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Internet und Hate Speech Wie geht es dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz?

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Muss laut der am 01. Februar 2022 in Kraft getretenen Konkretisierung schnell zu finden sein: Die Meldung nach Netzwerkdruchsetzungsgesetz. (Quelle: Screenshot Facebook)

2019 und 2020 erschütterten mehrere rechtsextreme Terrortaten Deutschland: Der Mord an CDU-Politiker Walter Lübcke, der antisemitische Terroranschlag von Halle und der verschwörungsideologische und rassistische Terroranschlag von Hanau motivierten die Bundespolitik 2020, endlich ein Maßnahmenpaket gegen Rechtsextremismus in Deutschland zu beschließen.

Allerdings: Auf eine zentrale Maßnahme, ein angestrebtes Demokratiefördergesetz zur Prävention  gegen demokratiefeindliche Ideologien, konnte sich der Bundestag bisher nicht einigen.

Zum 1. Februar passiert – erst mal wenig

Eine zweite zentrale Maßnahme sollte die Überarbeitung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) sein: Das 2017 eingeführte Gesetz hatte Soziale Netzwerke bis dato verpflichtet, gemeldete Inhalte zeitnah zu löschen, die das Netzwerk als strafrechtliche relevant einordnete – was unter anderem dazu führte, dass diese Inhalte nicht mehr strafverfolgt werden konnten.  Dies sollte die Überarbeitung ändern. Als zentralen Punkt sieht sie vor, dass Soziale Netzwerke künftig gemeldete Inhalte, die sie als strafrechtlich relevant ansehen, inklusive Nutzerdaten wie IP-Adressen ans Bundeskriminalamt ausleiten – also eine Anzeigepflicht. Das BKA soll dann ermitteln, wer die Hater:innen sind, und die Fälle zur Strafverfolgung an die Landeskriminalämter übergeben.

Klingt kompliziert? Das ist es, aber mehr noch ist dieser Vorgang möglicherweise nicht mit den geltenden Datenschutzbestimmungen kompatibel, denn er führt zum Ausleiten sensibler Nutzer:innen-Daten an die Polizei, bevor der Anfangsverdacht einer Straftat festgestellt werden konnte. Zahlreiche große Soziale Netzwerke, darunter Facebook, YouTube, Twitter und TikTok, fordern deshalb eine Klärung des Sachverhaltes vor Gericht, bevor sie damit beginnen Nutzer:innen-Daten weiterzugeben. Das Verfahren liegt seit Juli 2021 beim Verwaltungsgericht Köln, wann entschieden wird, gibt das Gericht noch nicht bekannt. Hunderttausende Fälle, die aus diesen Netzwerken erwartet worden waren, gibt es also derzeit noch nicht.

Die „Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet“ (ZMI) beim BKA

Dafür gibt es inzwischen beim Bundeskriminalamt die „Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet“ (ZMI), besetzt mit 200 Polizist:innen, die darauf warten, Verfasser:innen von Hasskommentaren eine konsequente Strafverfolgung zukommen zu lassen. Eine Sprecherin des BKAs bestätigt Belltower.News auf Nachfrage: “Bis heute haben sich die nach dem NetzDG verpflichteten Telemediendiensteanbieter (TMDA) trotz entsprechender Aufforderungen technisch nicht an das Bundeskriminalamt (BKA) angebunden, sodass von diesen elektronisch derzeit keine Meldungen von strafbaren Inhalten an das BKA übermittelt werden können.”

Doch strafrechtlich relevanten Hass gibt es im Internet genug, die Polizist:innen haben also zu tun. Laut BKA-Sprecherin werden “dezentrale Meldestrukturen, die in den Ländern zur Bekämpfung von Hass und Hetze im Internet bereits bestehen, beim BKA zentral zusammengeführt.” Konkret heißt das: Die ZMI arbeitet zusammen mit bereits existierenden Strukturen, etwa der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internet- und Computerkriminalität (ZIT) bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main und mit der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime NRW (ZAC) bei der Staatsanwaltschaft Köln aus der Initiative „Verfolgen statt nur löschen“ – den beiden Strukturen im staatsanwaltschaftlichen Bereich, die seit einigen Jahren den strafrechtlichen Umgang mit Hate Speech bereits verbessert haben. Aus Baden-Württemberg sollen Meldungen der Meldestelle „Respect!“ der Jugendstiftung im Demokratiezentrum Baden-Württemberg zugeliefert werden. Nicht vorgesehen ist dagegen, dass Nutzer:innen selbst dem BKA Fälle senden können. Wer auf der Website des BKA nach der Zentralen Meldestelle sucht, findet den Hinweis auf eine „Meldestelle für Hass im Internet“ – allerdings ist das die „Respect“-Meldestelle des Demokratiezentrums Baden-Württemberg.

Aufgabe des BKA sei es dann, so erläutert die BKA-Sprecherin, die strafrechtliche Relevanz der Beiträge zu prüfen und zu ermitteln, wer der Verfasser oder die Verfasserin sei. Dann könne der Fall an lokale Strafverfolgungsbehörden, meist das Landeskriminalamt, abgegeben werden.

Vereinheitlichung der Meldewege

Während also die Strafverfolgung von Hasskommentaren noch kreative Wege gehen muss, enthält das überarbeitete NetzDG noch weitere Forderungen. So sollten etwa die Meldewege dahingehend vereinfacht werden, dass die Meldung nach NetzDG unter jedem Beitrag möglich sein soll – Facebook etwa hatte zuvor die Meldung nach NetzDG im Fuß der Seite versteckt, während etwa Twitter von Anfang an die Meldung nach NetzDG unter jedem Tweet ermöglichte – was zu völlig unterschiedlichen Fallaufkommen führte. Seit dies geändert ist, gab es bei Facebook einen rapiden Anstieg von Fällen, wie die ebenfalls im NetzDG vorgeschriebenen Transparenzberichte des Unternehmens zeigen: Im zweiten Halbjahr 2020 hatte Facebook 4.211 Beschwerden nach NetzDG, im ersten Halbjahr 2021 waren es 77.671 NetzDG-Beschwerden (Vgl. irights.info).

Stärkung der Nutzer:innen-Rechte? Unklar

Eine Stärkung der Nutzer:innen-Rechte sollten ein im Gesetz festgeschriebenes Putback-Verfahren ermöglichen – also die Möglichkeit, sich nach der Löschung eigener Beiträge zu beschweren und dafür einen Kommunikationsweg zum Social Media Unternehmen zu erhalten, das den Vorgang dann erneut prüfen müsste. Außerdem sollten außergerichtliche Schlichtungsstellen eingerichtet werden. Eine Anfrage, ob diese Möglichkeiten inzwischen eingerichtet wurden, beantwortete das Bundesamt für Justiz, dass für die Überprüfung dieser Vorgänge zuständig ist, bis zur Veröffentlichung des Artikels nicht.

Vergleichbare Transparenzberichte? Vielleicht beim nächsten Mal

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz sieht vor, dass die Sozialen Netzwerke halbjährlich darüber berichten, welche Löschanträge an die Netzwerke gemeldet werden, und wie diese damit umgegangen sind: Diese Transparenzberichte sind bisher allerdings so unterschiedlich in Angaben und Kriterien, dass sie kaum Rückschlüsse auf das Hass-Aufkommen auf den verschiedenen Netzwerken zulassen. Dies soll nun auch geändert werden – was aber erst in den kommenden Berichten umgesetzt zu werden scheint, was der Blick auf die Transparenzberichte von YouTube, Facebook, Twitter und TikTok vermuten lässt.

Work in Progress

Es ist also vielleicht am besten, die Gesetzgebung zu Hass im Netz als einen Prozess zu begreifen, der zumindest geschafft hat, Aufmerksamkeit und Wichtigkeit auf ein Thema zu legen, dass für die Betroffenen von großer Relevanz ist. Rassistische, antisemitische, misogyne oder queerfeindliche Kommentare versuchen Menschen auszugrenzen oder gar mundtot zu machen, wenn diese nur wagen zu existieren. Auf Dauer wird ihnen online durch Hass ein Raum genommen, in dem sie sichtbar und wirksam werden können – und das widerspricht eklatant der Idee einer liberalen, freiheitlichen Demokratie, die von der Vielfalt der Perspektiven, Respekt und einer gemeinsamen Aushandlung von Gemeinschaftsidealen lebt. Schlimmstenfalls führen digitale Hasskampagnen gar zu körperlicher Gewalt. Deshalb ist es gut, dass das NetzDG die Debatte um Opferschutz und Täterbestrafung online angestoßen hat, die im Feld zwischen Meinungsfreiheit und Demokratieschutz aber noch lange nicht zu Ende gedacht ist.

 

Update 25.02.2022:

Die Pressestelle des Bundesjustizministeriums hat unsere Fragen beantwortet. Im Gesetz werden vereinfachte Meldewege erwähnt. Sie müssen nun „leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar, ständig verfügbar und ausdrücklich auch leicht bedienbar sein“. Die Umsetzung erfolge aktuell unter der Aufsicht des Bundesamtes für Justiz. Die Pflicht, ein Gegenvorstellungsverfahren (Put-Back-Verfahren) anzubieten, ist seit dem 28. Juni 2021 in Kraft. Im Gegensatz zu den Schlichtungsstellen: Private gibt es bisher nicht, dafür wurde eine neue behördliche Schlichtungsstelle eingerichtet zu „Videosharingplattform-Dienste“ beim Bundesamt für Justiz eingerichtet. Besser vergleichbare Transparenzberichte wird es spätestens bis Ende Juli 2022 geben.

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