2021 jährte sich der rassistische Brandanschlag und der damit verbundene Mord an Samuel Yeboah zum dreißigsten Mal. Am 19. September 1991 entfachte bisher unbekannte mit Brandbeschleuniger ein Feuer im Treppenhaus der Asylbewerberunterkunft, die Täter wurden noch immer nicht gefasst. Schon im August 2020 wurde bekannt, dass es scheinbar neue Hinweise auf die Täter gebe und die Polizei wieder die Ermittlungen aufgenommen hat. Die Generalbundesanwaltschaft nahm sich dem Fall an. Infolgedessen kam es zu Hausdurchsuchungen bei Tatverdächtigen. Nach 30 Jahren bleibt hier abzuwarten, ob sich noch Beweise sicherstellen lassen. Im Fokus der Ermittlungen stehen dabei Personen aus der Saarlouiser Neonazi-Szene, die zumindest damals zu den führenden Kadern zählten. Seit mehreren Jahrzehnten widmen sich Zivilgesellschaftliche Organisationen und Strukturen der Aufarbeitung und Erinnerung im Fall Yeboah mit großem Engagement. Beispielsweise durch eine virtuelle Gedenktafel: www.samuel-yeboah.de
Wie auch in anderen Bundesländern war das Saarland im Jahr 2021 geprägt durch die pandemiebedingten Maßnahmen. Diese brachten einerseits Aktionen von Maßnahmen-gegner:innen hervor, andererseits führten sie dazu, dass sich rechtsextreme Gruppierungen in private Aktionen zurückzogen und öffentlich weniger sichtbar waren.
Auch im Saarland hat sich ein harter Kern von Coronaleugner:innen und Coronamaßnahmen-Gegner:innen etabliert und radikalisiert. Diese machen weiterhin mit Aktionen auf sich aufmerksam und zeigen sich dabei zunehmend aggressiv als auch verfassungsfeindlich. Zu den Aktionen wird mittlerweile weniger öffentlich und teilweise in Rätseln aufgerufen, seit Versammlungen an Corona-Maßnahmen gebunden oder untersagt wurden. Die mittlerweile stattfindenden Spontan-Proteste beinhalten deshalb meist keine Redebeiträge mehr. Die Indoktrination der Teilnehmer:innen mit Verschwörungserzählungen erfolgt maßgeblich über lokale und überregionale Telegram-Gruppen. Der feste Kern der Demonstrierenden deckt sich mit den aktivsten Akteur:innen in diesen Gruppen.
Szenebekannte Rechtsextreme wie Jaqueline Süßdorf und Sascha Wagner, die zu Beginn der Pandemie noch am Rand der Demonstrationen standen, sind mittlerweile nicht nur als Mitstreiter:innen akzeptiert. Im Fall von Jaqueline Süßdorf wurde diese sogar in den engeren Kreis der Organisator:innen aufgenommen und ist in den regionalen Telegram-Gruppen akzeptiertes und aktives Mitglieder.
Akteure der rechtsextremen Kleinstpartei „Freie Bürger Union“ haben sich schon im letzten Jahr einer weiteren, kleineren Coronaleugner-Gruppierung angeschlossen und dort sehr erfolgreich ihre Ideologien von Verschwörungserzählungen, Holocaustleugnungen und Saarbürgertum (das saarländische Äquivalent zum Reichsbürgertum) in der Anhängerschaft verbreitet.
Bei mehreren saarländischen Rechtsextremisten gab es im Jahr 2021 strafrechtliche Entwicklungen. So ist die Haftstrafe gegen den mutmaßlichen Hammerskin Robert Kiefer aus Püttlingen bestätigt worden, der in Frankreich zu 18 Monaten Haft und einer Strafzahlung von 11.000 Euro verurteilt wurde. Er hatte auf seinem auf der Grenze liegenden Grundstück einen SS-verherrlichenden Gedenkstein platziert. Während des Revisionsverfahrens waren noch einmal 1000 Euro Strafe dazugekommen, da Kiefer sich vor dem französischen Gericht erneut kriegsverherrlichend geäußert hatte.
Gegen ein Mitglied der rechtsextremen Saarbrücker Burschenschaft Ghibellinia zu Prag, der im Vorjahr in Heidelberg zusammen mit zehn anderen Personen einen Mann mit jüdischen Wurzeln gequält haben soll, wurde Strafbefehl erlassen. Zudem wird im Rahmen der bundesweiten Ermittlungen gegen den Politikberater Tom Röhrböck nun auch gegen den saarländischen NPD-Chef Frank Franz wegen Geldwäsche ermittelt.
Ein weiteres auffälliges Phänomen im Saarland, welches auch in diesem Jahr zu beobachten war, ist Vandalismus an Objekten von Erinnerungsorten oder antisemitische und erinnerungsabwehrende Schmierereien durch Unbekannte. 2021 sind solche Vorfälle vor allem rund um den neuen Erinnerungspfad an der „Höckerlinie Otzenhausen“ aufgetreten. Im Sommer ereignete sich zudem ein bundesweit bekannt gewordener Vorfall, bei dem Unbekannte die Schaufensterscheibe eines leerstehenden Geschäfts im Landkreis Neunkrichen mit antisemitischen Schmierereien im Stil der NS-Pogrome beschädigten. Auch mehrere Gedenktafeln, welche an ehemalige jüdische Bewohner:innen im Saarland erinnern, wurden durch NS-Symbolik beschmiert, beschädigt oder gestohlen.
Mehr zur Situation im Saarland bei der Fachstelle gegen Rechtsextremismus des Adolf-Bender-Zentrums:
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