Seit 2002 treffen sich Neonazis aus Thüringen und der ganzen Bundesrepublik jährlich zum ?Thüringentag der nationalen Jugend?, der zuletzt in Sondershausen, Eisenach, Altenburg und Weimar stattfand. Auf der Veranstaltung treffen sich Thüringer NPD-Kader, Aktivisten der ?Freien Kameradschaften? und rechtsextreme Rockbands und Liedermacher. Zwischen 200 und 500 Neonazis kamen in den letzten Jahren zum Nazifest mit Infoständen von Kameradschaften und dem rechtsextremen Schulungszentrums ?Braunes Haus Jena?, Konzerten von Rechtsrockbands wie ?Frontalkraft? und ?Hüpfeburg für unsere Kleinen?, dass bislang von der NPD angemeldet wurde.
Der NPD ist die Veranstaltung zu riskant
In diesem Jahr ist der rechtsextremen Partei die Veranstaltung allerdings zu brenzlig ? sie hat im Wahljahr Angst vor negativer Presse und Ausschreitungen. Eingesprungen ist als Anmelder stattdessen Patrick Wiedorn, ein bekannter Arnstädter Neonazi, der im verbotenen Blood & Honour Netzwerk organisiert ist. Organisatorisch sind größere Teile der Szene der ?Freien Kameradschaften? beteiligt, ebenso wie die abtrünningen NPDler, die sich in ihrer Partei nicht mehr zu Hause fühlen. Das Publikum des Festivals wird entsprechend radikaler ausfallen .
„Thüringentag“ in neuer Dimension?
?Wir erwarten dieses Mal eine andere Kategorie Neonazis ? offensiver und aggressiver?, so Anna Lin vom Infoladen Arnstadt. Für das Antifaschistische Aktionsbündnis Arnstadt, an dem der Infoladen beteiligt ist, ist das umso mehr ein Grund, mit einer Demonstration, Kundgebungen und Infoständen dem Nazifest in ihrer Stadt etwas entgegenzusetzen. Auch lässt die Rednerliste, auf der auch Niedersachsen, Bayern und Nordrhein-Westfalen stehen, vermuten, dass sich der regionale Charakter der ?Thüringentages? zu einem überregionalen verschieben, was auch mehr Teilnehmende vermuten lässt.
Bürgermeister sieht keinen Grund zum Protest
Auch der Stadtrat hat mehrheitlich eine Gegenkundgebung und einen Aufruf der Stadt gegen Rechtsextremismus beschlossen. Blockiert wird der Protest gegen Nazis allerdings vom Bürgermeister Hans-Christian Köllmer und seiner Freien Wählergemeinschft ?Pro Arnstadt?.
Für Irritationen sorgte schon die problemlose Genehmigung der Naziveranstaltung auf dem Schlossplatz in Arnstadt, dem zentralsten Platz in der Stadt. Rechtlich wäre es ein Leichtes gewesen, den ?Thüringentag der nationalen Jugend?, wenn schon kein Verbot versucht wurde, so doch zumindest an den Rand der Stadt zu verdrängen. Schließlich findet zeitgleich ein von der Stadt organisiertes ?Schlossfest? statt, das praktisch in direkter Nachbarschaft in wenigen hundert Metern Entfernung zum ?Thüringentag der nationalen Jugend? als ?bürgerliches Traditionsfest? mit Musikbühne und Kunsthandwerk gefeiert wird, was einerseits fast den Eindruck eines Schulterschlusses mit den Rechtsextremen ergibt und andererseits eine Herausforderung für die Sicherheitskräfte des Ortes darstellen dürfte.
„Im Nazi ist mir zu viel Sozialismus drin“
Den Stadtratsbeschluss einer Gegenveranstaltung zum ?Thüringentag? gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft ?Demokratie braucht Zivilcourage? ignorierte der rechtskonservative Bürgermeister. Zum Eklat kam es, als er dafür zur Rede gestellt wurde. Köllmer verkündete, er sei kein Nazi, denn: ?Im Nazi ist mir zu viel Sozialismus drin.?.
Kenner der Arnstädter Verhältnisse wird diese Entgleisung des Bürgermeisters nicht verwundern. Als ?Antikommunist? feierte sich Köllmer zuletzt öffentlich bei einer Veranstaltung im Februar 2009. Auf der Internetseite der Wählergemeinschaft ?Pro Arnstadt? stehen Fotos von Köllmer mit ?seinem Freund?, dem FPÖ-Politiker Siegfried Kampl, der schon seit Jahrzehnten mit neonazistischen und hitlerverehrenden Aussagen in die Öffentlichkeit tritt . Auch mit dem verstorbenen österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider war Köllmer gut befreundet, er traf ihn öfter bei seinen Besuchen in der Arnstädter Partnerstadt Gurk (Kärnten). Andere Fraktionsmitglieder von ?Pro Arnstadt? stellen sich auf der Website unter der Rubrik ?Soziale Abstammung? als konservativ-heimatverbundene Freunde ?preußischer Tugenden und Werte? mit Liebe zur Nation dar.
Zeichen der Zivilgesellschaft gefordert
Vor diesem Hintergrund spricht das Antifaschistische Aktionsbündnis Arnstadt in seinem Mobilisierungsaufruf gegen den ?Thüringentag der nationalen Jugend? von einer ?Braunzone Arnstadt?. Dass sich die Stadträte nicht auf ein gemeinsames Handeln einigen können, hält Stefan Müller, Pressesprecher der Antifaschistischen Gruppe Südthüringen (AGST), für ein Armutszeugnis: ?Es sind diese Verhältnisse, gegen die wir am 13. Juni demonstrieren wollen. Wir demonstrieren gegen Nazistrukturen, deren Ursachen und Verquickungen mit den Institutionen der Stadt Arnstadt.? Auch die Arbeitsgemeinschaft ?Demokratie braucht Zivilcourage? hat eine eigene Gegenkundgebung angekündigt. Bleibt nur zu hoffen, dass sich viele Menschen aus Arnstadt, Thüringen und anderen Bundesländern dem Protest anschließen.
Protest gegen den „8. Thüringentag der nationalen Jugend“:
* Ab 10 Uhr Kundgebung der bürgerlichen Kräfte am Straßburg-Kreisel vor der Schlossmauer
* Ab 12 Uhr antifaschistischen Demonstration ab Hauptbahnhof
* ab ca. 14.30 Uhr Dauerkundgebung auf dem Marktplatz