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„Identitäre Bewegung“ Rechtsextremer Grenzschutz in Griechenland

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Martin Sellner "verteidigt" Europa. Aktuell auf der Randbebauung einer griechischen Schnellstraße. (Quelle: Screenshot vom Twitteraccount der "IB Deutschland")

Im letzten Jahr war es ruhig um die vom Verfassungsschutz beobachtete „Identitäre Bewegung“ (IB) geworden. Die Rechtsextremen war zuletzt in die Schlagzeilen geraten, nachdem einer ihrer Vordenker, der neurechte Kleinstverleger Götz Kubitschek, die Kaderorganisation praktisch für tot erklärt hatte. In einem Interview mit dem rechtsextremen österreichischen Magazin Die neue Ordnung sagte er: „Zum einen ist dieser wirklich gute Ansatz einer patriotischen, nicht-extremen und sehr kreativen Jugendbewegung nun bis zur Unberührbarkeit kontaminiert. Das bedeutet: Es wird nichts Großes mehr daraus.“ Und eine prominente Aktivistin, die mit der IB gebrochen hat, sagte in einem Interview, der „Bewegung” gehe es nur noch ums Geld verdienen. 

Screenshot vom Twitteraccount der „IB Deutschland“

Wieviele Personen aus dem Umfeld der selbsternannten „Bewegung“ jetzt nach Griechenland gereist sind, ist bisher unklar. Offenbar befinden sich die Aktivist*innen nicht auf Lesbos, sondern an der Landgrenze zur Türkei im Norden des Landes. Auf einem Foto, dass vom Twitter-Account der „Identitären Bewegung Deutschland“ geteilt wurde, sind acht Personen zu sehen. Vier davon sind bisher anscheinend nicht öffentlich in Erscheinung getreten. Vier weitere sind rechtsextreme Kader. Darunter Martin Sellner, Co-Leiter der „Identitären Bewegung Österreich“ und das Gesicht der in Deutschland etwa 500 Personen starken Gruppierung. Auch seine Frau Brittany Sellner, die unter dem Namen Pettibone bekannt wurde, ist zu sehen. Die Amerikanerin betreibt einen eigenen YouTube-Channel, auf dem sie hauptsächlich antifeministische Positionen vertritt. Sie soll gute Verbindungen zur amerikanischen Alt-Right pflegen. Ebenfalls vor Ort ist der Aktivist Philip Thaler, er betreibt zusammen mit Alexander Kleine – der unter dem Namen Malenki auftritt – einen YouTube-Kanal namens „Laut Gedacht“, der aktuelle Nachrichten aus rechtsextremer und rassistischer Perspektive kommentiert. Der Kanal wird unter anderem von der Rechtsaußen-Organisation „EinProzent“ finanziert. Außerdem ist Till-Lucas Wessels in Griechenland. Wessels ist regelmäßiger Kolumnist der Sezession, die im Antaios-Verlag von Kubitschek erscheint. Seine Kolumne dort heißt „Sonntagsheld“ und befasst sich wöchentlich mit vermeintlichen „Helden“ der rechts-alternativen Szene. 

Update (06.03.2020): Ein weiteres Mitglied der Reisegruppe ist Paul Klemm aus Halle, ebenfalls Aktivist der Identitären Bewegung“. Klemm gehört zum Umfeld des rechten Verschwörungshefts Compact und führt ein Griechenland-Reisetagebuch auf einem rechtsalternativen Portal. Außerdem ist Harald Wiedner aus Österreich vor Ort, sowie Clemens Lorber und Erik Ramin Freischütz. Alle drei sind IB-Aktivisten aus der Steiermark in Österreich. 

Im aktuellsten Text vom vergangenen Sonntag sind das die Bewohner*innen von Lesbos, die sich laut übereinstimmender Medienberichten und Aussagen von Flüchtlingshelfer*innen offenbar mit griechischen rechtsextremen Aktivist*innen verbündet haben, um die Landung von Flüchtlingsbooten auf der Insel zu verhindern. Eric Marquardt, Europaabgeordneter der Grünen, ist zur Zeit auf Lesbos und beobachtet das Geschehen. Er berichtet in der taz von Checkpoints, die auf der Insel von Rechtsextremen errichten worden seien, von denen aus Journalist*innen und Mitarbeiter*innen von Hilfsorganisationen angegriffen werden. Das hat Konsequenzen: „Camp Moria ist das zentrale Aufnahmelager auf Lesbos. Hier leben 20.000 Menschen unter schlimmsten Bedingungen. Sie saßen heute ohne Hilfe da, weil sich MitarbeiterInnen der Hilfsorganisationen nicht mehr raus trauten und lieber zu Hause blieben. Auch die Straßen von und nach Moria sind blockiert,“ so Marquardt.

Für rechtsextreme Aktivist*innen ist die unmenschliche Situation an der griechischen Grenze ein gefundenes Fressen. Besonders die „Identitären“ erzählen immer wieder die Geschichte vom „Großen Austausch“ und nennen Migration lieber „Invasion“. Darauf soll aggressiv reagiert werden. Es ist nicht das erste mal, dass die Gruppe in der Region aktiv wird. Bereits 2017 konnte die „Bewegung“ nach ausgiebigem Spendensammeln ein Schiff chartern, mit dem Seenotrettung im Mittelmeer behindert werden sollte. Besonders erfolgreich war das nicht. Das Schiff C-Star war offenbar nicht im besten Zustand und geriet, nachdem es längere Zeit wegen vermutlich fehlender Papiere, am Suez-Kanal festgesetzt wurde, kurzfristig sogar in Seenot. Auf Zypern wurde schließlich ein Teil der Crew ausgerechnet wegen Verdachts auf Menschenhandels vorläufig festgenommen. Fünf der tamilischen Crew-Mitglieder sollen schließlich Asyl auf Zypern beantragt haben.

Was die Aktivist*innen mit ihrer aktuellen Reise bezwecken, ist bisher unklar. In einem Video spricht Sellner zwar davon, die Grenze patrouillieren und Menschen die „durchgerutscht” sind, zurückschicken zu wollen. Mit welcher Autorität er das verwirklichen möchte? Ebenfall vage. Aktuell scheint es sich bei der Aktion – wie so oft bei den Identitären – hauptsächlich um PR für die eigene menschenverachtende Ideologie zu handeln. Bisher besteht diese offenbar hauptsächlich aus Fotos der Gruppe mit griechischer Fahne auf der Randbebauung einer mehrspurigen griechischen Schnellstraße.

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