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Hygiene-Demos am Samstag Unerträgliche Shoa-Relativierung in Berlin

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Bei der Hygiendemo 2020 in Berlin kleben sich Teilnehmer*innen "Judensterne" an die Kleidung. (Quelle: KA)

In vielen deutschen Städten fanden am Wochenende wieder Demonstrationen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen statt. So auch in Berlin. Hier waren am Samstag 19 Demonstrationen angemeldet. Lautstark, auf Schildern und auf T-Shirt-Aufrucken verbreiteten die Menschen auch in der Hauptstadt allerhand wirrer Verschwörungsmythen und scheuten nicht vor Holocaust-Relativierung zurück.

Raven gegen Corona am Alex?

Am Alexanderplatz trafen sich an der Weltzeituhr, in einem von der Polizei abgesperrten Bereich, Menschen die für ihre Freiheit zu Techno-Musik tanzten. Dieses kleine Trüppchen aus im Schnitt ca. 20 Menschen bestand, aus Hippies, Raver*innen, Cosplayer*innen und Hare-Krishna-Anhänger*innen. Von Zeit zu Zeit riefen sie auf den Techno-Beat: „Freiheit, Freiheit, Freiheit“. Beobachtet und zum Teil auch belächelt wurden die Tänzer*innen sowohl von Menschen, die auf dem Alexanderplatz shoppen waren, als auch von den zahlreichen Presseteams.

Von dieser Tanzeinlage mit großem Publikum waren wohl aber die meisten, Menschen, die auf die Demo wollten eher abgeschreckt. Und so verteilten sich Q-Gläubige, Corona-Verharmloser*innen und Neonazis eher um die abgesperrte Tanzfläche. Im Zuge der rechtsoffenen Demo nahm die Polizei rund 80 Personen am Alexanderplatz fest.

Gegendemo: Rückeroberung des Alexanderplatzes

Schon eine Woche zuvor versammelten sich hunderte sogenannte „Corona-Rebellen“ am Alexanderplatz, ohne eine Demonstration angemeldet zu haben. Viele von ihnen missachteten die geltenden Abstandsregeln. Das ist besonders problematisch, da der Alexanderplatz einer der meistfrequentierten Plätze Berlins ist. An diesem Wochenende ist die Polizei besser vorbereitet. Und auch der Gegenprotest hatte Zeit sich zu organisieren. Unter anderem das Bündnis „Reclaim Club Culture“ rief ab 14 Uhr am Alexanderplatz zur Gegendemo gegen die „rechten Folienkartoffeln“ auf. Die Polizeibeamt*innen achten penibel darauf, dass je Versammlung nicht mehr Personen teilnehmen als die derzeit erlaubten 50.

Mehrere Hunderten folgen Hildmann zum Reichstag

Während das eher esoterisch angehauchte Publikum an der Weltzeituhr fröhlich ihren Friedens-Tanz auf dem Alex performte, folgte ein Schar von Verschwörungsgläubigen dem Aufruf des ehemaligen TV-Kochs Attila Hildmann vor den Reichstag. Sein Telegram-Kanal hat mittlerweile über 40.000 Abonnent*innen. Ihn versteht Hildmann als „Hüter der Wahrheit in einer Welt der Lüge und Manipulation“. Er inszeniert sich hier als martialischer Widerstandkämpfer. Genauso am Samstag auf der Wiese vor dem Bundestag.

Attila Hildmanns Rede: Impfzwang, Bill Gates und die Bilderberger

Nach einem kurzen Scharmützel mit dem Entertainer Oliver Pocher, dessen Grund wir nicht verstehen, setzt Hildmann vor mehreren Hunderten Menschen zu einer Rede über die sogenannte „Corona-Lüge“ und einen angeblich geplanten Bürgerkrieg an. Ab und zu ging es um Bill Gates, Impfen und die Bilderberger, die das alles aus böser Absicht inszeniert hätten.

Als Bilderberger wird ein Kreis ausgewählter Menschen aus Wirtschaft, Politik, Militär und Adel bezeichnet, die sich in immer neuen Zusammensetzungen einmal im Jahr informell treffen, um sich hinter verschlossenen Türen zu besprechen. In dieser antisemitischen Verschwörungserzählung sind diese Personen zumeist jüdischen Glaubens. Ihnen wird eine Beteiligung an der „Weltverschwörung“ vorgeworfen.

Kaum einer der Teilnehmenden auf der Wiese vor dem Reichstag hält sich an den Sicherheitsabstand. Die wenigsten tragen Mundschutz und wenn doch, dann meist mit entsprechenden Botschaften. Schließlich greift die Polizei ein:

Zunächst fordert eine Stimme über Lautsprecher, den Mindestabstand zu wahren. Einige widersetzen sich und werden von den Polizist*innen zu Boden gebracht und weggeführt. Es gibt empörte Schreie aus der Menge. Die Demonstrant*innen sehen sich darin bestätigt, dass sie angeblich in einem Polizeistaat leben würden. Schließlich räumt die Polizei den Platz und schiebt die Menschenmenge Richtung Hauptbahnhof. In einem Video des Recherche-Kollektivs „democ.“ ist zu hören, wie ein Teilnehmer fragt, ob „die Züge da auch morgen nach Ausschwitz“ fahren.

Scheinbar keine Probleme mit Holocaust-Relativierungen

Generell konnten wir am Samstag in Berlin das erleben, was momentan auch in anderen deutschen Städten geschieht: Menschen sind derart in einer andere Realität abgedriftet, dass sie einem kollektiven Wahn verfallen sind. Sehr häufig vergleichen diese Empörten ihre derzeitige Situation mit denen der Juden und Jüdinnen während der Nazi-Zeit. Die Demonstrant*innen denken in ihrem Wahn, Deutschland sei kein demokratischer Staat mehr sondern eine Diktatur. Das so viele Menschen aber vor antisemitischen Äußerungen und vor Holocaust-Relativierung nicht zurück schrecken, ist extrem beängstigend. Es zeigt aber auch, wie weit abgedriftet Teile dieser Bewegung mittlerweile schon sind.

 

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