Von Luka Lara Charlotte Steffen
Kontinuitäten: Vom Mittelalter zu Facebook-Kommentaren
Der klassische Antisemitismus à la „Der ewige Jude“ oder „Die Juden sind das Übel der Welt“ liefert die primäre Basis für den zeitgenössischen Judenhass. Die Ähnlichkeit zwischen neuen antisemitischen Texten und denen aus dem Mittelalter sei „frappierend“, stellt die Studie fest. Antisemit*innen bedienen sich stets dem gleichen Vokabular. Jüdinnen und Juden seien Verschwörer*innen, Landräuber*innen, Kindermörder*innen und letztendlich selbst Schuld am Antisemitismus. Diese Stereotype haben die Forscher*innen sowohl im Vokabular von linken als auch von rechten Antisemit*innen gefunden. Der Unterschied liegt hier lediglich in der Form der Artikulation. Linke und links-liberale Antisemit*innen verpacken ihren Judenhass gerne pseudo-rational. Das heißt, sie externalisieren ihren Antisemitismus. Das könnte dann z.B. so aussehen: „Die Welt hasst Israel.“ statt „Ich hasse Israel“. Rechte und islamische Antisemiten sind hingegen direkter und benutzen eher die persönliche Variante.
Israelbezogener Antisemitismus ist im Web besonders präsent. Auch wenn es in den Diskussionen eigentlich gar nicht um Israel geht, wird plötzlich gegen den jüdischen Staat gehetzt. Der Staat fungiert in der Logik der Antisemit*innen als „kollektiver Jude“ auf den die klassischen antisemitischen Stereotype projiziert werden.
Alltäglicher Antisemitismus ist das Hauptproblem
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass importierter Antisemitismus nicht das Hauptproblem in Deutschland sei. Auch wenn das gerne behauptet wird. Der Antisemitismus in den Kommentarspalten der Qualitätsmedien, also z.B. TAZ, SZ und FAZ, veranschauliche sehr deutlich, dass Antisemitismus ein gesamtgesellschaftliches Problem ist. Und vor allem alltäglich. So sind die Orte an denen antisemitische Kommentare und Hetze auftauchen insbesondere Fan- und Diskussionsforen, Ratgeberportale und soziale Netzwerke. Orte also, die alltägliche Anknüpfungspunkte an die Lebenswelten der User*innen bieten.
Antisemitismus findet sich also nicht nur in extremistischen Spektren. Besonders der auf Israel bezogene Antisemitismus stößt gesamtgesellschaftlich auf den geringsten Widerstand, wie die Studie erneut erläutert. Oft werden antisemitische Taten oder Aussagen nicht als solche sanktioniert, sondern als Kunst-oder Meinungsfreiheit abgetan. So z.B. der Angriff mit Molotowcocktails auf die Wuppertaler Synagoge, der vom Gericht als „Protest gegen die Politik Israels“ eingestuft wurde. Solche Urteile führen laut Schwarz-Friesel nur dazu, dass sich Antisemit*innen wohlfühlen und das Gefühl vermittelt bekommen, mit ihrem Judenhass offen auftreten zu können. Antisemitismus ist durch diesen unkritischen Umgang salonfähig geworden.
Hilft denn Bildung überhaupt nicht?
Trotzdem tendieren auch Menschen mit einem antisemitischen Weltbild dazu, Antisemitismus in Befragungen nicht offen zu äußern, um – paradoxerweise – nicht als Antisemiten zu gelten. Für Forscher*innen ist das immer wieder eine Herausforderung. Die vorliegende Studie basiert aber eben nicht auf Interviews, sondern zieht ihre Daten aus Postings. Durch die ungefilterten und häufig anonymen Kommentare und Beiträge wurde ziemlich schnell deutlich, dass Hass der zentrale Motor von Antisemitismus ist. Antisemit*innen handeln einer Affektlogik nach und sind somit faktenresistent. Es ist egal, dass die „Protokolle der Weisen von Zion“ reine Fiktion und antisemitische Verschwörungsphantasien sind. Antisemit*innen wissen das (oft), glauben aber trotzdem dran. Schwarz-Friesels Vorschlag ist, Aufklärungsarbeit in neue Formate zu bringen. Da die Antisemit*innen so emotional in ihren Hass und in ihr Verschwörungsdenken involviert seien, müsse man sie emotional abholen. Es bringe häufig nichts, sie als Antisemit*innen zu bezeichnen oder sie mit Fakten belehren zu wollen.
Außerdem müsse die Justiz und die Zivilgesellschaft entschlossener gegen Antisemitismus vorgehen. Ihn nicht unter allgemeinen Vorurteilen subsumieren, sondern Antisemitismus als jahrtausendealtes Glaubenssystem ernstnehmen.
Antisemitismus 2.0 und die Netzkultur des Hasses (kurze Version)
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