen bislang noch nicht geklärt werden. Es lägern bislang keine Indizien vor, wonach die beiden Wachmänner als rechts einzustufen sind, allerdings laufen die Ermittlungen noch, die nun der Staatsschutz übernommen hat. Dass es sich hier um eine politisch motivierte Tat handelt, könne nicht ausgeschlossen werden.
„Sollten wir bei Mitarbeitern feststellen, dass diese eine radikale Einstellung haben, trennen wir uns von diesen“, versichert Kai Distelkam, Chef der zuständigen Sicherheitsfirma, den Potsdamer Neusten Nachrichten. Die Initiative „Cottbus schaut hin“ hat daran jedoch erhebliche Zweifel. Ihre Recherchen zeigen, dass Kai Distelmann auf seiner Facebookseite einschlägige rechtspopulistische und rechtsradikale Seiten geliked hat. Unter anderem finden sich dort Seiten mit folgenden Titeln: Das Ritterkreuz and the Ritterkreuzträger Wehrmacht, Frank Rennicke, Unbequeme Jugend Cottbus, Sachsen stellt sich quer: Asylmissbrauch stoppen; Chemnitz, Sachsen, Deutschland gegen Scheinasylanten und mehrere Facebookseiten der AfD. Im Mai spekulierte Distelkam, der Tod von Michèle Kiesewetter gehe nicht auf das Konto des terroristischen NSU sondern auf das von Islamisten – eine beliebte Verschwörungstheorie unter Rechtsextremen.
Koch: „Cottbus hat ein riesiges Problem mit rechten Sicherheitsleuten“
Die Initiative erhebt nun den Vorwurf: „Der Vorfall in Cottbus und die im Internet sichtbaren Netzwerkstrukturen lassen nur einen Schluss zu: Distelkam will weniger Ausländer in seiner Heimat, während sein Unternehmen davon lebt Ausländer zu ‘bewachen’. Seine Gesinnungsgenossen werben unterdessen dafür, sich genau bei diesem Sicherheitsdienst zu bewerben. Dass das nicht lange gut gehen würde, hätte man ahnen können.“ Neben jener Unterkunft die in der Silvesternacht attackiert wurde, ist das Unternehmen noch für die Sicherheit der Bewohner_innen in zwei weiteren Flüchtlingsunterkünften zuständig.
Maria Koch, Sprecherin der ehrenamtlichen Initiative sagte gegenüber Belltower.News: „Wenn sich ein Sicherheitschef, dessen Personal für die Sicherheit von Geflüchteten zuständig ist, sich auf krasse Art und Weise rechtsextrem äußert, wollen und dürfen wir das nicht hinnehmen. Der Schutz der Geflüchteten muss an oberster Stelle stehen.“ Die Chemnitzer Sicherheitsfirma ist Vertragspartner der Stadt. Eine Anfrage an die Stadtverwaltung, ob man weiterhin an einer Zusammenarbeit festhalten will, wurde bis zu diesem Zeitpunkt leider nicht beantwortet.
Aufgeheizte Stimmung in Cottbus
Wenige Stunden vor dem Überfall fand mit etwa 300 Personen vor der Stadthalle eine Jahresabschlusskundgebung der rechtsextremen Gruppe „Zukunft Heimat“ statt, das Cottbusser Pendant zu Pegida. In dieser Gruppe tummeln sich wichtige Akteure des rechten Cottbusser Milieus, wie Neonazis, Rocker, Mitglieder der „Identitären Bewegung“, Rechtsrock-Musiker (bsp.: „Frontalkraft“, „Hausmannskost“), rechte Mode- und Musiklabels (bsp.: „Rebel Records“) und Kampfsportler (bsp.: vom Kampfsport-Label „Black Legion“) und auch Sicherheitsfirmen. Nach der Kundgebung fand in der Stadthalle eine Silvesterveranstaltung statt.
Kurz vor Jahresende waren in der Innenstadt Hitlergrüße und „Zukunft Heimat“-Rufe zu hören. Einige junge Männer vermummten sich mit Sturmhauben, einige davon rot-weiß gestreift, wie die Farben des „FC Energie Cottbus“. Auch hier kam es offenbar immer wieder zu Angriffen auf anwesende Migrant_innen. Beobachter_innen dieses Vorfalls wollen keine Anzeige erstatten, aus Angst, dass ihre Namen in den Akten und so möglicherweise in rechte Kreise gelangen. Maria Koch spricht von einem „Klima der Gewalt“ in Cottbus.