Der Prozess zur „Nauener Zelle“ begann im 24.11.2016 am Landgericht Potsdam. Vor Gericht stehen sechs Rechtsextreme, angeklagt wegen diverser Straftaten – unter anderem für den Brandanschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft in Nauen 2015.
Die Angeklagten sind Nauens rechte Stadtguerilla: In der Nacht zum 25. August des vergangenen Jahres brannte eine Turnhalle vollständig ab, in der rund 100 Geflüchtete untergebracht werden sollten. Die Feuerwehr, die mit 60 Leuten vor Ort war, hatte keine Chance, die Flammen zu löschen. Es entstand ein Schaden von rund 3,5 Millionen Euro. Geflüchtete wurden trotzdem in Nauen untergebracht.
Zuvor hatten Mitglieder der „Nauener Zelle“ bereits weitere Straftaten begangen, u.a. ein Auto aus rassistischen Motiven demoliert und angezündet, ein Büro der Linken mit Klebstoffe und Farbbeuteln beschädigt (vgl. NgN)
Vor Gericht ging es um (vgl. Berliner Zeitung):
Störung der Stadtverordnetenversammlung in Nauen durch Schneider, der rassistische Parolen brüllte (12.02.2015)PKW eines polnischen Besitzers angezündet; Schneider und Dennis W. (17.05.2015)Rohrbombe vor einer Lidl-Filiale in Nauen; Sachschaden: 9.000 Euro, Dennis W. (01.06.2015).Sachbeschädigung am Büro der Linken, Farbbeutel, Sachschaden: 6.000 Euro. Christoph L. und Frank E. (Juni 2015)Dixie-Toilette auf der Baustelle des neuen Übergangsheims für Geflüchtete in Brand gesetzt; Christoph L. (31.07.2015)Brandstiftung an der Sporthalle des Nauener Oberstufenzentrums, die Notunterkunft für Geflüchtete werden sollte. 3,5 Millionen Euro Sachschaden (August 2015).
Ab November 2016 müssen sich die mutmaßlichen Täter um den Nauener NPD-Stadtverordneten und mutmaßlichen Rädelsführer Maik Schneider vor dem Landgericht Potsdam verantworten. Schneider soll zudem mit vier Mitangeklagten eine kriminelle Vereinigung gebildet haben, um rassistische Straftaten zu begehen. Zudem wird den Angeklagten schwere Brandstiftung und Sachbeschädigung vorgeworfen. Der Prozess gegen die sechs Mitglieder der rechtsextremen Szene findet unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen statt, die Polizei spricht von einer abstrakten Gefahrenlage (Berliner Zeitung, PNN)
Der Prozess beginnt mit einem Geständnis: Ein Angeklagter schilderte, wie es zu den Anschlägen kam. Der mutmaßliche Rädelsführer und NPD-Kommunalpolitiker Maik Schneider wurde zu Prozessbeginn von einem Mitangeklagten schwer belastet (ZEIT, MAZ)
Ein Schöffe kassiert einen Befangenheitsantrag, weil er meinte, NPD-Politiker Maik S. erzähle „Stuss“ (rbb, MAZ). Der Prozess läuft aber erst einmal weiter – noch. Der Hauptangeklagte Maik Schneider am zweiten Verhandlungstag bestreitet die Tatvorwürfe bestritten, äußert sich zu seiner politischen Einstellung (MAZ). Am nächsten Prozesstag wird Maik Schneiderdurch die Zeugenaussagen zweier Mitangeklagter in vielen Punkten entlastet (MAZ).
Besonders Schneider tritt während der Verhandlung immer wieder forsch auf, stellt selbst Anträge, befragt Zeugen. Den Turnhallenbrand erklärte er zum Unfall. Eine „Dummheit“, er habe ein Signal setzen und die Halle lediglich einrußen wollen. Das Gericht widerspricht dieser Darstellung: Die Männer hätten die Tat bei zwei Treffen geplant, heißt es in der Urteilsbegründung. Brennmaterial wurde besorgt, wer nicht mitmachen wollte, wurde als „Feigling“ beschimpft (Süddeutsche).
Die angeklagten Neonazis versuchen, sich als gescheiterte Existenzen mit Alkohol- und Drogenproblemen darzustellen.
Thomas E. bestritt, bei dem vom NPD-Politiker Maik Schneider koordinierten Anschlag im August 2015 Schmiere gestanden zu haben. Allerdings stand E. bereits als Mitglied des „Freikorps Havelland“ vor Gericht. Der verübte Brandanschläge auf Döner- und Asia-Imbisse in 2003 und 2004 (wegen Rechtsterrorismus) (PNN, Brandenburg.NSU-Watch)
Die Staatsanwaltschaft beantragt am 6. Prozesstag, den Anklagepunkt „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ fallen zu lassen – laut Begründung aus „prozessökonomischen Gründen“, weil man dafür noch viele zusätzliche Beweise erheben müsse. Dies wird die Strafe der Angeklagten mildern (MAZ)
Nun lautet die Anklage auf Brandstiftung und weitere rechtsextreme Straftaten (PNN).
Zeug_innen berichten, dass sie sich nicht trauten, zur Polizei zu gehen – aus Angst, Angeklagter Dennis W. würde dann „mal vor meiner Tür stehen.“ Ein weiterer Zeuge erhielt vor Prozessbeginn Drohanrufe (MAZ).
Während die Anwälte das politische Motiv der Taten herunterzuspielen versucht, stellt der angeklagte NPD-Mann Maik Schneider eine Reihe von Beweisanträgen, die seine angeblich nicht-rassistische Grundhaltung demonstrieren sollen (MAZ).
Tag 10: Eine Meterologin soll belegen, dass es in der Brandnacht regnete und die Angeklagten deshalb davon ausgegangen seien, dass ihr Brand dadurch gelöscht würde (MAZ).
Die Staatsanwaltschaft fordert für die mutmaßlichen Brandstifter bis zu 8 Jahren und 9 Monaten Gefängnis (für NPD-Politiker Maik Schneider), 8 Jahre und 3 Monate für einen Mitangeklagten (rbb).
Presseberichte revidieren die Selbstdarstellung als Chaostruppe mit Alkohlproblemen: Die Gruppe war organisiert und politisch überaus aktiv (PNN. Vgl. Märkische Allgemeine).
Der Prozess endete am 09.02.2016.
Der Nauener NPD-Politiker und Hauptangeklagte Maik Schneider wird zu einer Haftstrafe von acht Jahren für Brandstiftung (Turnhalle) und Sachbeschädigung (Demolierung des Autos eines polnischen Besitzers) verurteilt. Damit liegt das Gericht nur knapp unter der Forderung der Staatsanwaltschaft. Hinzu kommen 18 Monate Haft wegen weiterer Straftaten (Nötigung, Hakenkreuzschmierereien). Damit muss Schneider für neuneinhalb Jahre ins Gefängnis. Als einer der sechs Angeklagten hatte der NPD-Politiker die Tat im Prozess gestanden. Er will in Revision gehen.
Richter Theodor Horstkötter betonte, den Taten liege eine „fremden- und ausländerfeindliche Motivation“ zugrunde.
Dennis W. bekommt: 7 Jahre für Brandstiftung (Turnhalle und das Auto, das Schneider zuvor demoliert hatte) und Sachbeschädigung (Türschloss an einem Büro der Linken verklebt).
Christopher L. : 2 Jahre auf Bewährung wegen Beihilfe zur Brandstiftung (Turnhalle) und Sachbeschädigung in zwei Fällen (Farbbeutel auf ein Linken-Büro geworfen, eine Dixi-Toilette angezündet.)
Christian B.: 1 Jahr und 6 Monate auf Bewährung wegen Beihilfe zur Brandstiftung (Turnhalle).
Sebastian F. : 1 Jahr und 3 Monate auf Bewährung wegen Beihilfe zur Brandstiftung (Turnhalle)
Thomas E. : 8 Monate auf Bewährung wegen Sachbeschädigung (Farbbeutel auf das Parteibüro der Linken). Beihilfe zur Brandstiftung konnte nicht nachgewiesen werden, Freispruch in diesem Punkt
(vgl. MAZ, Süddeutsche, PNN)
Zusammengestellt von Simone Rafael.
Das Foto ist ein Symbolbild von Nauen. Es wurde und wird hier veröffentlicht unter der Lizenz CC BY 2.5.