Wer AfD-Vertreter_innen zuhört oder in der rechten Internetsphäre unterwegs ist, der muss wirklich Angst bekommen um den Frieden in Deutschland und die Lage in der Welt. Aber stimmt das so und warum wird es erzählt? Hier gibt es eine kurze Gegenrede zu den beliebtesten rechts-alternativen Erzählungen des letzten Jahres, die jetzt auch im Wahlkampf viel Konjunktur haben.
Heute „Deutschland wird islamisiert“
Die beliebtesten toxischen Narrativen der „alternativen Rechten“ im Internet hat der Monitoring-Bericht des Projektes „De:Hate“ der Amadeu Antonio Stiftung ermittelt. Hier finden Sie die Broschüre „Toxische Narrative – Monitoring Rechts-Alternativer Akteure“ zum Download.
Was wird erzählt?
Deutschland droht, ein muslimisches Land zu werden. Die Minderheit der Muslime werde bald zur Mehrheit und setze dann islamische Recht und islamische Religion und Kultur durch.
Warum wird es erzählt?
Islamfeindlichkeit ist in Deutschland recht weit verbreitet. So stimmen in der Studie „Enthemmte Mitte“ 41,4 Prozent der Befragten der Aussage zu: „Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden“. Sogar 50 Prozent fanden: „Durch die vielen Muslime hier fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land“
Entsprechend setzen Menschen, gerade wenn sie keinen persönlichen Kontakt zu Muslimen haben, den Islam mit islamistischem Extremismus gleich und stellen islamische Kultur als angeblich unvereinbar mit Demokratie und Menschenrechten dar (vgl. Mediendienst Integration: Unterschied zwischen Islam und Islamismus).
Das liegt auch daran, dass viele Medien den Islam vor allem thematisieren, wenn sie über Probleme berichten. Dass die meisten Muslime in Deutschland in völligen Einklang mit Demokratie und Menschenrechten und den darin verkörperten Werten seit vielen Jahrzehnten leben, wird weniger wahrgenommen (vgl. Mediendienst Integration).
Was ist das Problem?
Die Darstellung “des Islam” und “der Muslime” in ihrer Gesamtheit als „fremd“ oder sogar feindlich und aggressiv gegenüber der Demokratie ist nicht nur falsch, sondern schürt auch Ängste vor einer Veränderung des Status quo, vor einem angeblichen Angriff auf eine deutsche Identität oder deutsche Kultur und vor einem Verlust von Freiheitsrechten.
Dabei gibt es “den Islam” nicht, sondern auch hier existieren wie in allen Religionsgemeinschaften moderne bis fundamentalistische Strömungen.
Aus Islamfeindlichkeit entstehen Abwertung, Hass und auch Gewalt, vor allem gegenüber Menschen, die im Alltag als Muslime sichtbar sind oder als solche wahrgenommen werden.
Die Erfahrung von Islamfeindlichkeit, Diskriminierung und Rassismus durch die Mehrheitsgesellschaft kann gerade Jugendliche schlimmstenfalls dazu motivieren, sich auf der Suche nach Identität radikalen islamistischen Gruppen anzuschließen (vgl. Welt, Mediendienst Integration).
Und warum stimmt es nicht, dass Deutschland islamisiert wird?
Laut einer Hochrechnung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge lebten Ende 2015 zwischen 4,4 und 4,7 Millionen Muslime in Deutschland – bei 82,2 Millionen Einwohner_innen ein Anteil von 5,4 bis 5,7 Prozent. Das Pew Research Center, Pew Research Center, ein anerkanntes Meinungsforschungsinstitut in Washington, kommt für das Jahr 2050 auf einen möglichen Bevölkerungsanteil von 9,4 bis zehn Prozent Muslime – immer noch eine Minderheit (vgl. tagesschau.de). Über die Anzahl der Konvertiten gibt es keine belastbaren Zahlen (vgl. DLF, Mediendienst Integration).
Der Großteil der Muslime, die in Deutschland leben, fordern keinen Umbau der Gesellschaft nach islamischen Regeln, sondern nur, ihre Religion hier ausüben zu dürfen – ohne dabei andere Religionen oder konfessionslose Menschen einschränken zu wollen. Der Islam ist anderen Religionsgemeinschaften wie dem Christentum oder dem Judentum in Deutschland nicht gleichgestellt (vgl. Gutachten für die FES, 2015). So gibt es etwa keine muslimischen Feiertage, keine Bestattungen nach islamischem Ritus, aber in vielen Bundesländern Kopftuchverbote für Lehrerinnen und Mitarbeiterinnen des öffentlichen Dienstes.
Angeführt wird von Verfechter_innen der “Islamisierungs-These” Alltagsbeispiele, die eine wie auch immer definierte “deutsche Kultur” ergänzen, nicht ersetzen. Warum sie “ihre Kultur” bedroht sehen, wenn es Kantinen-Essen mit und ohne Schweinefleisch gibt oder Kindergärten mit und ohne Weihnachtsfeiern, bleibt dabei unklar.
Der Verfassungsschutzbericht 2016 spricht von rund 24.400 Personen in Deutschland, die islamistische Überzeugungen vertreten. Wirkliche Gefahren für die Demokratie, wie islamistischer und salafistischer Extremismus bis hin zu dschihadistischem Terrorismus, müssen inhaltlich mit Präventionsarbeit bearbeitet und wenn nötig strafrechtlich verfolgt werden – wie beim Rechtsextremismus auch (vgl. Ufuq).
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