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Hammerskins-Verbot Ein harter Schlag gegen die Rechtsrock-Szene

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Auch das Grundstück von Sven Krüger in Jamel wurde durchsucht: Im von ihm betriebenen "Thinghaus" in Grevesmühlen fanden regelmäßig Rechtsrock-Konzerte statt
Auch das Grundstück von Sven Krüger in Jamel wurde durchsucht: Im von ihm betriebenen "Thinghaus" in Grevesmühlen fanden regelmäßig Rechtsrock-Konzerte statt (Quelle: picture alliance/dpa/Jens Büttner)

Es ist ein harter Schlag gegen die militante Neonazi-Szene, wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) selbst verkündet. Aber auch gegen das Rechtsrock-Business, einen lukrativen Finanzstrom der extremen Rechten – und ein wichtiges Mittel der Radikalisierung. Denn das konspirative Hammerskins-Netzwerk, das am heutigen 19. September 2023 vom Bundesinnenministerium verboten wurde und in dessen Umfeld Razzien seit den frühen Morgenstunden in zehn Bundesländern stattfinden, steht für Rechtsrock wie zurzeit kein zweites am rechten Rand in Deutschland.

Besonders nach dem Verbot von „Blood & Honour“ in Deutschland 2000 konnten sich die Hammerskins als Platzhirsch der Rechtsrock-Szene etablieren. Sie betreiben Labels und Studios, sind in Bands, veranstalten Konzerte und Festivals. Internationale Treffen, „Hammerfest“ genannt, werden musikalisch begleitet. So gehören deutsche Labels wie Front Records, Wewelsburg Records oder Free Your Minds Records zum internationalen Netzwerk der Hammerskins. Auch einige der bekanntesten Bands und Musiker der Rechtsrock-Szene stammen aus Hammerskin-Kreisen, wie D.S.T., Flak, Division Germania oder der Liedermacher Mirko Szydlowski alias Barny. Andreas Koroschetz, Frontmann von Division Germania, spielt auch bei den Bands Gigi und die braunen Stadtmusikanten und Stahlgewitter mit.

Das Potenzial des Rechtsrocks haben die Hammerskins schon früh erkannt. Malte Redeker, führender Kopf der Hammerskins in Europa, schrieb im August 2020 in einer rechtsextremen Telegram-Gruppe: „Rechtsrock als Waffe hat noch lange nicht ausgedient“. In manchen Regionen ist es den Hammerskins gelungen, mehr oder weniger synonym mit der Rechtsrock-Szene zu werden. So schreibt das Recherchekollektiv Exif, das 2021 eine ausführliche Recherche zu den Strukturen der Hammerskins veröffentlichte, dass in den vergangenen 20 Jahren nahezu jede Rechtsrock-Band in der Rhein-Neckar-Region und im Saarland in irgendeiner Weise mit der Gruppierung verbandelt gewesen sei. „Für die Bands hatte das Vorteile: Ihnen stand eine Label-Struktur zur Verfügung, Tonstudios wurden vermittelt und ein reges Konzertgeschehen der Hammerskins sorgte für etliche Auftrittsmöglichkeiten“, schreibt Exif. „Die Bands wiederum schmeichelten den Hammerskins, indem sie die ‚Nation‘ in CD-Booklets, Interviews oder sozialen Netzwerken artig grüßten und lobten.“

Nach Belltower.News-Informationen wurde heute früh auch das Grundstück von Malte Redeker in Schifferstadt in Rheinland-Pfalz durchsucht. Dort soll er ein Tonstudio betreiben und selbst Rechtsrock produzieren. Er soll zudem auch Szene-Merch über einen Online-Versand vertreiben. Redeker gilt auch als Erfinder des rechtsextremen Fight-Events „Kampf der Nibelungen“, er gründete auch das Rechtsrock-Label „Gjallarhorn Klangschmiede“ (GKS).

Auch ein Objekt im Landkreis Ahrweiler wurde heute Morgen durchsucht. Dort wohnt Philipp Neumann, Sänger der Hammerskins-Band Flak, der auch als „Phil von Flak“ auftritt. Auf die Frage, ob die Razzia sich gegen Neumann richtete, reagierte die zuständige Staatsanwaltschaft bis Redaktionsschluss nicht. Im mecklenburg-vorpommerischen Jamel wurde das Grundstück von Sven Krüger durchsucht, einem langjährigen Hammerskin, der auch das „Thinghaus“ im benachbarten Grevesmühlen betrieben hat – ab 2010 Dreh- und Angelpunkt der rechtsextremen Szene in Norddeutschland. Ein Haus, in dem regelmäßig Rechtsrock-Konzerte stattfanden.

Viele kritisieren, dass das Verbot der Hammerskins zu spät kommt. „Mindestens zehn Jahre zu spät“, kritisiert Martina Renner, Bundestagsabgeordnete der Linken und Fraktionssprecherin für antifaschistische Politik, gegenüber Belltower.News: „Spätestens seit Auffliegen des NSU hätte klar sein müssen, dass es sich bei den Hammerskins um eine militante rechte Organisation mit hoher Gewaltaffinität und Bezug zu Terrorplanungen handelt.“ Der Zeitpunkt des Verbots – kurz vor der Landtagswahl in Hessen, bei der Innenministerin Faeser als Ministerpräsidentin kandidiert – werfe Fragen auf, so Renner.

Was für eine Auswirkung das Verbot auf die Rechtsrock-Szene haben wird, kann Thorsten Hindrichs noch nicht genau sagen. Seit Jahren forscht der Wissenschaftler zu rechtsextremer Musik an der Universität Mainz. „Aber das Verbot dürfte schon sowohl für die deutsche als auch für die internationale Rechtsrock-Szene ein ziemlicher Schlag sein“, sagt er Belltower.News. „Für die internationale Vernetzung, gerade wenn es so konspirativ vor sich geht, braucht man verlässliche Strukturen – und das wird nach den Hausdurchsuchungen erstmal erheblich leiden.“ Auch Hindrichs ist überrascht, dass das Verbot so lange gedauert hat. Er kritisiert, dass schon seit Jahren die Hammerskins nicht mehr in Verfassungsschutzberichten der Länder auftauchen. „Die Aktion war längst überfällig.“

Auch Rechtsrock-Experte Timo Büchner begrüßt das heutige Verbot der Hammerskins. „Es bedeutet – zumindest kurzfristig – eine Zerschlagung der militanten Struktur“, sagt Büchner, der mehrere Bücher zu Rechtsrock geschrieben hat, gegenüber Belltower.News. „Aber was das Verbot in seiner Langfristigkeit bedeutet, ist momentan noch nicht abzusehen.“ Denn auch nach dem Verbot von „Blood & Honour“ im Jahr 2000 oder deren militanterem Arm „Combat 18“ im Jahr 2020 existieren die Strukturen weiter fort. „Denn klar ist: Neonazis sind Überzeugungstäter. Sie machen – auch nach Razzien und Verboten – weiter“, so Büchner. Im Fall der „Hammerskins“ ist zudem noch nicht bekannt, welche und wie viele Bands aus dem militanten Netzwerk, das so eng mit der Rechtsrock-Szene verbunden ist, von den Durchsuchungen betroffen sind.

Bundestagsabgeordnete Martina Renner mahnt: „Aus den Erfahrungen rund um das Verbot von ‚Blood & Honour‘ wissen wir, dass Nachfolgebestrebungen und Ersatzorganisationen oft nicht adäquat verfolgt werden.“ Auch wenn das Verbot nun als Blaupause bezeichnet werden könne, müsse die tatsächliche Wirkung noch abgewartet werden, so Renner weiter.

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