„Deutschland den Deutschen – Ausländer raus!“, „Frei, sozial und national!“: Die während der HoGeSa-Demo gerufenen Parolen lassen keinen Zweifel daran, dass in Köln keineswegs nur unpolitische Fußballfans auf der Straße waren, um gegen religiösen Fundamentalismus zu demonstrieren. Es blieb nicht bei Neonazi-Sprechchören, es kam zu gewalttätigen Übergriffen auf und Bedrohungen von Menschen mit vermuteten Migrationshintergrund, Polizist*innen und Journalist*innen von Seiten der HoGeSa Anhänger*innen. „Gegen Salafisten“ war offensichtlich nur ein Platzhalter für Migrant*innen, der für die Hooligan-Kampagne gewählt wurde, um größtmöglichen Zuspruch von einer breiteren Öffentlichkeit zu erhalten. Gemeint sind mit „Salafisten“ letztendlich alle, die aus Sicht der rechten Hooligans nicht in den imaginierten deutschen Volkskörper passen, und gegen die sich der deutsche Staat angeblich zur Wehr setzen müsse. Neonazis und Hooligans stilisieren sich auf diese Weise zu Vollstreckern eines missachteten „Volkswillens“; eine Strategie, die auch schon in rechtsradikalen Protesten gegen Flüchtlingsheime zum Tragen kam.
Rechte Hooligans drängen zurück in die Fankurven
Nach den Gewaltexzessen von Köln zeigt sich die deutsche Öffentlichkeit schockiert. Von körperlichen Angriffen, die gemeinsam von rechten Hooligans und organisierten Rechtsradikalen begangen wurden, berichten antirassistische Fußballfans schon seit längerer Zeit. So wurden im Oktober 2013 Mitglieder der links positionierten Duisburger Fan-Gruppe „Kohorte“ im Anschluss an ein Spiel des MSV in Saarbrücken von 20 bis 30 männlichen Angreifern zusammengeschlagen. Erst die Polizei konnte die Täter zurückdrängen. Unter ihnen befanden sich – neben Mitgliedern der rechten Hooligantruppe „Division Duisburg“- Aktivisten des ehemaligen Nationalen Widerstands Dortmund und Duisburg. Auch in Dortmunds Fankurven organisieren sich Rechtsradikale, und dies nicht beschränkt auf Hooligan- sondern durchaus auch in Ultragruppen. Bei einer im Zuge des „Nationaler Widerstand Dortmund“-Verbotes durchgeführten Hausdurchsuchung wurden Aufkleber der Ultragruppe „Desperados“ gefunden. In der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung wurde ein Szenekenner zitiert, der von einer engen Verflechtung Autonomer Nationalisten, Desperados und der Hooligangruppe „Northside“ berichtete. Der Dortmunder Lokalverband der Partei „Die Rechte“ bot NWDO-Kadern eine neue Heimat. Dessen Gallionsfigur ist Siegfried „SS-Siggi“ Borchardt, der bereits seit den 1980er Jahren an einer Vernetzung rechter Hooligans und der Neonaziszene arbeitet.
Naziprobleme auch bei Ultras
Auch am Beispiel der Band „Kategorie C“, die während der Auftaktkundgebung in Köln auftrat, werden die Überschneidungen zwischen Rechter- und Hooligan- und Ultraszene deutlich. Hannes Ostendorf, der Sänger der Band, war 1991 an einem Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft beteiligt. Ostendorfs Bruder, der ebenfalls nach Köln gereist war, gilt für den Verfassungsschutz als Drahtzieher im internationalen Netzwerk zwischen NPD, NS-Skin-Milieu und der Hooliganszene. Normalerweise kann „Kategorie C“ in Deutschland nur bei konspirativ organisierten Konzerten auftreten. Vielfach wurden Konzerte durch antifaschistischen Protest verhindert oder durch die Polizei untersagt. In Köln allerdings konnte die Band an zentralem Ort und ohne Vorkontrollen auftreten. Noch im August traten Kategorie C in Belgien bei einem von der Aachener Hooligangruppe „Westwall“ organisierten Konzert auf, Ostendorf trug dabei ein T-Shirt der Hooligans. Laut Spiegel wurden auch zwei führende Mitglieder der Aachener Ultragruppe „Karlsbande“ im Publikum gesichtet. Die Karlsbande gilt als eng mit Neonazis der verbotenen „Kameradschaft Aachener Land“ verbunden, deshalb kam es 2012 zum Konflikt mit den antirassistischen Aachen Ultras (ACU). Das Resultat: Die Aachener Ultras wurden von den Rechten mit Gewalt aus dem Stadion gedrängt, der Verein schaute untätig zu. Die ACU erklärten daraufhin ihren Rückzug aus dem Stadion.
Neonazi- Organisierung in Deutschlands Stadien zu lange verharmlost
Die deutschen Profi-Vereine müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, rechte Organisierung in ihren Stadien zu lange verharmlost und antirassistische Fans nicht ausreichend geschützt zu haben. So wurde letztendlich der Nährboden geschaffen, auf dem die HoGeSa-Vernetzung nun gedeiht. Nicht nur in Aachen, auch in Braunschweig wurden linke Fans von Rechtsradikalen regelrecht aus der Kurve geprügelt, in Düsseldorf gibt es ähnlich bedenkliche Entwicklungen- aktuell positionieren sich die Ultras Düsseldorf allerdings gegen HoGeSa. Ein weiteres Problem stellt die zunehmende Kriminalisierung der Ultra-Szene dar: Erst Anfang Oktober äußerte die im Dortmunder Westfalenstadion tonangebende Gruppierung „The Unity“ in einem Spielbericht zum Revierderby, dem die Gruppe wegen Stadionverboten nicht beiwohnen konnte, ihre Kritik: „Im Gästeblock nutzten während des Spiels einige wohl die Tatsache, dass wir nicht im Stadion waren und meinten in Abwesenheit der so oft kritisierten führenden Ultragruppen rechte Parolen und Gesänge anstimmen zu können. So sieht der Fußball ohne Ultras aus, auch wenn es oftmals gerne vergessen wird.“
Trotz NSU: Sicherheitsbehörden unterschätzen neonazistische Gefahr
Nun darf das Feld nicht politischen Hardlinern überlassen werden, die sich derzeit in Stellung bringen: NRW-Innenminister Ralf Jäger äußerte etwa, dass das Bundesverfassungsgericht davon überzeugt werden solle, das Grundrecht auf Demonstrationen einzuschränken. Zur Verhinderung der Gewalttaten von Köln hätten bestehende Gesetze jedoch ausgereicht. Polizei und Politik haben die Gefahr vom rechten Rand nicht in altbekannter Manier völlig unterschätzt und Warnungen der Organisator*innen der Gegenkundgebung in den Wind geschlagen. Wären ausreichend Kräfte vor Ort gewesen und Rechtsbrüche wie Hitlergrüße konsequent geahndet worden, hätte das Ausmaß der Eskalation deutlich verringert werden können. Es spottet jeder Beschreibung, dass Teilnehmende der HoGeSa-Demo während der gesamten Demonstration hindurch vermummt sein und Passant*innen ungestraft attackieren konnten. Zum Vergleich: Während der kapitalismuskritischen „Blockupy“-Demonstration in Frankfurt im Mai diesen Jahres reichten der Polizei Regenschirme und Sonnenbrillen, um 1000 Demonstrierende stundenlang zu kesseln.
English Defense League keine Blaupause für HoGeSa
Die rechtsradikalen Ausschreitungen in Köln fanden keineswegs im luftleeren Raum statt. Dass die als lose zu bezeichnende Organisierung im Internet einen so durchschlagenden „Erfolg“ zeitigen würde, war nicht zu erwarten. Es ist neu, dass sich in Deutschland rechte Hooligans jenseits des Stadions zur Durchsetzung rechter Politik zusammenfinden. Ähnliche Entwicklungen gab es zwar in Polen, oder in England mit der „English Defense League“ (EDL), wie Patrick Gensing bei „Publikative.org“ bemerkt. Nichts desto trotz gibt es erhebliche Unterschiede zwischen EDL und HoGeSa. Erstere entwickelte sich zunächst aus einem lokalen Protest gegen eine in Luton stattfindende Demonstration der islamistischen Gruppierung „Al-Muhajiroun“, der bereits stark islamophobe Züge aufwies. Bei HoGeSa agierten rechte Hooligans aus verschiedenen Städten von der ersten Kundgebung an vernetzt. Zudem war die EDL stark von den Führungskadern Stephen Yaxley-Lennon (auch Tommy Robinson) und Kevin Carroll abhängig. Ähnlich unangefochtene Führungspersönlichkeiten bilden sich bei HoGeSa nicht heraus. Yaxley-Lennon und Carroll sind mittlerweile aus der EDL ausgetreten, einer der Gründe für das Scheitern der EDL. Bei diesjährigen Protesten in Slough und Bristol konnte die EDL beispielsweise nur noch 400 bis 600 Anhänger*innen mobilisieren. Allein die Instrumentalisierung des von Islamisten begangenen Mordes an dem britischen Soldaten Lee Rigby in London- Woolwich im Mai 2013 dürfte die EDL bis heute am Leben gehalten haben.
Einmaliger Höhepunkt oder Geburtsstunde neuer rechter Erlebniswelt?
Bei einem neuen Phänomen wie den HoGeSa, welche sich noch in der Findungsphase befinden, ist es schwer, Voraussagen für die Zukunft zu treffen. Es ist nicht sicher, ob die Demo in Köln ein einmaliger Höhepunkt bleibt, wie es das „Bündnis aktiver Fußballfans“ (BAFF) vermutet, oder ob sie die Geburtsstunde einer neuen rechten Erlebniswelt darstellt. Bei aller verständlichen Sorge über die „Machtdemonstration“ der Neonazis und Hooligans darf nicht vergessen werden, dass sie auch zu einem gewissen Grad als Ausdruck der Schwäche in dem ursprünglichen Betätigungsfeld der Teilnehmenden gesehen werden kann. Selten kommt es noch zu Zusammenstößen von Hooligangruppen verschiedener Vereine an Spieltagen. Und Neonazis ist es in der jüngeren Vergangenheit auf Grund antifaschistischer Blockadestrategien nicht mehr gelungen, erfolgreich größere Demonstrationen abzuhalten.
Vor den für den 15.11. angekündigten Demos in Hamburg und Berlin sind noch viele Fragen offen. Es stellt sich etwa die Frage, wie sich organisierte Neonazis zukünftig innerhalb des HoGeSa-Netzwerks verhalten. Zwar waren viele von ihnen am 26.10. in Köln, seien es der Thüringer NPD-Vorsitzende Patrick Wieschke, der Hessener NPDler Jörg Krebs, Mitglieder der „Freies Netz Süd“-Nachfolgestruktur „Der III. Weg“ oder Aktivisten der militanten Neonazigruppierung „Weiße Wölfe Terrorcrew“. Sie verzichteten allerdings darauf mit Fahnen oder Bannern auf ihre Partei- oder Gruppenzugehörigkeit zu verweisen, wie es sonst auf Szene-Demonstrationen üblich ist. Das Motto der in Berlin aus dem HoGeSa-Spektrum angemeldeten Demonstration „Gegen Salafisten, Islamisierung, Flüchtlingspolitik“ zeigt auf jeden Fall eine Ausweitung der HoGeSa-Programmatik auf bereits von Rechtsradikalen erschlossene Themenfelder.
Verantwortung der Fanszenen
Jenseits der Zivilgesellschaft und antifaschistischer Gruppen tragen die Fanszenen in Hamburg und Berlin ebenfalls eine Verantwortung, wie auch BAFF betont. So war das Fehlen eines Aufrufs zur Gegendemonstration in Köln seitens größerer Kölner Fangruppen wie der „Wilden Horde“ oder der „Coloniacs“ eine verpasste Chance. Die Hoffnung besteht, dass sich Fans künftig gegen HoGeSa vernetzen, und sich somit eine vereinsübergreifende Gegenströmung bildet. Denn klar ist: an den Spieltagen der Bundesligen werden auch die HoGeSa-Unterstützer*innen wieder in den Kurven der Stadien stehen.
Es bleibt zu hoffen, dass sich bei weiteren HoGeSa-Demonstrationen Polizei und das gesamte Spektrum der Zivilgesellschaft, von Gewerkschaft, Parteien, Antifaschist*innen bis hin zu Fanszenen besser auf die rechten Hooligans vorbereitet zeigen.
*Die Demonstration für den 15.11. in Hamburg wurde Stand 30.10. abgesagt. Unklar ist, ob dies geschah, um sich auf eine Demonstration in Berlin am selben Tag zu konzentrieren oder interne Querelen der Grund sind. Möglich ist auch, dass die Absage das Resultat eines Outings des Hamburger Anmelders auf einer linken Internetplattform ist. Die Internetpräsenz der HoGeSa wirbt nach wie vor für eine Demonstration in Hamburg mit Treffpunkt Hauptbahnhof.