Der Student hat den Angriff angezeigt. Am 2. September 2020 wurde laut eines Berichts der Rhein-Neckar-Zeitung (RNZ) die Villa der „Normannia” durchsucht, sowie „umfassendes Beweismaterial sichergestellt“. 27 Personen sollen bei der Feier anwesend gewesen, acht davon an den Angriffen beteiligt gewesen sein. Offenbar nicht nur Mitglieder der „Normannia”, sondern auch andere Besucher*innen. So sollen auch Mitglieder der „Ghibellinia zu Prag” aus Saarbrücken, sowie der „Germania” aus Köln beteiligt gewesen sein.
Die Burschenschaft „Normannia” hat offenbar mit sofortiger Wirkung die „Aktivitas“ aufgelöst, das betrifft die noch studierenden Mitglieder. Der „Altherrenbund“ der Burschenschaft existiert offenbar weiter. Laut RNZ entschuldigte sich Gunnar Heydrich, der Vorsitzende des „Altherrenbundes“, per Brief bei der Leipziger Burschenschaft: „Wir bedauern den abscheulichen und inakzeptablen Vorgang vom 28. auf den 29. August auf unserem Haus, dessen Opfer ihr Bundesbruder wurde, auf das Schärfste. Als Konsequenz haben wir am 3. September mit sofortiger Wirkung unsere Aktivitas aufgelöst.“
Vorwürfe gegen die Burschenschaft sind nichts neues. So soll der aktuell so entrüstete Altherrenbund bereits seit längerem darüber unterrichtet sein, dass das Verbindungshaus auch als Treffpunkt der rechtsextremen Szene in der Region fungiert. Laut eines Ex-Mitglieds, das sich an die RNZ gewandt hatte, wusste der Bund offenbar bereits seit längerem, dass es in den Räumen der Verbindung immer wieder zu antisemitischen Äußerungen und dem Zeigen des „Hitlergrußes“ gekommen sei. Die rechtsextreme „Identitäre Bewegung“ hat sich laut des Ex-Mitglieds mehrfach in der Villa getroffen und dort Aktionen geplant. Auch an dem antisemitischen Angriff soll laut des Informanten mindestens ein Mitglied der rechtsextremen Kader-Organisation beteiligt gewesen sein.
Der Vorfall ist im Übrigen nicht durch eine Pressemitteilung der Polizei öffentlich geworden, sondern durch eine Veröffentlichung der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD). Die Aktivist*innen kritisieren eine Pressemitteilung der Burschenschaft scharf, in der sie sich von dem Vorfall distanziert und behauptet: „Wir dulden keinen Antisemitismus in unseren Reihen.“ Clara Grube, die Sprecherin der AIHD, macht auf die Kontakte der „Normannia” ins rechtsextreme Lager aufmerksam: „Neben der Nähe zu Organisationen wie der ‚Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland‘ oder dem ‚Institut für Staatspolitik‘ um Götz Kubitschek, zu Parteien wie der NPD oder der AfD sowie zur neonazistischen Kameradschaftsszene oder zur ‚Identitären Bewegung‘ dockt die ‘Normannia’ immer wieder auch am rechten Rand der CDU an. Einige Normannen sind oder waren CDU-Mitglieder. Hier werden gefährliche Seilschaften geschaffen, die bislang von den Sicherheitsbehörden wissentlich ignoriert wurden.“
Eine Materialsammlung der Aktivist*innen macht deutlich, dass die Distanzierung der „Normannia” eher unglaubwürdig ist. Dabei geht es um das historische Verhältnis der „Normannia”, aber auch anderer Burschenschaften, zum Antisemitismus. Schon 1896 verabschiedetet der „Allgemeine Deputierten Convent“, der damalige Dachverband, einen Beschluss, der jedes Mitglied dazu verpflichtete, sich zum „Deutschtum zu bekennen“ und sich vom Judentum zu distanzieren. Weit vor dem Nationalsozialismus erlassen die deutschen Burschenschaften einen „Arierparagraphen“, verhängen einen Aufnahmestopp für Juden und verlangen von Neumitgliedern ein Ehrenwort, „frei von jüdischem oder farbigen Bluteinschlag“ zu sein. 1937 wurde die Burschenschaft „Normannia” zur „NS-Kameradschaft Normannia“. August Hirt, Professor in Heidelberg, Greifswald, Straßburg und Frankfurt sowie Alter Herr der Burschenschaft „Normannia”,führte im KZ Natzweiler-Strutthof an Häftlingen Experimente mit Senfgas durch. Und war an der Ermordung von mindestens 86 Menschen in Auschwitz beteiligt.
Auch nach dem Ende des NS-Regimes ist die Heidelberger Burschenschaft rechtsaußen aktiv. 1961 gründete sie zusammen mit anderen Burschenschaften den Dachverband „Burschenschaftliche Gemeinschaft“, da die bereits rechte „Deutsche Burschenschaft“ den „Normannia”-Mitgliedern offenbar nicht „national“ genug war. 1993 erscheint in der Heidelberger Studierendenzeitung „Ruprecht“ ein Artikel eines „Normannia”-Sprechers, in der er schreibt, „Wir müssen uns nicht schämen, Deutsche zu sein, und wollen nicht mehr vor Juden buckeln“. Im Jahr 2000 verteilen Burschendschaftler der „Normannia” Flyer, auf denen vor dem „jüdischen Finanzkapital“ gewarnt wird. 2003 verteilen „Normannia”-Mitglieder die antisemitische rezipierte Rede des damaligen CDU-Politiker Martin Hohmann (heute AfD).
Foto oben: Flickr / Andreas Rockstein / CC BY-SA 2.0