Ein Theorieorgan will sie sein, in dem moderner Nationalismus formuliert wird: Die Zeitschrift „Hier&Jetzt“ aus Sachsen. Seit dem Frühjahr 2008 hat das Blatt eine neue Chefin: Angelika Willig.
„Unsere Beiträge spiegeln überwiegend Diskussionen aus der Szene wider. Dazu fühlen wir uns berufen?, schreibt Angelika Willig in Heft 10 (Sommer 2008) der Zeitschrift Hier&Jetzt. Kurz zuvor hatte sie die Chefredaktion übernommen. Seit dem Start im Dezember 2005 soll das Blatt, herausgegeben vom sächsischen Landesverband der NPD-Jugend JN, ein „Theorieorgan? sein. Gleich im ersten Heft war als Ziel vorgegeben worden, „einen modernen Nationalismus zu formulieren und identitäre Lebensart jenseits der Schmuddelecke zu offerieren?. Doch unter dem bisherigen Chefredakteur Johannes Nagel war dieser Anspruch bei weitem nicht eingelöst worden.
Seit dem Frühjahr hat mit Angelika Willig eine frühere Kulturredakteurin der ?Jungen Freiheit? das Blatt übernommen. Willig wurde 1963 in Göttingen geboren, machte ihr Abitur in Berlin und studierte anschließend Philosophie und klassischen Philologie in Freiburg und München. Sie ist seit 2004 freie Autorin für Nation&Europa und der NPD-Parteizeitung ?Deutsche Stimme?. Willig fällt auf in der männerdominierten Szene; mit selbstbewusstem Blick und perfekt sitzenden Kostüm war sie etwa auf dem NPD-Bundesparteitag 2008 in Bamberg zu sehen ? und wirkte dort wie ein Fremdkörper.
Die Partei ist sichtlich stolz auf Angelika Willig. Das NPD-Zentralorgan Deutsche Stimme druckte im Juli 2008 ein ganzseitiges Interview mit ihr. Darin beklagte sie eine „Theoriefeindschaft“, die immer mehr um sich greife. „Niemals hatten Theorie und Philosophie so wenig Ansehen wie jetzt“, sagte Willig ? und richtete ihre elitär-kulturpessimistische Kritik auch gegen die NPD selbst, als sie feststellte, dass Intellektuelle innerhalb der NPD „nicht gerade hofiert“ würden. Lob gab es dafür von der rechtsextremen Gesellschaft für Freie Publizistik (GfP). Die zeichnete die JN-Publikation vor kurzem mit dem „Förderpreis für aktive publizistische Arbeit“ aus. So schreibt die GfP auf ihrer Homepage: „Hier&Jetzt“ gehört schon nach wenigen Ausgaben zu den wichtigen nationalen Publikationen. Mit Tiefe werden hier, unkonventionell und trotzdem weltanschaulich gefestigt, zentrale Themen bearbeitet.“
Von anderen Parteipublikationen hebt sich Hier&Jetzt schon durch ihr Hochglanzpapier ab. Platte Parolen oder offene rassistische oder antisemitische Hetze finden sich dort nicht, stattdessen Ausarbeitungen über rechtsextremistische Theorien und alternative Modelle der gesellschaftlichen Organisierung sowie ? aus rechtsextremistischer Sicht ? politische Hintergründe und kulturelle Aspekte wie Beiträge über Heimatschutz und Gentechnik, „Inter-Nationalismus“ oder Globalisierung. Szenedebatten wie beispielsweise die Querfront-Strategie oder die neue Erscheinungsweisen der „Autonomen Nationalisten“ werden von unterschiedlichen Autoren beleuchtet.
In einem Interview titulierte der NPD-Publizist und Münchener Stadtrat Karl Richter Demokratie als ?sechzig Jahre bundesdeutscher Verkümmerung? und fragte: „Was wollen Sie mit Personal erreichen, das die Kategorien von Befehl und Gehorsam nicht mehr aus eigener Erfahrung kennt?“
NPD-Bundeschef Udo Voigt breitete im Herbst 2007 sein Geschichtsverständnis aus: „Bis heute leben wir in einem nichtsouveränen Land mit Soldaten fremder Mächte. (…) Wir Nationaldemokraten verstehen uns als die Spitze einer deutschen Freiheitsbewegung.“ Und mit Blick auf die rassistische Massenhatz von Mügeln warf er den „Systemmedien? vor, die wesentliche Frage nicht gestellt zu haben: was nämlich „Inder überhaupt in Mügeln zu suchen haben“.
Als Redakteure weist das Impressum von Hier&Jetzt Arne Schimmer aus, hauptberuflich Fachreferent der sächsischen NPD-Landtagsfraktion, außerdem Berthold Lauterbach, Johannes Nagel, Robert Waldstetter und Hans Gutermann. Regelmäßig schreiben bekannte Rechtsextremisten wie Karl Richter, Autor von „Nation & Europa“ sowie Jürgen Schwab, Mitglied im Sprecherrat der NPD-nahen „Deutschen Akademie?. Über die Zahl der Abonnenten ist nichts bekannt.