In der Not bekommen noch die kleinsten Dinge eine Bedeutung. Und der Zustand der Not scheint zumindest in Bezug auf die derzeitige Handlungsfähigkeit der neonazistischen Parteien im Bundesland Bremen eine durchaus zutreffende Beschreibung zu sein. Dies trifft insbesondere auf das Parteienprojekt „Die Rechte“ (DR) sowie die 1964 gegründete „Nationaldemokratische Partei Deutschland“ (NPD) zu. Beide Parteiorganisationen kämpften auch im Jahr 2022 gegen ihre zunehmende Bedeutungslosigkeit im Spektrum des organisierten Neonazismus. Während es dem Landesverband der NPD Bremen noch gelang, wenigstens formale Anforderungen wie die Durchführung eines regulären Parteitages im Frühjahr zu erfüllen, scheinen die Strukturen der Partei „Die Rechte“ im Bundesland Bremen nahezu gänzlich zusammengebrochen zu sein. Daran ändert auch die Neugründung eines Landesverbandes im September dieses Jahres nichts. Eine gewisse Aktionsfähigkeit bewies einzig die neonazistische Partei „Der Dritte Weg“, deren Mitglieder sich aber weitestgehend aus dem Bremer Umland rekrutieren, auch weiterhin über keinen eigenen Landesverband verfügen und ihre Aktivitäten zumeist abseits öffentlicher Wahrnehmung betreiben.
Der Landesverband der NPD Bremen
Die Aktivitäten der NPD im Bundesland Bremen blieben im Jahr 2022 überschaubar und beschränkten sich lediglich auf die Erfüllung formaler Anforderungen an das Parteiengesetz. So wurde im Frühjahr ein Wahlparteitag des Landesverbandes durchgeführt, bei dem es zu Vorstandswahlen kam. Überraschungen oder bedeutende Entscheidungen blieben bei der Zusammenkunft allerdings aus – so wurde der langjährige Landesvorsitzende Horst Görmann erneut in seinem Amt bestätigt.
Die fehlende Wechselstimmung war nicht nur personeller Natur: Forderungen nach einem verstärkten öffentlichen Auftreten wurde mit Blick auf den derzeitigen Zustand der Bundespartei sowie fehlender personeller Ressourcen auf Landesebene eine weitestgehende Absage erteilt. Eine mögliche Teilnahme an den anstehenden Bürgerschaftswahlen im Mai 2023 wurde im Verlauf des Parteitages dann auch nahezu ausgeschlossen – auch wenn die endgültige Entscheidung dazu erst auf einer Landesvorstandssitzung im Januar 2023 fallen dürfte.
Doch auch wenn die NPD im Bundesland Bremen fast gänzlich aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden ist, das Landesamt für Verfassungschutz ihr gar einen erheblichen „Mangel an Führungspersonen und […] damit verbundene intellektuelle sowie organisatorische Schwäche“ assistiert, wäre es verfrüht, die Partei im Bundesland gänzlich abzuschreiben. So verfügt die NPD mit zwei Kreisverbänden, einen in der Stadt Bremen selbst, sowie einen, der in der Exklave Bremerhaven angesiedelt ist, weiterhin über handlungsfähige Parteistrukturen.
Formale Anforderungen, wie die Durchführung von Parteitreffen und Parteitagen, konnten trotz eines erneuten Rückgangs von Parteimitgliedschaften im Jahr 2022 erfüllt werden. Und auch finanziell konnte sich der Landesverband im Jahr 2022 konsolidieren. Ausstehende Forderungen von einigen tausend Euro wurden ihr von Seiten des NPD-Bundesverbandes nunmehr erlassen. Schulden, die dem Landesverband der NPD-Bremen im Zuge der Landtagswahl 2011 entstanden und bei der die NPD einen sechsstelligen Betrag investierte.
Der voraussichtliche Verzicht auf die Teilnahme an der Landtagswahl 2023 ist bei genauerem Hinsehen nicht zwingend ein Zeichen organisatorischer Schwäche – sondern kann ebenso als das Ergebnis realistischer Einschätzungen gewertet werden. Dass der Landesverband durchaus in der Lage ist, sich zu bewegen und entsprechende Ressourcen zu mobilisieren, bewies die NPD zuletzt im Vorjahr. Im Zuge der Bundestagswahl im 2021 stellte sie gleich mehrere Kandidaten – darunter militante Prominenz wie den bekennenden Nationalsozialisten Heinz Werner Seeger, seines Zeichens ehemaliger Landesvorsitzender der 1995 verbotenen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) in Bremen. Mit 0,1% der abgegebenen Stimmen blieb das Wahlergebnis jedoch überschaubar. Der Nichtantritt bei der kommenden Landtagswahl dürfte daher eher Kosten-Nutzen-Überlegungen geschuldet sein.
Mögliche Umbenennung in „Die Heimat“
Die NPD plant für das kommende Jahr eine Umbenennung in „Die Heimat“. Davon verspricht sich die neonazistische Partei eine stärkere Bündnisfähigkeit um an vorangegangene politische Erfolge anzuknüpfen | Bild: recherche-nord
Eine größere Aufmerksamkeit als die anstehende Bürgerschaftswahl 2023 erfährt hingegen der anstehende Umwälzungsprozess innerhalb der NPD selbst. So soll die älteste neonazistische Partei der Bundesrepublik nach dem Willen des NPD-Bundesvorstandes im kommenden Jahr von einer klassischen Wahlpartei zu einer Bewegungsorganisation umgewandelt werden. Damit einher geht die Umbenennung der Partei. Unter dem neuen Namen „Die Heimat“ sollen verlorene wie neue Wähler*innen gewonnen werden. Der Name NPD sei „inzwischen bündnispolitisch untragbar“ geworden, wie es aus dem NPD-Bundesvorstand heißt. Ursprünglich sollte die Umbenennung bereits im Mai 2022 erfolgen – beim NPD-Bundesparteitag im hessischen Altenstadt wurde jedoch die dazu benötigte Zwei-Drittel-Mehrheit unter den anwesenden Delegierten verfehlt. Der Abstimmungsniederlage zum Trotz plant der NPD-Bundesvorstand, die Umbenennung und eine damit verbundene Neuausrichtung nun beim kommenden Bundesparteitag im Sommer 2023 durchsetzen zu können. Einzelne Kreisverbände wie beispielsweise in Schleswig-Holstein, Hessen oder Bayern greifen dem Beschluss bereits vor und treten längst unter dem neuen Namen in Erscheinung.
Auch von Seiten der NPD Bremen gibt es inzwischen Unterstützung für die angedachte Umwandlung – so zumindest nach Bekundungen des Landesvorsitzenden Horst Görmann während des Bundesparteitages 2022 in Altenstadt. Dabei galt die NPD im Bundesland Bremen lange Zeit als entschiedene Gegnerin der Pläne. So war es auch kein Zufall, dass Vertreter*innen der NPD Bremen im November 2021 zu einem „Dringlichkeitstreffen der NPD-Landesverbände“ geladen wurden. Bei dieser klandestinen Zusammenkunft, an der sich mehrere NPD-Landesvorsitzende beteiligten, wurde mit Lennart Schwarzbach, dem aktuellen Landesvorsitzenden der NPD Hamburg, kurzerhand ein neuer Parteivorsitzender gewählt. Dieser sollte die Pläne zur Umbenennung und Neuausrichtung aufhalten. Der Putsch gegen die NPD-Bundesspitze scheiterte jedoch kläglich. Etliche namentlich bekannten Teilnehmer*innen des Dringlichkeitstreffens – einige hatten in der gemeinsamen Abschlusserklärung des Dringlichkeitstreffens ausdrücklich auf eine namentliche Nennung verzichtet – sehen sich inzwischen Parteiausschlussverfahren gegenüber. Der Landesvorsitzende der NPD Niedersachsen Manfred Dammann, welcher gemeinsam mit Lennart Schwarzbach die Einladung des Delegiertentreffens unterschrieben hatte, und ebenfalls mit einem Parteiausschlussverfahren bedacht wurde, trat inzwischen von allen Ämtern zurück.
The same procedure as every year?
Inwieweit es der NPD im Bundesland Bremen gelingen wird, aus dem anstehenden Transformationsprozess der Bundespartei eine neue Aufbruchstimmung zu erzeugen, bleibt jedoch abzuwarten. Angesichts der Entwicklung der vergangenen Jahre kann dies sogar explizit bezweifelt werden. Die Umbenennung und damit verbundene Neuausrichtung der Partei könnten stattdessen Potentiale entfesseln und dazu führen, dass sich der Landesverband von der NPD. Ähnliches ist auch in anderen Landesverbänden zu erwarten – insbesondere in Hamburg. Dessen Kommunikation mit dem Bundesverband besteht derzeit – als Folge der Konflikte um die angestrebten Umbenennung – vor allem aus Parteifeststellungsklagen und -ausschlussverfahren.
Trotzdem kann der Zustand der NPD Bremen, zumindest in den vergangenen Jahren als Konstant bewertet werden. Neben der dem Mitgliederschwund und kaum öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten einerseits, schafft es die NPD im Bundesland Bremen seit Jahren andererseits eine gewisse Handlungsfähigkeit und einen personellen Rumpf zu erhalten. Daran ändert auch der nun endgültige Verlust des NPD-Parteibüros im Bremerhavener Stadtteil Surheide nichts.
Aufgrund von Eigenbedarf wurde der NPD das Büro nach nunmehr zehn Jahren Nutzung gekündigt. Die NPD kann allerdings weiterhin auf Infrastruktur wie von Parteimitgliedern betriebene Gaststätten in Bremerhaven und Bremen zurückgreifen – wie nicht zuletzt der Parteitag im Frühjahr 2022 zeigte. Und auch abseits des Bremer Parteivorstands entfalten noch weitere Mitglieder der NPD Bremen Aktivitäten. So nahmen Vertreter*innen der NPD aus Bremen am Netzwerktag der NPD-Postille „Deutsche Stimme“ im September 2022 in Eisenach teil. Doch trotz dieser Aktivitäten dürfte die Bedeutung der NPD im Bundesland Bremen auch im Jahr 2023 eher marginaler Natur sein.
Der Bremer Landesverband der Partei „Die Rechte“
Ein Neonazi mit dem Parteilogo der Partei „Die Rechte“ während einer Neonazidemonstration 2015 in Neuruppin. | Bild: recherche-nord
Auf eine gewisse Kontinuität kann auch die neonazistische Kleinstpartei „Die Rechte“ (DR) im Bundesland Bremen verweisen.
So konnte sich bereits im Jahr 2013, wenige Monate nach der Gründung der Partei im Mai 2012, in Bremen eine erste DR-Ortsgruppe etablieren. Geleitet von ehemaligen NPD-Aktivist*innen, welche der Partei aus Unzufriedenheit über den personellen Zustand des NPD-Landesverbands den Rücken kehrten, versuchte jener DR-Ortsverband in der Folge eigene Aktivitäten im Bundesland zu entfalten. Doch außer der wiederkehrenden Ankündigung, mit einer Demonstration in der Stadt Bremen „endlich für Furore zu sorgen“, blieben dessen Aktivitäten eher begrenzter Natur. Parteiinterne Streitigkeiten, mangelndes Engagement, der Wegzug von Führungspersonen und nicht zuletzt der Selbstmord eines führenden Aktivisten führten Ende 2017 zur Selbstauflösung der ersten Ortsgruppe in Bremen. Dem gescheiterten Experiment zum Trotz, erfolgte im Jahr 2018 dann die erneute Gründung von DR-Parteistrukturen. Zu diesem Zweck versammelten sich ehemalige Aktive der inzwischen aufgelösten „Deutschen Volksunion“ (DVU), der NPD sowie Neonazis, die bereits zuvor in der Partei „Die Rechte“ aktiv waren, im damaligen NPD-Büro in Bremerhaven-Surheide. Bereits kurz nach der Auflösung der bisherigen DR-Parteistrukturen hatte der langjährige NPD-Aktivist Alexander von Malek eine erneute DR-Ortsgruppe in Bremerhaven gegründet. Am 4. August erfolgte dann die Gründung eines ersten Landesverbandes.
Doch auch der neu gegründete Landesverband hielt nicht lange zusammen. Knapp zwei Jahre später wurde, während einer Sitzung des Landesvorstandes im Bremerhavener DR-Parteibüro – welches gleichzeitig das private Wohn- und Schlafzimmer des damaligen Landesvorsitzenden Alexander von Malek war – dessen Selbstauflösung beschlossen. Zahlreiche Neonazis aus Bremen und Bremerhaven beendeten kurz darauf ihre Parteimitgliedschaft. Überraschend war dieser Schritt nicht. Zu diesem Zeitpunkt rumorte es bereits seit Monaten heftig im Bremer Landesverband.
Ausbleibende Wahlerfolge
Eines der Hauptziele des DR-Landesverbandes war nach Eigenbekunden im Zuge der Gründung die erfolgreiche Teilnahme an der Landtagswahl 2019. Die Partei wollte an Wahlerfolge der „Deutschen Volksunion“ (DVU) anknüpfen, der es von 1987 bis zu ihrer Selbstauflösung im Jahr 2011, aufgrund einer Besonderheit im Bremer Wahlrecht, gelang mit Abgeordneten im Stadtparlament von Bremerhaven vertreten zu sein. Eine Ausnahme bildete dabei lediglich das Jahr 1991. Doch ein Achtungserfolg der Partei „Die Rechte“ blieb aus. Angesichts von lediglich 627 Stimmen in Bremen und Bremerhaven bezifferte die Landeswahlleitung das Ergebnis der Landtagswahl 2019 schließlich auf satte 0,0%. Kurz darauf traten im Landesverband dann erste Erosionserscheinungen auf – mehrere Mitglieder erklärten nach parteiinternen Streitigkeiten ihren Rücktritt. Ein Umstand, der den Landesvorsitzenden dazu veranlasste, Informationen über Straftaten abtrünniger Mitglieder an antifaschistische Recherchegruppen weiterzuleiten.
Als Beweis der eigenen Handlungsfähigkeit versuchte „Die Rechte“ in Bremen dann im Jahr 2020 verstärkt öffentlich mit Kundgebungen in Erscheinung zu treten. Doch auch dieses Unterfangen scheiterte letztlich und zeigte eine zunehmend ausbleibende Mobilisierungsfähigkeit. Zwar gelang es der Partei im Januar, April und im Oktober 2020 Kundgebungen in Bremerhaven zu organisieren – deren Teilnehmer*innen kamen dabei allerdings fast ausnahmslos aus anderen Bundesländern. Auch sonst blieb der Erfolg überschaubar. Angesichts des als desolat empfundenen Zustandes des Bremer Landesverbandes verkündeten bereits während einer laufenden Kundgebung am 17. Oktober 2020 mehrere Teilnehmer*innen, zukünftig nicht mehr an DR-Veranstaltungen in Bremerhaven teilnehmen zu wollen. Eine für wenige Tage später angesetzte Kundgebung am 24. Oktober wurde daraufhin kurzerhand abgesagt.
Kundgebung der NPD und der Partei „Die Rechte“ am 17.10.2020 in Bremerhaven. Bei der Veranstaltung handelte es sich um die letzte Veranstaltung vor der Selbstauflösung Ende 2020. | Bild recherche-nord
Die Auflösung des Bremer Landesverbandes der Partei „Die Rechte“ lag zu diesem Zeitpunkt bereits in der Luft. Hinzu kam noch der Wegfall des Dortmunder Neonaziaktivisten Michael Brück, der ebenfalls Ende 2020 öffentlichkeitswirksam seinen Wegzug nach Chemnitz verkündete. Damit einher ging auch dessen Rückzug aus dem DR-Bundesvorstand. Ein schwerer Schlag für die Bemühungen lokaler Parteistrukturen, galt Brück doch bis zu diesem Zeitpunkt als einer der letzten Unterstützer des zunehmend umstrittenen Landesverbandes Bremen. So übernahm Brück nicht nur die Anmeldung von Veranstaltungen, sondern nahezu die gesamte Öffentlichkeitsarbeit. Fast alle Veröffentlichungen, Veranstaltungsberichte und Pressemitteilungen des Landesverbandes stammten, wie ein Blick auf die Internetseite der Bundespartei zeigt, aus der Feder von Brück. Dessen Wegfall konnte durch den Landesvorstand nicht kompensiert werden. Im September 2020 trat dann der gesamte Landesvorstand zurück. Der Versuch, die Partei im Bundesland zu reorganisieren, scheiterte ein paar Wochen später. Die Parteistrukturen brachen, wie bereits 2017, abermals auseinander.
Zusammenbruch der Partei „Die Rechte“ im Land Bremen
Während die Bremer DR-Parteistrukturen erneut in sich zusammenfielen, orientierte sich der ehemalige Landesvorsitzende bereits neu. Spätestens ab Dezember 2020 warb er für eine andere Kleinstpartei des neonazistischen Spektrums. Bilder zeigten ihn und andere ehemalige DR-Aktivisten beim Verteilen von Flugzetteln der Neonazipartei „Dritter Weg“. Doch die angestrebte Neuorientierung endete jäh, nachdem dem ehemaligen DR-Landesvorsitzendem durch Vertreter*innen des „Dritten Weges“ mitgeteilt wurde, das dieser angesichts seiner Vita innerhalb des „Dritten Weges“ zur Persona Non Grata erklärt wurde. Auch bei Kreis- und Landesverbänden der Partei „Die Rechte“ hatten die ehemalige DR-Mitglieder aus Bremen und Bremerhaven keinen leichten Stand. In den Jahren 2021 und 2022 wurden führende Vertreter*innen der Partei nicht müde zu betonen, dass es sich bei den ehemaligen DR-Führungspersonen vom Landesverband Bremen nicht mehr um Parteimitglieder handele und dass sich dies auch zukünftig nicht ändern werde.
Eine neue politische Wirkungsstätte schien, nach der Absage des „Dritten Weges“, nicht in Sicht. Selbst die chronisch unter schwindenden Mitgliedszahlen leidende NPD-Bremen weigerte sich, die nun parteilos gewordenen Neonazis, insbesondere den ehemaligen Landesvorsitzenden, erneut aufzunehmen. Die NPD habe, wie es aus Parteikreisen heißt, keine besonders gute Erinnerung an den Neonaziaktivisten aus Bremerhaven.
Die öffentlich wahrnehmbaren Aktivitäten ehemaliger DR-Aktivisten blieben 2021 und 2022 im Bundesland Bremen relativ karg. Der ehemalige DR-Landesvorsitzende nahm zwar vereinzelt an Demonstrationen der Partei „Die Rechte“ teil – so zum Beispiel in Braunschweig oder auch einer 1. Mai Demonstration in Dortmund – blieb dabei als Einzelperson und Nichtmitglied aber sichtlich isoliert. Einzig bei Veranstaltungen von „Gemeinsam Stark Bremerhaven“ – einer lokalen Organisationsstruktur aus dem Spektrum verschwörungsideologischer „Coronaproteste“ traten die Neonazis als Einzelpersonen regelmäßig in Erscheinung und waren augenscheinlich, zumindest phasenweise, auch in Organisationsstrukturen eingebunden.
Erneute Parteigründung im Jahr 2022
Trotz seiner zunehmenden Isolierung im Bundesverband heißt der Vorsitzende im neu gegründeten Bremer Landesverband der Partei „Die Rechte“ erneut Alexander von Malek. | Bild: recherche-nord
Am 10. September 2022 wurde unter maßgeblicher Vermittlung des DR-Bundesvorstands erneut ein Landesverband der Partei in Bremen gegründet. Die Gründe für die Reaktivierung des Landesverbandes dürften vor allem der anstehenden Landtagswahl 2023 geschuldet sein. Denn auch wenn der zu erwartende Erfolg bei der anstehenden Wahl nicht sonderlich groß ist, muss die Partei um ihre Glaubwürdigkeit aufrechtzuerhalten zu können, an Wahlen teilnehmen. Dies ist erforderlich, um die Anforderungen an das Parteiengesetz zu erfüllen und damit den Parteienstatus zu erhalten.
Angesichts der von Beteiligten des Parteitages als durchaus überschaubar beschriebenen personellen Situation, wurde auf die Gründung von Kreisverbänden verzichtet. Als Landesvorsitzender wurde erneut Alexander von Malek gewählt, was angesichts der Umstrittenheit seiner Person ebenfalls auf die dünne Personaldecke zurückzuführen sein dürfte. Dieser wurde dann sogleich als Spitzenkandidat der Partei „Die Rechte“ bei der anstehenden Landtagswahl auserkoren. Auf weitere Kandidat*innen wurde bislang verzichtet – wobei eine endgültige Entscheidung erst im Verlauf eines Parteitages im Frühjahr 2023 getroffen werden wird. Ob die Wahlteilnahme tatsächlich gelingen wird, steht zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch in den Sternen. Auch Monate nach der Gründung des Landesverbandes hat die lokale Parteispitze um den alten und neuen Landesvorsitzenden es versäumt, entsprechende Unterlagen über die Existenz eines solchen Verbandes bei den zuständigen Behörden einzureichen.
Auch wenn der Bremer Landesverband aufgrund dieser Versäumnisse – menschliches Versagen wie es aus Parteikreisen heißt – offiziell noch nicht existent ist, dürfte auch bei erfolgter Einschreibung die Dauer seines Bestehens als gering einzuschätzen sein. Nicht nur die Blockadehaltung anderer Organisationen aus dem Bremer Neonazispektrum dürften es dem Landesverband schwer machen. So scheinen die lokalen Strukturen der Partei „Die Rechte“ auf die personelle Unterstützung durch den Bundesverband oder dem angrenzenden niedersächsischen Landesverband angewiesen. Doch auch diese wirken zunehmend ihrer Handlungsoptionen und Ressourcen beraubt. So verzeichnete die neonazistischen Kleinstpartei im vergangenen Jahr erneut einen Mitgliederschwund. Das Wegbrechen von Kreisverbänden und die zunehmende Handlungsunfähigkeit ganzer Landesverbände deutet auf zunehmende Probleme hin. Eine Entwicklung, die sich im Jahr 2023 noch zuspitzen und vermutlich auch vor dem derzeit noch mitglieder- und handlungsstärksten Landesverband in Nordrhein-Westfalen nicht halt machen wird.
Darüber hinaus dürfte auch ein mit Spannung für das Jahr 2023 erwarteter Gerichtsprozess Auswirkungen auf die lokalen Parteistrukturen im Bundesland haben. Im Februar 2020 wurde ein Brandanschlag auf das selbstverwaltete Jugendzentrum „Die Friese“ in Bremen verübt. Bei den mutmaßlichen Tätern handelt es sich zum Teil um langjährige Aktivisten der Partei „Die Rechte“ aus Niedersachsen und Bremen. Gemeinsam hatten diese in der Vergangenheit an verschiedenen Veranstaltungen der Partei teilgenommen – unter anderem als Ordner. Am Ort des Geschehens hinterließen sie in der Tatnacht, quasi als Bekennerschreiben unter anderem Aufkleber der Partei „Die Rechte“. Ein Termin für den Gerichtsprozess steht noch aus. Inwieweit die Zugehörigkeit zur Partei eine Rolle in dem Verfahren spielen wird, bleibt abzuwarten.
Der „Dritte Weg“ in Bremen und Umland
In Abgrenzung zu NPD und der Partei „Die Rechte“ verfolgen Neonazis der neonazistischen Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ im Bundesland Bremen ein anders Vorgehen. Abseits der öffentlichen Wahrnehmung versucht die 2013 in Süddeutschland gegründete Neonaziorganisation in Bremen seit einigen Jahren entsprechende Parteistrukturen zu etablieren. Dabei setzt der „Dritte Weg“, der bislang nicht über einen eigenen Landesverband verfügt, vordergründig auf die Einbindung langjähriger Neonazis aus Bremen und dem angrenzenden Umland. Verstärkte Aktivitäten sind seit dem Jahr 2018 zu verzeichnen. Ein Jahr später, Ende 2019, sollte dann eigentlich die Gründung eines Landesverbandes erfolgen. Angesichts begrenzter Ressourcen erging durch den Bundesverband die Empfehlung, sich zu diesem Zweck mit Neonazis aus Hamburg zu einem Gebietsverband zu vereinigen. Als Ort der Gründung war eine Kleinstadt zwischen Hamburg und Bremen vorgesehen, koordiniert wurde das ganze Unterfangen über eine WhatsApp-Messenger-Gruppe. Doch die Gründung erfolgte nicht. Der vorgesehene Vertreter des Bundesvorstandes erkrankte und so wurde die Veranstaltung kurzerhand abgesagt. In der anschließend einsetzenden Corona-Pandemie wurde auf einen erneuten Anlauf verzichtet.
Mitglieder der neonazistischen Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ während einer Demonstration 2022 im nordrheinwestfälischen Hilchenbach. | Bild: recherche-nord
Trotz dieses Rückschlages konnten sich in der Folge erste lose Strukturen des „Dritten Weges“ im Bundesland Bremen und dem angrenzenden Umland etablieren. Seit 2020 trat die Partei verstärkt mit Flugblattverteilungen nach außen. In den ersten Dezembertagen des Jahres 2020 führte die Partei dann eine Veranstaltung im Bremer Umland durch. Dabei wurde angesichts von Personalnot auf die Schwierigkeiten des weiteren Strukturaufbaus in Norddeutschland verwiesen. Der Gründung von eigenen Stützpunkten, den kleinsten Gliederungen im Parteiapparat, oder gar eines eigenen Landesverbandes wurde bei dieser Gelegenheit bis auf weiteres eine Absage erteilt.
Im Jahr 2021 intensivierten Neonazis aus dem Kreis des „Dritten Weges“ ihre Aktivitäten. Neben wiederkehrenden Flugblattaktionen gegen die Corona-Maßnahmen wurde im Rahmen einer sogenannten „Winterhilfe in Bremen“ Spenden an ein ehrenamtliches Projekt übergeben. Ähnlich wie in anderen Bundesländern wurden darüber hinaus mehrere, unter anderem als „Ertüchtigungsmärsche“ deklarierte, Wanderungen durchgeführt. Auch beteiligten sich Bremer Neonazis aus den Strukturen des „Dritten Weges“ an Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen in Hamburg und dem Bremer Umland. Im Jahr 2022 wurden diese Aktivitäten fortgesetzt. Neben Flugblattverteilungen – zuletzt im Dezember diesen Jahres – führten Neonazis, die unter anderem den Strukturen vom „Dritten Weg“ zugerechnet werden, auch im Jahr 2022 entsprechende Wanderungen im Bremer Umland durch. An mindestens einer dieser Veranstaltung nahmen nach Auskunft niedersächsischer Sicherheitsbehörden ebenfalls Minderjährige teil. Auf eine Teilnahme an überregionalen Veranstaltungen des „Dritten Weges“ verzichteten Bremer Neonazis allerdings weitestgehend. Eine der wenigen Ausnahmen bildete der Aufmarsch der Partei am 1. Mai in Zwickau. Unter den eingeteilten Ordnern der Veranstaltung fand sich auch ein Vertreter aus Bremen. Bei der nun anstehenden Landtagswahl wird der „Dritte Weg“, ähnlich wie auch der Landesverband der NPD, aller Voraussicht nach keine größere Rolle spielen. Angesichts des derzeitigen Verhältnisses mit der Partei „Die Rechte“ ist auch nicht mit Unterstützungshandlungen im Wahlkampf zu rechnen. Stattdessen werden die lokalen Strukturen aller Erwartung nach weiterhin klandestin nach Innen am eigenen Strukturaufbau wirken.
Weitestgehend verborgen blieb der interessierten Öffentlichkeit auch ein weiterer Umstand in Bezug auf den „Dritten Weg“ in Bremen. Im Mai 2022 wurde bekannt, dass drei Tatverdächtige durch das Oberlandesgericht Bremen vorzeitig aus der Untersuchungshaft entlassen wurden. Diese sollen im Frühjahr 2020 einen Mann aus der Bremer Neustadt getötet und anschließend zerstückelt haben. Der Fall sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Der Prozess sollte ursprünglich am Landgericht Bremen stattfinden. Doch wurde es versäumt, innerhalb von sechs Monaten das Hauptverfahren zu eröffnen. Das Oberlandgericht setze die Verdächtigen schließlich auf freien Fuß. Pikant ist dabei, dass es sich bei mindestens einem der Tatverdächtigen um einen bekennenden Neonazi handelt. Wenige Monate vor der Tat nahm dieser noch an einer Demonstration von Neonazis in Magdeburg teil. Im Internet posierte er selbstbewusst mit Parteilogo des „Dritten Weges“. Ähnlich wie bei dem Prozess um den Brandanschlag auf „Die Friese“ bleibt abzuwarten, inwieweit die gerichtliche Aufarbeitung die politischen Hintergründe beleuchten wird. Bislang ist noch nicht entschieden, ob es zu einem Prozess kommen wird.
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