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Berlin 2014 Rassistische Mobilisierungen gegen Flüchtlinge

Teilnehmer der rassistischen Demonstration gegen die Containerunterkünfte für Flüchtlinge in Marzahn-Hellersdorf am 22.11.2014 mit "Nein zum Heim"-Transpi. (Quelle: flickr.com/cc/ Sozialfotografie [►] StR)

Die israelische Militärintervention in Gaza war Anlass für verschiedenste Vereine und Initiativen, mit zum Teil konträren Weltbildern und Gesellschaftsvorstellungen, eine „Kritik an Israel“ zu artikulieren, die nicht frei von Antisemitismus blieb.

Rechtsextreme Organisationen und flüchtlingsfeindlicher Protest „besorgter Anwohner“

Die Ethnisierung der sozialen Frage und Rassismus, ob nun als „Überfremdung“, „Asylantenflut“ oder „kriminelle Ausländer“ thematisiert, sind seit jeher Kernthemen der Rechtsextremen. So konzentrierte die rechtsextreme Szene Berlins auch im Jahr 2014 ihre öffentlichen Mobilisierungen nahezu ausschließlich auf die rassistische Stimmungsmache gegen Flüchtlinge und deren Unterbringung. Im ersten Halbjahr gab es verschiedene Aufmärsche und Kundgebungen, die von der NPD angemeldet, organisiert und über ihre Netzwerke beworben wurden. Diese waren in der Außenwirkung eindeutig als NPD-Veranstaltungen wahrnehmbar und schafften es kaum, Menschen außerhalb der Kreise der organisierten Rechtsextremen anzusprechen. So veranstaltete die NPD am 17.Mai 2014 eine Kundgebungstour mit vier Stationen in unmittelbarer Nähe von Flüchtlingsunterkünften unter mäßiger Beteiligung. Selbst zu einem bundesweit beworbenen Aufmarsch im April kamen nicht mehr als 100 Rechtsextreme nach Kreuzberg. Sie wurden zudem nach wenigen Hundert Metern von zivilgesellschaftlichen Protesten gestoppt.

In der zweiten Jahreshälfte gingen rechtsextreme Aktivist/innen (NPD, Die Rechte, „Autonome Nationalisten“) vermehrt dazu über, Mobilisierungen gegen Flüchtlingsunterkünfte zu initiieren oder zu unterstützen, ohne sich zu erkennen zu geben. So wurden Facebook-Seiten und Online-Petitionen erstellt und Demonstrationen organisiert oder zu deren Teilnahme aufgerufen, bei denen sich die Rechtsextremen selbst als „besorgte Anwohner“ ausgaben. Eine hohe Dynamik erhielt die rassistische Mobilisierung gegen Flüchtlinge, als im Spätherbst die Planungen für neu entstehende Containterunterkünfte in Marzahn-Hellersdorf, Treptow-Köpenick und Pankow bekannt wurden. Die alte Strategie, ihren Hintergrund zu verschleiern, zahlte sich für die Rechtsextremen nun aus und führte zu zahlreichen Aufmärschen in den genannten Bezirken mit teilweise mehreren hundert Teilnehmenden. Besorgniserregend war zu sehen, dass dabei Anwohner_innen oftmals keine Berührungsängste mit Aussagen und Parolen erkennen ließen, die dem völkischen Rassismus der Rechtsextremen zugehörig sind. Zum Teil wurde von den flüchtlingsfeindlichen Bürger_innen die organisatorische Unterstützung der Rechtsextremen sogar gezielt gesucht.

Gewalt und Drohungen im Kontext der flüchtlingsfeindlichen Proteste

Begleitet wurden die Kampagnen gegen Flüchtlinge das Jahr über von gewalttätigen Aktionen militanter Rechtsextremer. Es kam zu einer Reihe von Sachbeschädigungen durch Feuerwerkskörper und Steinwürfe auf Asylunterkünfte und in der Nacht zum 30. April sogar zu einem Brandanschlag auf ein Heim im Köpenicker Allendeviertel, der zum Glück wenig Schaden anrichtete. Unterdessen gerieten Willkommensinitiativen und Unterstützer_innen von Flüchtlingen sowie Journalist_innen verstärkt in den Fokus der sogenannten „Anti-Antifa“-Aktivitäten. Regelmäßig wurden die Engagierten zum Teil unter Bekanntgabe ihrer persönlichen Daten bedroht, der PKW einer Unterstützerin wurde angezündet. Eine Gruppe Rechtsextremer versuchte, gewaltsam in die Begegnungsstätte des Vereins „Hellersdorf hilft“ einzudringen.

„HoGeSa“ tritt (noch) nicht in Berlin auf

Ein – wenn auch medial viel beachtetes – Randphänomen blieben Aktivitäten von rechten Hooligans und Rechtsextremen unter dem Label „HoGeSa“ in Berlin. Eine angemeldete Demonstration aus diesem Spektrum am 9. November in Mitte wurde vom Veranstalter kurzfristig abgesagt. Eine positive Bezugnahme auf das Label ist vermehrt in rechtsextremen Kreisen zu beobachten – auch im Kontext der flüchtlingsfeindlichen Proteste. Denn die „Hooligans gegen Salafisten“ richten sich nicht nur gegen islamistische Strömungen, wie die selbstgewählte Bezeichnung suggerieren soll. Sie vertreten neben antimuslimischem Rassismus auch allgemein eine feindliche Haltung gegenüber all denjenigen, die sie als Nicht-Deutsche ansehen.

Verschwörungsideologien und israelbezogener Antisemitismus machen neue Bündnisse möglich

Berlin erlebte 2014 nicht nur eine hohe Zahl offen antisemitischer Manifestationen im öffentlichen Raum. Hierbei entstanden auch ganz neue Allianzen zwischen der „Neuen Friedensbewegung“, rechtsextremen „Reichsbürgern“ und einer sich mehrheitlich aus palästinensischen Gruppen aber auch aus linken deutschen Gruppen, linken Israelis und deutschen Juden und Jüdinnen und Christ_innen rekrutierenden pro-palästinensischen Bewegung. Zwischenzeitlich kam es anlässlich der gegen den Raketenbeschuss aus Gaza gerichteten israelischen Militäreinsätze fast jeden Tag in der Stadt zu Aktionen, welche einseitige Schuldzuweisungen gegenüber Israel und das Verschweigen (oder sogar Verherrlichen) des islamistischen Terrors der Hamas gemein hatten. Die Anteilnahme an dem realen Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung kann weder die sich ausdrücklich gegen Juden und Jüdinnen richtenden Positionen, noch die zu Tage getretenen antisemitischen Verschwörungsideologien rechtfertigen. Hier wurde mit der Intervention Israels lediglich eine Gelegenheit ergriffen, um alte antisemitische Vorstellungen neu zu verpacken und zu artikulieren.

Während auf den Manifestationen in ganz unterschiedlicher – meist codierter – Weise antisemitische Auffassungen vorgetragen wurden, kam es nach Zählung des VDK e.V. zwischen dem 7. Juli und dem 31. August auch zu acht Bedrohungen und körperlichen Angriffen. Dies entspricht der Anzahl der vom VDK e.V. und der Opferberatung ReachOut erfassten antisemitisch motivierten körperlichen Angriffe für das gesamte Vorjahr. Die Attacken richteten sich entweder gegen Menschen, die als Juden oder Jüdinnen wahrgenommen wurden oder gegen solche, die sich mit Israel verbunden zeigten. Mitunter wurden die Taten von Teilnehmenden der anti-israelischen Demonstrationen verübt.

Was 2015 wichtig für die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Berlin wird:

Eine demokratische Zivilgesellschaft, die sich gegen Antisemitismus in der Öffentlichkeit positionieren möchte, steht vor der Herausforderung, es nicht nur mit Rechtsextremen zu tun zu haben, sondern mit einem breiten Spektrum, welches bis weit in die Mitte der Gesellschaft hineinreicht.

Bezirkliche Konzepte sind gefragt, die Schutzsuchenden jenseits einer „Willkommenskultur“ die soziale und politische Teilhabe und gleiche Rechte gewähren.

Auch für den Umgang der demokratischen Zivilgesellschaft und der Politik mit denjenigen Bürger_innen, die bei ihren Protesten gegen Flüchtlingsunterkünfte zurzeit kaum Berührungsängste mit Rechtsextremen zeigen, bedarf es eines Konzepts. Dieses sollte auf Grundlage einer ehrlichen Problembeschreibung einer Strategie aus Kritik und Information folgen. Denn einerseits bietet die Nähe dieser Bürger_innen zu Rechtsextremen Anlass für deutliche Kritik und andererseits erfordert die rechtsextreme und rassistische Propaganda die Aufklärung der Öffentlichkeit mittels zutreffender Informationen. Medien und Politik scheuen oft noch eine klare politische Positionierung.

Zwar warnen viele vor den Rechtsextremen, den rassistischen, flüchtlingsfeindlichen Gehalt der Demonstrationen benennt aber kaum jemand. Stattdessen werden Bürger_innen lediglich gewarnt, sich nicht „von Extremisten instrumentalisieren zu lassen“.

Nur wenn es gelingt, einen zwischen Kritik und Information ausgewogenen und für die jeweiligen lokalen Lagen passenden Umgang zu entwickeln, wird die gefährliche Dynamik der flüchtlingsfeindlichen Proteste nachhaltig zu schwächen sein.

Der Schutz der Geflüchteten und derjenigen, die sich für die Unterstützung der Geflüchteten in Berlin engagieren, bleibt wichtige Aufgabe von Politik und Strafverfolgungsbehörden.

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