In der Nacht auf Mittwoch schossen Unbekannte auf das Parteibüro der SPD-Bundestagsabgeordneten Dr. Karamba Diaby in Halle. Am Mittwoch Mittag schrieb er auf Twitter: „Eine Büroscheibe mit meinem Konterfei weist mehrere Einschusslöcher auf.“ Er veröffentlichte ein Foto der beschädigten Scheibe.
„Ich mache mir natürlich Sorgen, dass es Menschen gibt, die mit Gewalt gegen Politiker vorgehen, das verurteile ich aufs Schärfste“, sagte Diaby der Deutschen Presse-Agentur. In den vergangenen Wochen hatte es wiederholt Angriffe und Gewaltandrohungen von Rechtsextremisten gegen Politiker*innen gegeben. Der Sozialdemokrat, der 1961 im westafrikanischen Senegal geboren ist, stand in den vergangenen Jahren immer wieder im Fokus von Neonazis. Regelmäßig gehen rassistische Hassbotschaften bei ihm ein.
Die rechtsextremen Verschwörungserzählungen starten
Das Bürgerbüro befindet sich in der Kleine Ulrichstraße in Halle an der Saale. Eine gemütliche Straße in der Innenstadt mit vielen kleinen Bars und Cafés. Wie die Polizei am Mittwochnachmittag via Twitter mitteilte, weisen mehrere Gebäude in der Nähe solche Einschusslöcher auf. Genaue Hintergründe des Vorfalls in Halle blieben zunächst unklar. Ob das Gebäude des Bürgerbüros gezielt angegriffen wurde, müsse noch ermittelt werden, so die Polizei. Und schon startet die rechtsextreme Verschwörungsspirale.
Hauptfeind des Neonazis Sven Liebich ist Diaby
Treibende Kraft ist der Neonazi Sven Liebich, der in Diaby seine Nemesis gefunden hat. Er bezeichnet den Vorfall als „klarer Fall von False-Flag“. In einem Beitrag auf seinem rechtsextremen Blog gibt es auch gleich einen Artikel zum Thema, er lautet: „Afrikanisches SPD Büro durch Staats-Antifa angegriffen“. In einem Video von Mittwochabend behauptet Liebich, es sei gerade bei Politiker*innen en vogue, Morddrohungen zu erhalten. Außerdem würden diese Bilder zeigen, dass mit einer Zwille auf die Scheiben geschossen wurde. Und natürlich hat der Blog-Betreiber, zuletzt im Dezember 2019 wegen einer Falschaussage über Renate Künast verurteilt, direkt eine Erklärung parat. Das Ganze sei inszeniert, weil sich die SPD im Sinkflug befindet. „Das ist natürlich eindeutig ne False-Flag“.
Es ist längst nicht das erste Mal, dass Dr. Diaby Opfer von Liebichs rassistischen Attacken wurde. Erst im Sommer belästigte der Neonazi Liebich den Politiker beim Mittagessen. Der Rechtsextreme warf dem Politiker vor: „Sie haben darauf verzichtet, nachdem die Wende war, nachdem die Mauer gefallen ist, da ist Herr Diaby nicht wieder in den Senegal. Also sprichwörtlich hat er sein eigenes Volk, das der Senegalesen, in den Arsch getreten.“
Immer wieder erscheinen widerliche Texte über Diaby auf Liebichs Blog. Das Worte und Hetze zu Taten führen können, zeigten etwa die Angriffe auf Geflüchtete nach massiver Hetze in Sozialen Medien oder die sich häufenden verbalen und physischen Angriffe auf Kommunalpolitiker*innen. Die rechte Medienblase ist sich dessen bewusst und schraubt die Wutspirale in rechten und rassistischen Kreisen hoch.
Aber warum greift Liebich stets Diaby an? Zum einen leben beide in derselben Stadt. Diaby kam durch ein Stipendium 1986 nach Halle, Liebich wohnt nicht weit entfernt. Zum anderen vereint Diaby gleich zwei Feindbilder auf sich. Er ist Mitglied der verhassten Sozialdemokraten und außerdem hat er eine schwarze Hautfarbe und ist gebürtig nicht aus Deutschland.
Liebich der ehemalige „Blood & Honour“-Aktivist
Noch in den 1990er-Jahren war Liebich führendes Mitglied in der rechtsextremen Szene, unter anderem bei der seit 2000 verbotenen Organisation „Blood & Honour“. Nach eigenen Angaben sei er 2003 aus dieser Szene ausgestiegen. Seither betreibt er den Hetz-Blog „Halle-Leaks“ und den Online-Versand „Politaufkleber“, auf dem er extrem rassistische und antisemitische Motive verkauft.
Allerdings ist Liebich nicht der einzigem der sich an wilden Verschwörungserzählungen zu dem Angriff auf das Büro beteiligt. Heike Themel, Lokalpolitikerin der AfD in Oberbayern, glaubt, die Schüsse seien vom Inneren des Büros abgegeben. Außerdem sei es fragwürdig, wieso die Monitore im Bild unbeschädigt seien. Und auch in den rechten Sphären von Twitter, Facebook und Co. stellen User*innen die wildesten Vermutungen zu den Schüssen an.
In rechten Kreisen wird Diaby zum Täter gemacht
Ein linkes Opfer mit schwarzer Hautfarbe ist für viele dieser rechtsradikalen Rassist*innen sicher ein Fest, nur zugeben tun sie das nicht. Das liegt aber nicht an Anstand und Erschrecken vor den eigenen Überzeugungen. Der Rassismus und der Hass auf Politiker*innen wird negiert, weil es ihnen noch attraktiver erscheint, das Opfer mit diesen falschen Beschuldigungen ein zweites Mal zu treffen.. Daher stellen sie die wildesten Spekulationen an, die aus dem Opfer Diaby einen Täter machen sollen.