In den letzten Monaten erlebten antimuslimische Einstellungen eine neue Konjunktur. Als sagbarere Spielart des Rassismus schon lange beliebt, verfestigen sich aktuell islamfeindliche Einstellungen bis in die Mitte der Gesellschaft. Verstärkt werden islamfeindliche Diskurse durch Gewalt von Terrororganisationen wie dem „Islamischen Staat“ oder durch die jüngsten Anschlägen mit islamistischem Hintergrund in Paris und Kopenhagen, verbreitet werden sie auch durch einen weiterhin existenten Mangel an Information und Kontakt zwischen Muslim_innen und Nicht-Muslim_innen. Die Diskussionen sind oft undifferenziert und die Begrifflichkeiten nicht klar voneinander abgegrenzt.
Islamophobie
Der Begriff „Islamophobie“ ist in der Alltagssprache etabliert und wird als „Islamophobia“ in internationalen Kontexten gern verwendet, aber der Begriff ist umstritten. „Phobie“ ist altgriechisch und bedeutet „Angst“. Der Begriff zielt also auf ein stark ausgeprägtes Gefühl von Furcht gegenüber dem Islam und den Muslimen. In Bezug auf islamfeindliche Einstellungen ist das missverständlich und verharmlosend, denn es werden menschenfeindliche und rassistische Ressentiments mit persönlichen, wenn auch übertriebenen Angstgefühlen gleichgesetzt. Doch die pauschalisierende Ablehnung des Islam und die Ausgrenzung und Anfeindungen gegenüber Muslim_innen als Gruppe sind nicht persönlich begründet, sondern ideologisch motiviert. In Deutschland erlangte der Begriff etwa Bekanntheit durch die Untersuchungen des Bielefelder Instituts für Konflikt- und Gewaltforschung zu Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (GMF), die in der Reihe „Deutsche Zustände“, von 2002 bis 2010 in zehn Folgen erschienen sind. Darin wird „Islamophobie“ als „generell ablehnende Einstellungen gegenüber muslimischen Personen und allen Glaubensrichtungen, Symbolen und religiösen Praktiken des Islam“ bezeichnet. Diese Definition muss auch kritisch betrachtet werden, da die Ablehnung von Symbolen und religiösen Praktiken nicht mit einer menschenfeindlichen Einstellung einhergehen muss, etwa bei Atheist_innen. Im Jahr 2010 kam in der Studie erstmals der Begriff „Islamfeindlichkeit“ auf.
Islamfeindlichkeit
Im Rahmen der Studie „Fragile Mitte – Feindselige Zustände“ der Friedrich-Ebert-Stiftung, wurden 2014 die GMF-Untersuchungen der „Deutsche Zustände“-Studie fortgesetzt. Darin wurde der Begriff „Islamophobie“ komplett durch den der „Islamfeindlichkeit“ ersetzt. Die Definitionen unterscheiden sich jedoch nur geringfügig. So bezeichnet „Islamfeindlichkeit“ „die Bedrohungsgefühle und Abwertungen von Muslimen, ihrer Kultur und ihren öffentlich-politischen wie religiösen Aktivitäten.“ Der größte Unterschied besteht darin, dass die Irreführung und Verharmlosung von Menschenfeindlichkeit durch den Verzicht auf den Phobiebegriff ausgeschlossen wird. Im Gegensatz zum Begriff des „antimuslimischen Rassismus“ erspart die „Islamfeindlichkeit“ die Diskussion, ob es auch Rassismus gegen eine nicht homogene ethnische Gruppe geben kann oder ob das Phänomen dann nicht einfach als Rassismus bezeichnet werden kann. Dies würde aber zu kurz greifen, denn die Zuschreibungen, die Islamfeind_innen vornehmen, fußen eben doch auf ihrem „Verständnis“ von „dem Islam“. Dafür fehlt dem Begriff „Islamfeindlichkeit“ die Benennung des rassistischen Prinzips, dass hinter der Ausgrenzung steckt.
Antimuslimischer Rassismus
Außer den Begriffen „Islamophobie“ und „Islamfeindlichkeit“ gibt es deshalb eben noch den Begriff des „antimuslimischen Rassismus“. Dieses stellt den Aspekt der Zuschreibung und der Abwertungsmechanismen in den Vordergrund. „Antimuslimischer Rassismus“ basiert auf der Erkenntnis, dass Rassismus heute immer weniger biologisch, sondern vermehrt mit kulturellen und religiösen Eigenschaften begründet wird. Diskriminiert werden Menschen, denen auf Grund ihres Aussehens, ihrer Herkunft oder ihrer Kultur eine muslimische Religionszugehörigkeit zugeschrieben wird. Zweitrangig ist, ob es sich bei den Betroffenen tatsächlich um gläubige Muslime handelt oder nicht. Das Prinzip, nach dem Menschen nicht aufgrund ihres Handelns, sondern nur aufgrund dieser Zuschreibung als „fremd“ wahrgenommen und abgewertet werden, ist das gleiche wie beim klassischen Rassismus. Doch die Inhalte sind anders, denn die Abwertung wendet sich zwar konkret gegen Muslime und Muslimas, inhaltlich aber gegen „den Islam“ an sich: Der Abwertung zugrunde liegt die Vorstellung des Islam als nicht-weiße und nicht-europäische Religion, die als unvereinbar mit den „westlichen Werten“ des so genannten „christlich-jüdischen Abendlandes“ dargestellt wird. Dabei schwingt Idee mit, es handele sich um den Gegensatz zwischen einer modernen, demokratischen und einer rückständigen, gewalttätigen Kultur – eine in jeder Hinsicht unhaltbare, konstruierte, rassistische Verallgemeinerung.
Islamkritik
Ein weiterer Begriff, der im Zusammenhang mit antimuslimischen Einstellungen immer wieder auftaucht, ist die „Islamkritik“. Dabei ist zwischen tatsächlicher „Islamkritik“ zu unterscheiden, die sich mit Einwänden gegen bestimmte Erscheinungsformen des Islam richtet, diesen aber nicht im Sinne eines pauschalen Feindbildes abwertet, und „Islamkritik“ als bloße Tarnung für Islamfeindlichkeit und antimuslimischem Rassismus. Der Begriff „Islamkritik“ wird oftmals von Personen mit islamfeindlichen und rassistischen Einstellungen missbraucht, um einer negativen Wahrnehmung als Rassist_innen entgegenzuwirken und so argumentativ auf breitere Akzeptanz zu stoßen. Eine genaue Differenzierung des Begriffs ist daher von besonderer Wichtigkeit.
Fazit
Eine Begriffsdiskussion ist gerade bei gesellschaftlich sensiblen Themen notwendig, um Differenziertheit und Sachlichkeit in den öffentlichen Diskurs zu bringen. In der Berichterstattung über Pegida, die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“, ist gut zu sehen, dass keine Einigkeit über die Begriffsbestimmungen existiert. Während sich etwa die „Tagesschau“ auf die harmlosere Bezeichnung „islamkritische Bewegung “ festgelegt hat, berichtet der „Tagesspiegel“ ebenso wie „Süddeutsche Zeitung“, „FAZ“, „taz“, „ZEIT“ und einige mehr, mal von einer „islamkritischen“, mal von einer „islamfeindlichen“ Bewegung. Die willkürliche, wechselnde Wahl der Vokabeln schafft Verwirrung, erschwert einen differenzierten Diskurs und illustriert zugleich, wie sehr auch in den Redaktionen Unsicherheit darüber herrscht, wann Argumente den Boden der demokratisch legitimen Islamkritik verlassen und zu rassistischen pauschalisierenden Parolen werden.
| Was ist antimuslimischer Rassismus? (ngn)
| Dossier antimuslimischer Rassismus (no-nazi.net)
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