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Jahresrückblick 2022 Sachsen-Anhalt – Knotenpunkt rechtsextremer Vernetzung

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Neonazis, die Neonazi-Dinge tun: Mordaufruf gegen politische Gegner*innen auf dem T-Shirt eines Teilnehmers der Demonstration der "Neue Stärke Partei" in Magdeburg. (Quelle: D. Lenze)

Das Bundesland ist seit langem Knotenpunkt der bundesweiten Vernetzung der extremen Rechten in Deutschland. In ideologischer und organisatorischer Hinsicht ist dabei das Milieu rund um den im Saalekreis ansässigen „Verlag Antaios“ und das „Institut für Staatspolitik“ (IfS) ein zentraler Impulsgeber für die strategische Ausrichtung und Formierung rechtsextremer Strukturen im Umfeld der AfD. Dies wurde auch im Jahr 2022 deutlich. So trugen die Tagungen und das Sommerfest des „Instituts für Staatspolitik“ in Schnellroda zur Theorie- und Strategieentwicklungen der AfD nicht nur in Sachsen-Anhalt bei. Veranstaltungen wie diese richten sich vornehmlich an den akademischen Nachwuchs im Umfeld der AfD, binden darüber hinaus jedoch auch Funktions- und Mandatsträger*innen der Partei. Anfang September tagte man im Lichte des Krieges Russlands gegen die Ukraine zum Thema Geopolitik.

Von stärkerer Reichweite als die Akademien des IfS dürften jedoch die multimedialen Aktivitäten des rechtsintellektuellen Netzwerks in Schnellroda sein. Über Vlog- und Podcast-Formate versorgen sie das rechtsalternative Milieu thematisch, aber auch lebensweltlich-habituell mit ideologischen Inhalten. Das Sommerfest des Instituts im Juli zielte auf die Bindung der Leser*innen des Antaios-Verlags und Sympathisant*innen sowohl mit Blick auf die Gewinnung von Kund*innen sowie neuen politischen Kontakten. Die Arbeit des IfS hatte in den letzten Jahren einen wesentlichen Anteil daran, die AfD politisch sprechfähig gemacht und normalisiert zu haben.

Ein anderes Segment der extremen Rechten, welches jedoch durchaus mit dem zuvor beschriebenen verbunden ist, repräsentiert das Umfeld des vormaligen AfD-Fraktionschefs im Landtag von Sachsen-Anhalt, Andre Poggenburg. In Kooperation mit der rechtsextremen Monatszeitschrift „Compact“ und der extrem rechten Regionalpartei „Freie Sachsen“ inszenierte Poggenburg Anfang August 2022 den Startschuss für einen von ihm ersehnten „heißen Herbst“, in dem er auf seinem Anwesen in Stößen im Burgenlandkreis zu einem Fest lud, an dem auch Vertreter*innen des Querdenken-Milieus teilnahmen. Erkennbar diente das Sommerfest in Stößen der Vorbereitung und Mobilisierung zu einer rechten Demonstration in Leipzig im September, die als Auftakt einer neuen Mobilisierung gedacht war.

Die Rolle der AfD

Es ist aber vor allem die AfD, die in Sachsen-Anhalt versucht, vor dem Hintergrund der gesamtgesellschaftlichen Krisensituation die sich formierenden Proteste für ihre politischen Zwecke zu nutzen. So war die Partei frühzeitig bestrebt, das Thema Corona und die damit verbundenen gesellschaftlichen Widersprüche aufzugreifen und davon zu profitieren. Im Sommer 2021 blieben ihre diesbezüglichen Aktionen ohne wirkliche gesellschaftliche Resonanz. Dies änderte sich in der zweiten Phase der Corona-Proteste ab dem Spätherbst 2021. In den Regionen Sachsen-Anhalts war die AfD innerhalb dieser Proteste teils offensiv, teils defensiv präsent. In einigen Orten wie Bitterfeld oder Querfurt trat sie sogar offiziell als Anmelderin und Organisatorin der Proteste auf.

Corona-Proteste und „Heißer Herbst“

Zum Jahreswechsel 2021/2022 stiegen sowohl die Anzahl der öffentlichen Versammlungen zum Thema Corona, wie Kundgebungen, Mahnwachen und selbsterklärten“ „Spaziergängen, als auch der teilnehmenden Personen massiv an. Ende Juli 2022 sprach das Innenministerium Sachsen-Anhalts von deutlich über 2.000 öffentlichen Aktionen von Corona-Leugner*innen innerhalb eines Jahres von Mai 2021 bis Juni 2022. Viele dieser Demonstrationen wurden zwar öffentlich in den sozialen Netzwerken beworben, aber vielfach vor Ort nicht als Versammlung angemeldet. Dabei waren dort neben Verschwörungsideolog*innen auch alle Spektren der extrem Rechten von AfD, NPD, Reichsbürger*innen und völkischen Neonazis vertreten. Eine Distanzierung der vermeintlich „bürgerlichen“ Demonstrant*innen gegenüber offen auftretenden Rechtsextremen war dabei nicht zu beobachten.

Nach dem Ende der meisten Corona-Maßnahmen nahm das Protestgeschehen im zweiten Quartal 2022 zunächst erneut ab. Der russische Krieg gegen die Ukraine hat den Protesten in Sachsen-Anhalt jedoch zeitweise eine neue Dynamik verschafft. Im Spätsommer 2022 erreichte die Mobilisierung im Zuge der Debatte um einen Gaspreisdeckel seinen Höhepunkt mit über 12.000 Teilnehmer*innen an etwa 40 Orten. Zentren des Protests waren Halle und Magdeburg. Aber auch in Städten wie Aschersleben, Querfurt, Halberstadt oder Salzwedel kam es wöchentlich zu Kundgebungen und Demonstrationen. Im weiteren zeitlichen Verlauf des Herbstes zeigte sich jedoch, dass die Erwartungen extrem rechter Milieus an die Mobilisierungsfähigkeit des Themenkomplexes Energie, Inflation und Krieg sich vorerst nicht erfüllten. Die Zahl der Kundgebungen und ihre Teilnehmer*innen ging in Sachsen-Anhalt nach Anfang September deutlich und stetig zurück.

Getragen wurden die Proteste im Kern von jenem Milieu, das bereits im Zusammenhang mit den Corona-Protesten zu den politischen und organisatorischen Impulsgeber*innen gehörte. Hierzu zählen souveränistisch ausgerichtete Ideolog*innen der Reichsbürger, Neonazis, Querdenker*innen und Esoteriker*innen. Inhaltlich standen bei den jüngsten Protesten weiterhin verschwörungsideologische Krisenerzählungen im Mittelpunkt.

Zentrale Forderungen von AfD und Rechtsextremen waren die Öffnung von Nord Stream 2 und die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland. Auch wurde offene Sympathie für Russland bekundet, insbesondere von Vertreter*innen der AfD. So ließ etwa der AfD-Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider verlauten, „unsere Feinde sitzen nicht in Moskau, sondern in Magdeburg und Berlin“. Die Affinität zu Russland zeigte auch eine Reise von den Landtagsabgeordneten Hans-Thomas Tillschneider und Daniel Wald und anderen in die von Russland besetzten Gebiete der Ukraine, die bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Man habe sich, so rechtfertigten sich die AfD-Mandatsträger, ein eigenes Bild der Lage machen wollen. Während die mitgereisten nordrheinwestfälischen Landtagsabgeordneten sanktioniert wurden, blieb die Reise für die AfD-Abgeordneten aus Sachsen-Anhalt ohne Konsequenzen.

Insgesamt erfuhren Rhetorik und Argumentation der AfD in Sachsen-Anhalt im Kontext des Krieges gegen die Ukraine eine weitere Zuspitzung. Diese spiegelt jedoch die seit Jahren im Landesverband der Partei konsensfähige offen rechtsextreme Orientierung dar.

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