Den rechtsextremen Parteien und Organisationen in Niedersachsen ist es 2015 nicht gelungen merklich anzuwachsen. Der zuvor sehr aktive Kreisverband Braunschweiger Land der Partei „Die Rechte“ ist durch den Ausstieg seines ehemaligen Vorsitzenden nahezu zum Erliegen gekommen. Die Aktivitäten verlagerten sich zunehmend auf den Kreisverband Hildesheim und die Region. Die weiteren Kreisverbände Weser-Ems und Heidekreis sind in ihren Aktivitäten bislang wenig auffällig.
Während die NPD in Niedersachsen neben einigen lokalen Kundgebungen in der Bedeutungslosigkeit verschwand, versuchte ihre Jugendorganisation (JN) mit Aktionismus und einer Zusammenarbeit mit den KV der Partei Die Rechte auf sich aufmerksam zu machen. Die Freien Kräfte und Aktionsgruppen beteiligten sich an den Aktivitäten der rechtsextremen Parteien, an verschiedenen Kundgebungen und führten vor Ort eigene rassistische Aktionen durch.
Demonstrationen und Kundgebungen
Am „Internationalen Tag gegen Rassismus“, dem 21.03.2015 führte Die Rechte Hildesheim unter dem Motto „Gegen die Überfremdung des deutschen Volkes“ eine Demonstration in Hildesheim durch. Trotz breiter Mobilisierung fanden sich jedoch nur ca. 80 Rechtsextremist_innen ein. Nach einer „Solidaritätskundgebung“ für den wegen Volksverhetzung inhaftierten Kader Dieter Riefling Ende Februar, an der ebenfalls nur ca. 50 Rechtsextremist_innen teilnahmen, war dies die zweite Veranstaltung, mit einer geringen Teilnehmer_innenzahl. Die Mobilisierungsschwäche für geplante „Großveranstaltungen“, die die extreme Rechte in Niedersachsen zur Zeit hat, zeigt sich auch bei dem 2015 zum zehnten Mal stattfindenden Neonazi-Aufmarschs in Bad Nenndorf. Mit nur 200 Teilnehmer_innen stabilisiert sich die Teilnehmer_innenzahl auf niedrigem Niveau.
Auf mehreren Kleinstkundgebungen und bei Flyerverteilaktionen wurde von Rechtsextremen gegen Geflüchtete und den Islam gehetzt. So versuchten „Die Rechte“, die NPD und Aktionsgruppen mit Kundgebungen in unmittelbarer Nähe zu Flüchtlingsunterkünften rassistische Hetze zu verbreiten.
Eine rassistische Kundgebung in Wilhelmshaven, an der Personen aus der NPD, den Freien Kameradschaften und Sympathisant_innen der Szene teilnahmen, zeigt die Kooperation über Parteigrenzen hinweg.
In Duderstadt werden im Dezember 2015 sonntägliche Kundgebungen von der Gruppe „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“ veranstaltet, die sich selbst als „politisch unkorrekt“ betitelt. Unter Beteiligung der AfD und rechtsextremen Personen aus dem Bereich der Neuen Rechten sowie dem aktionsorientierten Spektrum, wird unter dem Motto „Für Frieden, ein sicheres Europa und die Zukunft unserer Kinder“ gegen Antifaschist_innen, etablierte Parteien, die Presse und Geflüchtete gehetzt.
Alle dieser Kundgebungen und Demonstrationen stießen auf einen breiten, heterogenen Gegenprotest vor Ort.
Auch sogenannte „Bürgerwehren“ gründeten sich in Niedersachsen. Die selbsternannten „Ordnungshüter“ streuen rassistische Vorurteile über vermeintliche kriminelle Geflüchtete, gegen die sie die lokale Bevölkerung zu schützen vorgeben. In Schwanewede (Landkreis Osterholz) patrouillieren derweil bekannte Rechtsextremisten als eben so eine „Bürgerwehr“ durch den Ort.
Die Pegida-Bewegung in Niedersachen
Seit Januar kommt es in Braunschweig („Bragida“) und Hannover („Hagida“) regelmäßig montags zu Kundgebungen und „Spaziergängen“ der örtlichen „-Gida“- Ableger. In beiden Fällen stellte sich den Auftaktveranstaltungen ein breiter und bunter Gegenprotest von bis zu 20.000 Personen entgegen. Während in Braunschweig zu Jahresbeginn eine hohe Zahl der Bragida-Teilnehmenden aus dem rechtsextremen Spektrum und der Hooliganszene stammte, sind nunmehr weniger „besorgte Bürger_innen“ dort vertreten, die ihre rassistischen Einstellungen auf die Straße tragen. Bei den Pegida Demonstrationen in Hannover ist unter den Teilnehmenden nach wie vor ein hoher Anteil von Personen der rechtsextremen Szene bei den Veranstaltungen anzutreffen. Weitere Versuche, die Pegida Demonstrationen in anderen Städten wie Oldenburg, Hameln und Wilhelmshaven zu etablieren, konnten sich aufgrund starker Gegenproteste und mangelnder Teilnehmendenzahlen nicht langfristig durchsetzten.
Brandanschlag auf bewohnte Flüchtlingsunterkunft in Salzhemmendorf
Der rassistisch motivierte Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Salzhemmendorf bot den traurigen Höhepunkt menschenverachtender Aktionen in Niedersachsen. Nur durch Glück befand sich die aus Simbabwe stammende Mutter mit ihren vier Kindern nicht in dem sonst als Schlafzimmer dienenden Raum, in den der Brandsatz geworfen wurde. Die kurze Zeit später ermittelten und sich in Untersuchungshaft befindenden Tatverdächtigen, zwei 24 und 30 Jahre alte Männer und eine 23-jährige Frau, gaben in den Vernehmungen an, vor der Tat gemeinsam Rechtsrock gehört zu haben.
Prozess gegen Personen der verbotenen rechtsextremen Organisation „Besseres Hannover“
Ende November begann vor dem Landgericht Hannover der Prozess gegen zwei führende Köpfe der bereits im September 2012 verbotenen rechtsextremen Organisation „Besseres Hannover“ wegen dem Tatbestand der Volksverhetzung. Grundlage der Anklage sind die Internetvideos des sogenannten „Abschiebärs“ in denen eine Person in einem Bärenkostüm, Menschen denen die Gruppierung einen Migrationshintergrund zuschrieb, auf rassistische Weise verächtlich macht. Die Urteile werden Ende Dezember 2015 erwartet.
Ausblick
Auch 2016 wird das Thema Fluch und Asyl eine wichtige Rolle für die Aktivitäten der extremen Rechten in Niedersachsen spielen. Diskursverschiebungen nach rechts in dem Themenfeld Flucht, könnten zunehmend eine Herausforderung für die demokratische Zivilgesellschaft werden.
Es ist fraglich inwieweit die rechtspopulistische AfD ihre Rolle bei den Antiasylkampagnen in Niedersachsen stärken kann und zunehmen öffentlich in Erscheinung tritt.
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