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Israel-Hamas-Krieg Das böse Versagen des Feminismus

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Aus dem UN-Gebäude war lange keine Verurteilung der sexualisierten Gewalt der Hamas zu hören. (Quelle: Unsplash)

Abigail Edan taucht nicht in der Todesstatistik auf. Zum Glück. Aber was für ein scheußlich schäbiges Glück. Die Dreijährige musste der bestialischen Ermordung ihrer beiden Eltern beiwohnen, und das war lediglich der Anfang ihrer urplötzlich losgetretenen Apokalypse.

Am 7. Oktober 2023 fiel eine Terroreinheit der Hamas in den Kibbuz Kfar Azza nördlich der Grenze zum Gaza-Streifen ein. Im Verlauf des Masskers überfielen sie das Haus der israelisch-amerikanischen Familie Edan. Fensterscheiben zerbarsten, Türen wurden eingetreten. Abigails Mutter wurde sofort erschossen. Der binnen Sekunden zum Witwer gemachte Vater warf sich schützend vor Abigail. Ein heldenhafter Instinkt, der auch ihn sogleich das Leben kostete. Im Kugelhagel hasteten Abigails zwei Geschwister, sechs und zehn Jahre jung, in ein anderes Zimmers und versteckten sich in einem Schrank, wo sie rund vierzehn Stunden lang ausharrten.

Abigail kroch unter die Leiche ihres Vaters und wurde kurz für tot gehalten. Danach aber rannte sie um ihr Leben ins Haus der Nachbarn. Ebenda aber nahm die Hamas sie und die dort lebende fünfköpfige Familie als Geiseln und verschleppte alle nach Gaza. Gut 50 Tage hielten die Terroristen das Mädchen in Gefangenschaft, sein vierter Geburtstag kam und ging. Erst vor einer knappen Woche wurde Abigail im Austausch für rechtskräftig verurteilte Verbrecher*innen frei.

In sukzessiven Schritten kamen weitere Geiseln frei, darunter Yaffa Adar, eine 85-jährige Holocaust-Überlebende und Urgroßmutter. Dass die Verschleppungswelle der „Al-Aqsa-Flut“ dabei Adar, die ihre Kindheit im Warschauer Ghetto verbracht hatte, erfasst hat, zeugt noch einmal von der schieren Bosheit der Hamas und des Teufelskreis des Terrors. Denn der Angriff der Qassam-Brigaden auf Israel ging innerhalb weniger Stunden in die Geschichtsbücher ein, und zwar als der schlimmste Anschlag gegen Jüdinnen und Juden  seit dem Ende des Dritten Reiches 1945.

Schätzungsweise 1.200 bis 1.400 Menschen wurden von der Hamas ermordet, viele davon auch verstümmelt. Die Folter und die Verschleppung, mitsamt der Vorführung der vor allem weiblichen Opfer vor den Handy-Kameras der Peiniger, kleben auf der Festplatte unseres Gedächtnisses, wie die mit graphischen Bildern dokumentierte Todesodyssee der 22-jährigen Deutsch-Israelin Shani Louk. Von den aktuell noch 150 Geiseln der Hamas in Gaza seien rund 30 Frauen, darunter Soldatinnen, und Kinder.

Schockstarre und Schweigen

Die kurze globale Schockstarre am 7. Oktober hielt nur wenige Stunden an. Dann war der Krieg in aller Munde und in sämtlichen Kommentarspalten. Der Krieg, den die Hamas vom Zaun gebrochen hatte. Der Krieg, den erklärte pro-palästinensische Mobs im weltweitem Aufmarsch mitsamt ihren Social-Media-Mitlaufenden prompt als Widerstand gegen einen „Apartheidstaat“ feierten. Der Krieg, den Israel mit der Gegenoffensive Operation Iron Swords fortsetzte, um sich gemäß Artikel 51 der UN-Charta zu verteidigen.

Vor allem linke Akteur:innen, aus denen sich feministische Gruppen traditionell am Stärksten bilden, warfen eher nicht der Hamas, sondern den Israelis Kriegsverbrechen vor. Mit dem sachlich unfundierten, verlogenen Vorwurf des Genozids in Gaza sollte Israel mundtot gemacht werden. Tone-Policing mit dem Totschlag-Argument. Dabei gelang es antiisraelischen Feministinnen, wochenlang von den völkerrechtswidrigen Gräueltaten der Hamas gegen Frauen abzulenken.

Gerichtsmediziner*innen, die in Israel die Leichen der Ermordeten untersuchten, stellten fest, dass die Hamas vielen der weiblichen Opfer vom 7. Oktober bei lebendigem Leibe, die Schamlippen abgeschnitten hatten. Seit Anfang der 1980er wird die an Mädchen und Frauen begangene Genitalverstümmelung – völlig zurecht – von feministischen Gruppen heftig angeprangert. Das Thema ist zentral in der Neuen Frauenbewegung. Aber wenn es sich um jüdische Mädchen und Frauen handelt. Oje, oy ve. Auch die MeToo-Aktivistinnen, sonst so lautstark gegen sexuelle Gewalt, hüllen sich diesbezüglich in Schweigen. Deshalb wurde die Graswurzelkampagne #MeTooUnlessYou’reAJew von enttäuschten jüdischen Feministinnen aus dem Boden gestampft. In einem Podcast-Interview mit der Tageszeitung Haaretz kritisierte die israelische Frauenrechtlerin Ruth Halperin-Kaddari in scharfen Tönen jene internationalen feministischen Organisationen, mit denen sie jahrelang zusammengearbeitet hat. Sie fühle sich „komplett verraten“. Denn „Wenn wir israelischen Frauen mit dem schrecklichsten Vorfall von konfliktbedingter sexualisierter Gewalt konfrontiert werden, herrscht völliges Schweigen.“ Halperin-Kaddari war von 2006 bis 2018 Mitglied des UNO-Ausschusses für die Beseitigung der Diskriminierung der Frauen – und es fällt auf, dass die Organisation UN Women (formal die „Einheit der Vereinten Nationen für Gleichstellung und Ermächtigung der Frauen“) fast zwei Monate gebraucht hat, um das Massaker der Hamas mit lauen Worten zu verurteilen. Too little, too late.

Steilvorlage verpasst

Am 25 November, dem International Day for the Elimination of Violence against Women, wäre zum Beispiel eine sehr passende Gelegenheit gewesen, die grausame Gewalt, die Frauen durch die Hamas systematisch zuteil wurde, zu ächten. Endlich zu ächten. Denn es war ziemlich ruhig, was diese scheußliche Causa betrifft. Die Schändung der Opfer so lange zu verschweigen, war, ist und bleibt selbst eine Schande.

Das seit 2008 veröffentlichte Missy Magazine postete am 25. November einen Instagram-Beitrag mit zehn Slides über „patriarchale Gewalt“. So weit, so gut. Die mutigen iranischen Frauen die gegen die Mullahs kämpfen, wurden gelobt. Auch wunderbar. Zudem wurde die Unterdrückung der Frauen und von queeren Personen in zahlreichen Staaten ausdrücklich erwähnt, darunter Afghanistan, Argentinien, Chile, Indien, Jemen, Kurdistan, Mexiko, Myanmar, Nigeria, Syrien, Sudan und auch Palästina.

Allerdings fiel auf, dass die misogynen Übeltaten gegen weibliche Personen in Israel nicht erwähnt wurden. Etliche Leserinnen fragten irritiert nach. Die Irritation schlug sich bald in Indignation um.

Meine Wenigkeit konnte es nicht lassen. In der Vergangenheit habe ich mit Missy zusammengearbeitet. Aber das Versäumnis der Redaktion an diesem Tage entfachte bei mir Wut. So mischte ich auch bald mit und schrieb:

Shame on you! Unsere israelischen Schwestern haben es verdient, eine explizite Erwähnung zu erhalten. Es ist auf eine geradezu eklatante Weise auffällig, dass der obige Beitrag sie zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen den gezielten Terrorangriff Hamas auf unschuldige weibliche Opfer gar nicht thematisiert.

Die Vergewaltigung, die Verschleppung, die Verstümmelung und die Vernichtung israelischer Frauen auf massenhafte Weise müssen ausdrücklich Einzug halten. Alles davon ist nachweislich geschehen. In dem jüngst am 7. Oktober von der Hamas begangenen, blutigsten Anschlag auf jüdische Personen seit dem Holocaust wurden Frauen zum Freiwild erklärt.

#MeTooUnlessYouAreAJew

Binnen kurzem traten wir einen Shitstorm los. Irgendwie passend war der Post vom vorigen Tag, der auf eine von Missy veranstaltete Erfurter Lesung mit Gespräch hinwies. „Something’s Missy(ing) – Feministischer Journalismus in der Krise“, so der Ankündigungstext. Realsatire, wäre das Thema nicht todtraurig.

Erst zwei Tage nach dem Gedenktag erfolgte das Einsehen. Missy ergänzte den Ursprungspost und gab zu, „Mist gebaut“ zu haben. „Wir finden die Kritik, die ihr zahlreich formuliert habt, nichts gegen die Gewalt gegen jüdische Frauen und LINTA gepostet zu haben, absolut richtig

Nicht minder störend, doch kaum überraschend, war die zu demselben Gedenktag veröffentlichte Instagram-Botschaft der erklärt feministischen Minipartei Die Urbane. Zehn Slides voller Vorwürfen und Anschuldigungen gegen Israel.

Auch der „staatlich organisierte Massenmord“ an den EU-Grenzen sowie die andauernden Kriege in Kongo, Sudan und sogar der Ukraine wurden erwähnt. Aber immer wieder kommt der Text auf Gaza zurück und bezichtigt Israel laufend des Genozids. Alles jedoch, ohne die misogyne Gewalt der Hamas gegen jüdische Frauen zu erwähnen. Wie es zu einem so unsensiblen, offensichtlichen Ignorieren des Leidens jüdischer Frauen kommen konnte, ist eine Frage, dich ich und einige andere in der Kommentarspalte jener Partei besorgt stellten. Der ebenda etwas kleiner ausgefallene Shitstorm brachte wenig. Oder vielleicht viel. In der Woche seither gibt es keine neuen Posts oder Storys der Urbanen.

Immerhin zeigen auch diese beiden kleinen Beispiele, wie der Feminismus nicht dazu imstande ist, Gewalt an weibliche Personen einheitlich, energisch und effektiv zu kritisieren. Einseitig? Ja, aber nicht einheitlich. Ohnehin ist die Anschlussfähigkeit linker Strömungen mit den politisch Rechten nicht mehr zu leugnen. Die linke Brandmauer gegen den Antisemitismus hat sich in Flammen aufgelöst, und israelische bzw. jüdische Frauen und Mädchen, in diesen Tagen stark traumatisiert, haben das Nachsehen.

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