Es sieht nicht gut aus für den letzten Präsidenten der Vereinigten Staaten. Die unter dem sogenannten „Presidential Records Act“ gegen ihn seit Mai 2021 geführten Investigationen bezüglich offizieller Dokumente, die sich gesetzeswidrig in Trumps Privatbesitz befinden, haben in der letzten Woche ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Am 8. August erhielt Donald Trumps Anwesen Mar-a-Lago in Florida Besuch von einem mit richterlichen Durchsuchungsbefehl ausgestatteten FBI-Team. Der Ex-Präsident war zu diesem Zeitpunkt selbst nicht anwesend, wurde jedoch über die Durchsuchung informiert und verfolgte sie über die auf seiner Residenz abgebrachten Sicherheitskameras. Wie das Wall Street Journal berichtet, wurden 20 Kisten mit Gegenständen beschlagnahmt, darunter elf Sätze „klassifizierter Dokumente“. Vier davon sind „Top Secret“ eingestuft, andere unterliegen ebenfalls der Geheimhaltung. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten, dass eine vom Justizministerium angeordnete Razzia bei einem ehemaligen Regierungsoberhaupt der USA stattfindet.
Der „Presidential Records Act“ besagt, dass sämtliche nicht-privaten Dokumente, die während der Amtszeit eines Präsidenten zusammenkommen – Korrespondenzen, Briefings, etc. – Eigentum der Vereinigten Staaten sind. Nach einer Präsidentschaft müssen sie zur Aufbewahrung dem Bundesarchiv übergeben werden. Behält sie ein Ex-Präsident für sich, ist dies eine Straftat – die seit einer von Trump durchgesetzten Gesetzesänderung von 2018 mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden kann.
Trumps Toilettenentsorgung
Es ist nicht das erste Mal, dass Trump fahrlässig mit offiziellem Schriftverkehr umgegangen ist. Er missachtete regelmäßig die Vorgaben zur Aufbewahrung von Dokumenten – bisweilen zerriss er sie einfach. Wie die Journalistin Maggie Haberman nachweist, hatte der Republikaner zudem die Tendenz, die zerfetzten Papiere in den Toiletten des Weißen Hauses herunterzuspülen – statt sie etwa in einem der über 20 Kamine des Weißen Hauses zu verbrennen. Die Papiere wurden von einem irritierten Klempner entdeckt. Auch die Dokumente zum von Rechtsradikalen initiierten Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021, mit denen der Untersuchungsausschuss arbeiten musste, wurden von Trump zerrissen, so die Washington Post. Außerdem hatte der Präsident bereits im Januar dieses Jahres mehrere Kisten privat gebunkerte Unterlagen an das Bundesarchiv übergeben müssen. Mutmaßlich befinden sich unter den Unterlagen Korrespondenzen mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim-Jong-Un. Vor allem soll das FBI nach Material zu atomaren Waffen gesucht haben.
Der ehemalige Präsident war von dieser Entwicklung wenig begeistert. Auf seiner eigenen Social Media-Plattform Truth Social schreibt er, im klassischem Trump-Jargon: „Noch nie hat Amerika diese Form von MISSBRAUCH der Gesetzesvollstreckung erfahren! […] Es ist aus politischen, nicht legalen Gründen passiert, und unser komplettes Land ist wütend, verletzt, und peinlich berührt davon. MAKE AMERICA GREAT AGAIN!“. In weiteren Postings ließ er verlautbaren, dass es sich bei den Vorwürfen um Dokumente zu Atomwaffen um eine Falschnachricht handeln würde. Zudem soll das FBI drei seiner Ausweise „gestohlen“ haben. Das Ganze sei „ein in unserem Land noch nie zuvor gesehener Angriff auf einen politischen Gegner“ und wie in der „dritten Welt“. Auch der Begriff der „Hexenjagd“ und ein Vergleich mit dem Watergate-Skandal dürfen nicht fehlen. Sowieso hätte er die Dokumente „entklassifiziert“ und sei sich deshalb keiner Schuld bewusst. Dies ist auch bezüglich einer potenziellen Strafverfolgung die Crux: Trump kann nur verurteilt werden, wenn nachgewiesen werden kann, dass er die Dokumente mit böser Absicht entwendet hat.
Alles Teil des Plans
Immerhin: QAnon, der wahnhafte Kult um Donald Trump, hat nach Monaten der Belanglosigkeit endlich wieder Material, um sich zu echauffieren. Wie bei einer auf Verschwörungsglauben und einem irrationalen Bedrohungsgefühl basierenden Ideologie üblich, sind die Erklärungen, die Akteur*innen um die Durchsuchung spinnen, inkohärent und widersprüchlich. Eine Sache haben sie jedoch gemein: die blinde Verehrung und Verteidigung von Trump.
Die Anhänger*innen der Verschwörungsideologie QAnon stehen den Ermittlungen eher gelassen gegenüber. Denn in deren Augen ist Trump ein brillante Genie, das die Geschicke der US-Politik immer noch fest in der Hand hielte. Alles, was ihm widerfährt, ist Teil seines „5D-Schachspiels“ und sowieso sei alles Teil seines „Plans“, dem es zu vertrauen gelte. Beweis dafür, dass er die Sache immer noch fest unter Kontrolle habe, ist, dass Trump den aktuellen FBI-Direktor Christoph Wray selbst ernannt hat und somit zu seinen Verbündeten zählen könne.
Anders sieht dies jedoch „Walküre Fabijenna“, Betreiberin eines populären deutschsprachigen QAnon-Kanals. Ihrer Ansicht nach diente die Durchsuchung der Vertuschung der Verstrickungen des FBI in kriminelle Machenschaften: „Trump hat Beweise, Dokumente und Namen von allen FBI Agenten, die an Verbrechen und kriminellen Aktivitäten ganz besonders in seiner Amtszeit beteiligt waren.“
Der Betreiber eines anderen Kanals erklärt seinen knapp 130.000 Abonnent*innen, dass das FBI gegen Trump ermitteln wollte, um zu vertuschen, dass Trump der eigentliche Sieger der Präsidentschaftswahl sei. Er hätte „Beweise“ diesbezüglich in der weisen Voraussicht einer Hausdurchsuchung bewusst in seinem Safe gelagert, mit dem Wissen, dass diese im Falle einer Durchsuchung der Öffentlichkeit präsentiert werden müssten. Dies beweist vor allem eins: die Verzweiflung, mit der QAnon-Fans nach Strohhalmen greifen, die ihre Weltsicht bestätigen.
Angeblich sei die Durchsuchung auch ein Versuch, von dem fingierten „Skandal“ um Hunter Bidens Laptop abzulenken, dessen Daten User*innen der Plattform 4chan im Juli 2022 entschlüsselt und veröffentlicht hatten. Alternativ könnte auch – wer sonst – Hillary Clinton hinter der Durchsuchung stecken, so Trump-Anhänger*innen.
Primär ist die QAnon-Community jedoch damit beschäftigt, zufällige Zahlen – wie die Uhrzeit, zu der ein Fernsehbeitrag oder Zeitungsartikel veröffentlicht wurde – zusammenzuzählen. Sobald eine Quersumme „17“ ergibt, sehen sie dies als Beweis für Trumps geschicktes Fäden ziehen im Hintergrund: der Buchstabe „Q“ ist der 17. Buchstabe des Alphabets. Gerade diese in Verschwörungsnarrativen oft populäre Zahlenmystik macht deutlich, wie das Denken dahinter funktioniert: zufällige Ereignisse – wie die Veröffentlichung eines Artikels um 7:46 Uhr – werden zur Erklärung und Berechtigung der eigenen Ideologie verwendet. Alles wird so lange gedreht und gewendet, bis es in das eigene Weltbild passt.
Angriffe gegen Behörden
Auf der anderen Seite machen genau jene Personen, die vor zwei Jahren noch mit Aussagen im Stil von „Wer nichts verbrochen hat, muss auch nichts befürchten“ geglänzt haben, auf Social Media-Kanälen und der Straße gegen das FBI mobil. Die Innensicherheitsbehörde, auch als Heimatschutzministerium bekannt, galt so lange als Verbündete, wie sie gegen antirassistische Aktivist*innen vorging. Nun ist sie Feindbild Nummer eins in der QAnon-Szene.
Laut dem Rolling Stone haben Nutzer*innen von Truth Social sowohl den Richter, der den Durchsuchungsbefehl für Mar-a-Lago erteilt hat, als auch eine*n FBI-Agent*in gedoxxt. Auch hochrangige Mitglieder der Republikanischen Partei verlassen ihre Law-and-Order-Position, um Trump zu verteidigen und ihn als Opfer eines korrupten Regimes darzustellen, genauso wie der rechtspopulistische Nachrichtensender FOX News. Zahlreiche MAGA-Anhänger*innen haben sich an Rallyes und Demonstrationen beteiligt, um ihrer Wut Luft zu machen.
Wie der Trump-Kult inzwischen schon oft genug bewiesen hat, reichen ihm wütende Social Media-Posts oder Demonstrationen nicht. Am 11. August versuchte ein mit einer AR-15 bewaffneter Mann, der bereits am Sturm auf das Kapitol teilgenommen hatte, in das FBI-Gebäude von Cincinatti, Ohio einzudringen – mit eindeutiger Intention. Zuvor hatte er auf Truth Social über sein Vorhaben geschrieben – und wurde von anderen User*innen ermutigt, aus Worten Taten werden zu lassen.
Donald Trump fordert inzwischen die beschlagnahmten Dokumente zurück. Ob die Behörden dieser Aufforderung nachkommen werden, ist jedoch fraglich.