Wichtige Ereignisse 2014Kommunalwahlen und Proteste gegen Geflüchtete
Wie schon im Bundestagswahlkampf 2013, setzte die NPD auch für die Kommunalwahlen am 25. Mai 2014 vor allem auf das Thema Flüchtlings- und Asylpolitik. Mitte März startete sie als eine der ersten Parteien mit zahlreichen Kundgebungen und Infoständen im ganzen Land in den Wahlkampf. Eine Besonderheit: Im Landkreis Vorpommern-Greifswald, einer Schwerpunktregion der rechten Szene in MV, traten bekannte NPD-Kader in einigen Orten mit Tarnlisten zur Wahl an. Mit scheinbar unverfänglichen Bezeichnungen wie „Interessengemeinschaft schöneres Strasburg“ oder „Alternative für Torgelow“ wurde einerseits versucht ein bürgernahes Image zu schaffen und andererseits für den Fall eines NPD-Verbotes „geprobt“. Die Tarnliste „Wir von Hier“ aus Ueckermünde mit der sich unter anderem der NPD Kader Marko Müller aufstellen ließ, organisierte Ende März eine um Bürgernähe bemühte Demo gegen „Asylmissbrauch“, an der jedoch kaum BürgerInnen, dafür umso mehr Mitglieder der rechten Partei teilnahmen.
Die Strategie ging dennoch auf. Während die NPD bei den Kommunalwahlen vielerorts Stimmen einbüßte und in zwei von drei Landkreisen ihren Fraktionsstatus verlor, konnten alle genannten WählerInnenlisten Erfolge verbuchen.
Neben weiteren Demonstrationen der NPD und vermeintlicher Bürgerinitiativen gegen Flüchtlinge in Bützow und Güstrow, kam es zunehmend zu rassistischen Übergriffen. Am 12.10. wurde mit Molotow-Cocktails versucht eine Flüchtlingsunterkunft in Groß Lüsewitz in Brand zu setzen. Nachdem der NPD-Abgeordnete Michael Andrejewski in einer Videobotschaft am 9.11. bezüglich der Aufnahme weiterer Flüchtlinge in Anklam verkündete „Der rechte Widerstand läuft bereits an“, kam es zwei Tage später am Anklamer Bahnhof zu einem Angriff auf zwei Männer aus Afghanistan und einen Mann aus dem Iran. Insgesamt gab es in Mecklenburg-Vorpommern 2014 mindestens 16 Angriffe auf Geflüchtete und deren Unterkünfte.
Sonstige Aktivitäten der rechten Szene
Nach den alljährlich stattfindenden Naziaufmärschen am 1. Mai (Rostock) und dem revisionistischen „Trauermarsch“ am 8. Mai in Demmin wurde es zunächst ruhiger um die NPD. In den letzten Wochen vor den Kommunalwahlen fanden kaum noch öffentliche Auftritte statt. Ihren Sommer verbrachten viele Kader aus MV mit der Unterstützung der NPD im Wahlkampf in Brandenburg, Thüringen und Sachsen. Bekannterweise scheiterte die Partei jedoch in allen drei Bundesländern an der 5-Prozent-Hürde. Damit stellt der Landesverband MV aktuell die einzige Landtagsfraktion.
Ein weiteres Ereignis, das in der rechten Szene für Aufsehen gesorgt haben dürfte, war die Razzia gegen NutzerInnen des Thiazi-Forums im Juni und der Prozessauftakt in Rostock am 28. November. Einer der vier u.a. wegen Volksverhetzung und Bildung einer kriminellen Vereinigung Angeklagten ist der 33-jährige Werner R. aus Barth.
Die bundesweite Vernetzung regionaler Nazistrukturen wurde auch Ende Oktober deutlich, als die Polizei in Greifswald ein konspiratives Nazikonzert beendete, zu dem etwa 500 Personen unter anderem aus Sachsen, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Hamburg angereist waren.
Andere Veranstaltungen der rechten Szene u.a. im Thinghaus in Grevesmühlen wurden dagegen im Vorfeld verboten. Aus Protest gegen ein Konzertverbot für „Lunikoff“ gingen in Grevesmühlen am 26.10. 120 Nazis auf die Straße. Der Fackelmarsch war zuvor in Zusammenhang mit dem „Tag des offenen Thinghauses“ als Lampionumzug genehmigt worden. Als Lampionumzug für Kinder tarnte sich auch ein Fackelmarsch gegen „Asylmissbrauch“ in Güstrow am 18.10. an dem sich etwa 100 Rechte aus der Region beteiligten.
Wichtige AkteurInnen der rechten Szene
Die NPDDie NPD war 2014 öffentlich deutlich weniger wahrnehmbar, was einerseits, vor allem in Bezug auf die Proteste gegen Flüchtlinge, Strategie war. Andererseits wurde die NPD durch die Misserfolge bei den Wahlen geschwächt. Udo Pastörs, der sich vergeblich um den Spitzenplatz der bundesweiten NPD-Liste für die Europawahl bewarb, blieb als Bundesvorsitzender farblos und trat auf dem Bundespartei im November nicht mehr zur Wahl um diesen Posten an. Seine Versuche, neue Dynamik in die NPD zu bringen, werden voraussichtlich auch zukünftig erschwert. Gegen ihn, ebenso wie gegen seinen Landtagskollegen David Petereit, laufen derzeit mehrere Ermittlungsverfahren.
Die AfDDie AfD wurde bei den Bundestagswahlen im vergangenen Jahr auf Anhieb mit 5,6 Prozent viertstärkste Partei in MV. Nach der Wahl gründeten sich Kreisverbände in allen acht Landkreisen und seit den Kommunalwahlen ist die AfD in allen Kreistagen mit mindestens zwei Sitzen vertreten.
Das Image der konservativen, aber nicht rechten Akademiker bröckelte schnell. Noch Ende 2013 spricht sich der Kreisverband Vorpommern-Greifswald für Bürgerwehren in der Grenzregion aus. Gegen den Landesvorstandssprecher Holger Arppe wird wegen Volksverhetzung ermittelt. Ihm wird vorgeworfen, sich im Internet rassistisch geäußert und zu Gewalt aufgerufen zu haben. Ähnlich hält es Landesgeschäftsführerin Petra Federau, die sich auf Facebook abfällig über Flüchtlinge äußerte. Cristoph Basedow, Mitglied der Rostocker Bügerschaft, gehört einer studentischen Burschenschaft an. Der ehemalige Landesschatzmeister der AfD, Andreas Kuessner war Mitglied der rechten Partei „Die Freiheit“. Er ist gleichzeitig hauptamtlicher Mitarbeiter des Landesbüros des Weissen Rings. Ein weiteres Mitglied der AfD griff bei einem Infostand in Schwerin Gegendemonstranten mit Pfefferspray an. Der leitende Polizeibeamte Ulf-Theodor C. verletzte die beiden Jugendlichen, nachdem sie mit Konfetti geworfen hatten.
Einig ist sich die AfD in der Abkehr vom sogenannten Schweriner Weg, einer Erklärung der demokratischen Parteien, Initiativen der NPD nicht zu unterstützen. So stimmten Mitglieder der AfD im Kreistag Vorpommern-Greifswald beispielsweise für einen Antrag der NPD gegen die Gewährung von Kirchenasyl.
Ausblick und Erwartungen für 2015
Auch im kommenden Jahr wird die NPD voraussichtlich vorwiegend das Thema Flüchtlingspolitik bearbeiten, da sie damit anschlussfähig für rassistische Debatten in der Bevölkerung ist.
Auch wenn die NPD bundesweit schwächelt, erhalten rechte, antiislamische Strukturen starken Zulauf. Ein Trend der sich in MV ebenfalls abzeichnet. An den Protesten der „Hooligans gegen Salafisten“ in Köln nahmen auch Neonazis aus Mecklenburg-Vorpommern teil und unlängst gründete sich ein Ableger der sogenannten „Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes“ auch in Rostock. Im nächsten Jahr wird sich zeigen, ob dieses Phänomen virtuell bleibt.
2015 werden weitere Flüchtlingsunterkünfte eingerichtet. Trotz des Beschlusses der Landesregierung zum Thema Willkommenskultur Ende 2013, kommt das Land seinen Verpflichtungen kaum nach und lässt Kommunen und ehrenamtliche Strukturen mit der Umsetzung weitestgehend alleine. Zwar gibt es Wohnraum für die Geflüchteten, allerdings sind BetreuerInnen selten ausreichend geschult, es mangelt an SprachmittlerInnen und Sprachkursen und auch sonst gibt es kaum Angebote für Flüchtlinge abseits der größeren Städte. Aufgrund der zunehmenden dezentralen Unterbringung, die sich stark von den Forderungen antirassistischer Initiativen unterscheidet, in kleineren Ortschaften, stellt sich immer wieder auch die Frage nach einem Sicherheitskonzept.
Zu beobachten bleibt auch der Umgang der Polizei mit zivilgesellschaftlichen Protesten gegen öffentliche Auftritte der Neonazis. Deren Vorgehen im Zusammenhang mit Aufmärschen in Rostock, Demmin und Stralsund haben bereits 2014 für breite öffentliche Debatten gesorgt.
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