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Jahresrückblick 2022 Sachsen – Schwerpunktregion für Rechtsextremismus aller Art

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1. Mai in Zwickau: Neonazis des „III. Weg“ marschieren durch die Stadt. Bei der Anreise kommt es zu Angriffen auf Gegendemonstrant:innen
1. Mai in Zwickau: Neonazis des „III. Weg“ marschieren durch die Stadt. Bei der Anreise kommt es zu Angriffen auf Gegendemonstrant:innen (Quelle: Nicholas Potter)

Sachsen bleibt auch 2022 eine besondere Schwerpunktregion des Rechtsextremismus in Deutschland. Zu Beginn des Jahres 2022 erreichte die Dynamik der Demonstrationen gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie in Sachsen einen Höhepunkt. Im Bundesland fanden wöchentlich in mehr als 120 unterschiedlichen Orten Proteste statt. Sachsenweit gingen zu Spitzenzeiten bis zu 40.000 Menschen auf die Straße. Eines der bestimmenden Themen auf den Demonstrationen war die angebliche Einführung einer Impfpflicht durch die Bundesregierung.

Nachdem die Proteste im Frühjahr und Sommer deutlich an Intensität verloren hatten, wurde von allen extrem rechten Strukturen ein sogenannter „Heißer Herbst“ oder „Wutwinter“ angekündigt. Dieser blieb bis auf wenige lokale Ausnahmen, wie z.B. in Plauen, Bautzen, Zittau oder Waldheim, in der Fläche im Bundesland aus. Es konnte nicht an die Dynamik oder die quantitativen Erfolge angeknüpft werden, die die Proteste zu Beginn des Jahres zeigten.

Die bestimmenden Themen zur Mobilisierung in der zweiten Jahreshälfte 2022 waren die mit dem russischen Krieg in der Ukraine zusammenhängende Energiekrise und die Inflation. Auch wenn die Proteste zum Jahresende in der Regel eher abflauten, ist zu bemerken, dass ein harter Kern von Protestierenden seit mittlerweile mehr als zwei Jahren regelmäßig auf der Straße geht und damit eine erstaunliche Ausdauer zeigt.

Die Verbreitung von rechten Verschwörungsideologien und gezielten Desinformationen haben in den letzten Monaten weiter an Bedeutung gewonnen. In den ersten beiden Jahren der Corona-Pandemie haben verschiedene Gruppen von Verschwörungsideolog*innen auf Telegram und anderen Plattformen einen starken Zulauf erlebt. Oft findet hier ein enges Zusammenspiel von Querdenker*innen, Reichsbürger*innen und anderen extrem rechten Strukturen statt. Viele Menschen in Sachsen bewegen sich inzwischen innerhalb dieser Kreise und beziehen ihre Informationen aus ebenjenen sogenannten „Alternativmedien“.

Rechtsrock, Neonazis und rassistisch motivierte Gewalt

Im Schatten der Diskussionen um die Straßenproteste ist das extrem rechte Konzertgeschehen in Sachsen im Jahr 2022 wieder deutlich angestiegen. Die beiden bedeutendsten Konzertstandorte in Sachsen waren dabei Torgau-Staupitz und Mücka. Beide Orte spielten auch vor der Corona-Pandemie bereits eine wichtige Rolle in der extrem rechten Konzertlandschaft. Auch andere Veranstaltungen und Treffen der extrem rechten Szenen im Bundesland haben mit dem Ende der Corona-Maßnahmen wieder zugenommen. In Sachsen können die verschiedenen Szenen dabei auf zahlreiche Immobilien zurückgreifen, die sie für ihre politische Arbeit nutzen.

Zwei wichtige Ereignisse im neonazistischen Spektrum in Sachsen waren im Jahr 2022 der jährlich stattfindende Großaufmarsch anlässlich der Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg und der Aufmarsch der Partei „Der III. Weg“ am 01. Mai in Zwickau. Dabei griffen Neonazis gezielt Gegendemonstrant*innen auf ihrer Fahrt zum Veranstaltungsort im Zug und auf zwei Bahnhöfen an.

Eine weitere rechtsmotivierte Gewalttat von herausragender Bedeutung ist der Brandanschlag auf eine Unterkunft für Geflüchtete im „Spreehotel“ in Bautzen im Oktober 2022. Diese Tat steht stellvertretend für die Zunahme rassistisch motivierter Taten seit Herbst dieses Jahres. Parallel zum Anstieg der Zahlen geflüchteter Menschen in Sachsen nimmt auch die rassistische Stimmung innerhalb der extrem rechten Telegram-Gruppen und anderer Kanäle zu.

Der Pegida-Organisationskreis hatte im Jahr 2022 keinen nennenswerten Einfluss mehr auf das Protestgeschehen in Sachsen. Es kann daher erstmals seit 2014 davon gesprochen werden, dass Pegida als Akteur im extrem rechten Spektrum im Bundesland keine Bedeutung mehr hat. An vielen Orten an denen die oben beschriebenen Proteste stattgefunden haben, speist sich das Protest-Milieu, in seinem Kern jedoch aus Personen, die bereits bei Pegida Demonstrationserfahrung sammelten.

Politisch werden die Proteste in Sachsen vor allem von der neonazistischen Kleinstpartei Freie Sachsen und an einigen Orten von lokalen AfD-Strukturen getragen. Die Freien Sachsen haben sich dabei im vergangenen Jahr als der agilste und damit wichtigste Akteur der extremen Rechten im Bundesland hervorgetan. Durch die Möglichkeiten der Doppelmitgliedschaften in verschiedenen Parteien verschmelzen in der Organisation der Freien Sachsen derzeit die Strukturen der NPD, der Wählervereinigung Pro Chemnitz und einzelner bisher parteiunabhängiger rechtsextremer Vereinigungen.

Bei den Landratswahlen im Sommer 2022 erreichten die Freien Sachsen in allen Wahlkreisen, in denen sie angetreten waren, ein zweistelliges Ergebnis. Die Kandidatin im Landkreis Nordsachsen erreichte sogar 20 Prozent der Stimmen. Darüber hinaus zeigte sich bei diesen Wahlen, dass die AfD in Sachsen nach wie vor einen sehr hohen Zuspruch bei den Wähler*innen genießt. In ihren Hochburgen in Ostsachsen erreichten die AfD-Kandidaten zwischen 27 und 36 Prozent der abgegebenen Stimmen. Es ist in Sachsen daher auch weiterhin davon auszugehen, dass die AfD über ein Potenzial von Stammwähler*innen verfügt, das bei deutlich mehr als 20 Prozent der Wahlberechtigten liegt.

Rechtextremer Schulterschluss mit Konservativen

Eine weitere Entwicklung in Sachsen spiegelt sich darin wider, dass sich neurechtes Denken, das sich aus den Ideen rund um das private Institut für Staatspolitik von Götz Kubitschek speist, weiterverbreitet. Die wichtigsten Akteure im neurechten Spektrum in Sachsen waren im Jahr 2022 das Umfeld des Buchhauses Loschwitz von Susanne Dagen, der Schriftsteller Uwe Tellkamp und die Personen aus dem Umfeld der Gruppierung „Ein Prozent“. Von diesen Personenkreisen ausgehend findet eine zunehmende Verbürgerlichung von neurechten Positionen statt. Dabei wird ein bewusster Schulterschluss mit konservativen Kreisen gesucht.

Ein Höhepunkt der Normalisierung von extrem rechtem Denken zeigte sich Ende des Jahres im Landkreistag Bautzen. Dort stimmte der Landrat Udo Witschas (CDU) und ein großer Teil seiner CDU-Fraktion einem Antrag der AfD zu, dass die Integrationsleistungen für ausreisepflichtige Geflüchtete im Landkreis gekürzt werden sollen. Der Landrat ist nun auf Grundlage dieses AfD-Antrages dazu aufgefordert, die Integrationsleitlinien des Landkreises Bautzen entsprechend zu ändern.

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