Begeistert teilt der Twitteraccount der AfD am 2. Juni 2017 ein Video von FPÖ-TV, dem YouTube-Kanal der österreichischen Rechtspopulist*innen: Noch saß die AfD nicht im Bundestag und das Spitzenduo Alice Weidel und Alexander Gauland besuchte Wien und vor allem die österreichischen Freunde der FPÖ.
Das Video ist hier weiterhin zu sehen und könnte den beiden AfD-Fraktionsvorsitzenden in etwa genauso viel Kopfschmerzen bereiten wie ein Kater nach einer Partynacht auf Ibiza mit zuviel Wodka-Red-Bull. So spricht beispielsweise Alexander Gauland über die Nähe der beiden Parteien: „Die FPÖ ist die uns am nächsten stehende Partei, das ist völlig klar.“ Und weiter: „Alles was sie machen ist für uns natürlich vorbildhaft, weil wir auch mal gern so weit kommen würden, wie sie jetzt sind.“
Auch aus Weidel spricht Bewunderung: „Die AfD kann enorm viel von der FPÖ lernen.“ Gauland und Weidel waren aber nicht allein in Wien. Im Video ist zu sehen, dass ausgerechnet Markus Frohnmaier neben Weidel auf der schwarzen Ledercouch im FPÖ-Büro Platz genommen hat. Der AfD-Bundestagsabgeordnete pflegt ebenfalls gute Kontakte zu Russland. Im April veröffentlichte der Spiegel ein russisches Strategiepapier über Aktivitäten zur Destabilisierung von EU-Staaten und Verbreitung russischer Propaganda. Auch konkrete Maßnahmen werden dort diskutiert, unter anderem eine geplante „Unterstützung“ von Frohnmaier: „Er wird ein unter absoluter Kontrolle stehender Abgeordneter im Bundestag sein.“ Frohnmaier streitet ab, Unterstützung erbeten oder erhalten zu haben.
Land zu verkaufen
Im Video aus Ibiza bietet HC Strache Österreich praktisch zum Kauf an. Eine vermeintliche Oligarchen-Nichte will angeblich 250 Millionen Euro investieren, dafür fallen Strache mehrere Möglichkeiten ein. Zum Beispiel der Kauf der einflussreichen Kronen-Zeitung. Hier sollen dann „Zack, zack, zack“ Köpfe ausgetauscht werden und „dann machen wir nicht 27, dann machen wir 34 Prozent“. Wenn die Oligarchin im Baugewerbe investiert, winken dort Aufträge. Strache will dem österreichischen Konzern Strabag, der zum Teil dem liberalen Unternehmer Hans-Peter Haselsteiner gehört, Aufträge entziehen: „Das Erste in einer Regierungsbeteiligung, was ich dir zusagen kann, ist: Der Haselsteiner kriegt keine Aufträge mehr.“
Inwiefern solche Bemühungen „vorbildhaft“ sind und was genau die Partei diesbezüglich von der FPÖ lernen kann, bleibt bisher unklar. Parteichef Jörg Meuthen gehört zu den wenigen Vertreter*innen der Partei, die sich bislang äußern. Die FPÖ sei ein enger Partner und er werde der Partei aufgrund einer „singulären Angelegenheit“ nicht in den Rücken fallen. Gauland und Weidel, 2016 noch voll des Lobes, äußern sich überhaupt nicht zur Ibiza-Affäre. Auf Weidels Facebookseite wird am Samstag lediglich ein Text veröffentlicht, der das in Österreich eingeführte Kopftuchverbot an Grundschulen lobt. Der Pressesprecher der AfD-Fraktion im Bundestag hatte kurz nach der Veröffentlichung des Videos durch Spiegel und Süddeutsche Zeitung noch von einem „Pseudoskandal“ gesprochen. Sein Tweet ist mittlerweile nicht mehr auffindbar.
Armin-Paul Hampel, AfD-Abgeordneter im Bundestag, äußert sich im Deutschlandfunk. Ihm geht es offenbar hauptsächlich um die Privatsphäre von Strache. Er habe sich privat geäußert, deswegen sei es unethisch gewesen, das Video zu veröffentlichen, auf die eigentlichen Vorwürfe – der Versuch, die Pressefreiheit einzuschränken und Korruption – geht Hampel praktisch nicht ein. Strache ist für ihn ein Opfer. Konsequenzen für die Zusammenarbeit der beiden Parteien will auch er nicht ziehen: „Die FPÖ ist von ihrer inhaltlichen Aufstellung unser Partner und daran wird sich nichts ändern“, er spricht wie Meuthen von einem „singulären Ereignis“.
Die „Blaue Allianz“
Genausowenig wie über das Ibiza-Video will man aktuell über die eigenen Verbindungen nach Österreich sprechen. Dabei war das Treffen zwischen Weidel, Gauland, Frohnmaier und Strache in Wien keineswegs der erste Kontakt zwischen den rechtspopulistischen Parteien. Schon Frauke Petry hatte sich im Juni 2016 mit HC Strache und anderen FPÖ-Granden auf der Zugspitze getroffen. Das Treffen wurde vom bayerischen Landesverband, damals noch unter Beteiligung von Petr Bystron – mittlerweile ebenfalls im Bundestag – organisiert.
Noch früher, im Februar 2016, hatte der Landesverband auf seiner Website eine „Blaue Allianz“ vorgestellt. Unter der Überschrift „AfD und FPÖ beschließen Zusammenarbeit“ wird eine enge Kooperation der beiden Parteien heraufbeschworen. Laut Bystron sei „die Summe der Gemeinsamkeiten groß“.
Sogar am vergangenen Samstag, also zum Höhepunkt der Affäre, gab es einen gemeinsamen Auftritt der Parteien. Italiens rechtsextremer Innenminister Matteo Salvini hatte in Mailand ein Gipfeltreffen der europäischen Rechtsaußen-Parteien anberaumt. Fröhlich winkend war Jörg Meuthen, Co-Parteichef und Spitzenkandidat fürs Europaparlament auf der Bühne zu sehen. Auch aus Österreich war ein FPÖ-Vertreter angereist, der Europaabgeordnete Georg Mayer. Strache erwähnte er mit keinem Wort, während Salvini eine „neue Ära“ ausrief.
Welche Konsequenzen die Ibiza-Affäre für den Erfolg der Rechtspopulist*innen in Europa haben wird, bleibt abzusehen. Auch wenn die die AfD ihre guten Beziehungen zu Strache und seinem Umfeld zur Zeit am liebsten ignoriert, so sind die Verbindungen doch klar zu erkennen. Die Partei, die andere Politiker*innen so gerne als „Volksverräter“ bezeichnet, pflegte enge Verbindungen zu einem Politiker, der nach ein paar Wodka-Red-Bull offenbar tatsächlich dazu bereit war, sein „Volk“ zu verraten.