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Jahresrückblick 2023 – Saarland Mordurteil nach 32 Jahren

Samuel Yeboah (27) wurde bei einem Brandanschlag im September 1991 in Saarlouis ermordet. (Quelle: Polizei Saarland)

Seit dem Angriff der Hamas mehren sich auch im Saarland die Beratungsanfragen im Themenkomplex Nahost-Konflikt und Antisemitismus, wöchentliche Demonstrationen sind immer wieder Ventil für Menschen, die emotional aufgeladen zum Teil den Staat Israel infrage stellen und zudem antisemitische Narrative in der Öffentlichkeit skandieren. Diese herausfordernde gesellschaftliche Situation nimmt aktuell den Schwerpunkt der Beratungsarbeit von RIAS und der Fachstelle gegen Rechtsextremismus ein. Gerade auch in den saarländischen Schulen entstehen zunehmend Konflikte unter Schüler:innen, antisemitische Angriffe häufen sich und Lehrkräfte suchen vermehrt Unterstützung.

Neben der Beratungsarbeit lag 2023 ein Fokus auf dem Monitoring von Aktivitäten bekannter, aktiver Neonazis, der christlich-fundamentalistischen Pius-Brüder und auch der Prozessbeobachtung im wieder aufgenommenen Prozess zum Mord an Samuel Yeboah.

30 Jahre bis zur Wahrheit

Es sollte über 30 Jahre dauern, dass im Mordfall um Samuel Kofi Yeboah ein Prozess zu einem Ergebnis führte. Am 9.10.2023 sprach das Oberlandesgericht in Koblenz den 52-jährigen Peter St. des Mordes und des zwölffach versuchten Mordes schuldig und verurteilte ihn zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren und 10 Monaten. Peter St. war zur Tatzeit zwanzig Jahre alt und einer der führenden, gewalttätigen Köpfe der Saarlouiser Neonazi-Szene. Im Prozess sagten viele seiner damaligen Wegbegleiter:innen aus und schließlich bestätigten sich Tat und Täter. Die Zeug:innen-Aussagen formten das Geschehen und rekonstruierten den Ablauf in der Tatnacht Anfang der neunziger Jahre:

Peter S. machte sich in der Nacht vom 19. September 1991 von der Kneipe Bayrischer Hof auf den Weg zur Asylbewerberunterkunft, in der der ghanaische Geflüchtete Samuel Kofi Yeboah und viele andere Asylbewerber:innen untergebracht waren, um in dem Hausflur des Gebäudes mit Brandbeschleuniger Feuer zu legen. Yeboah starb wenig später an den Folgen seiner Brandverletzungen. Der Tat ging ein Kneipenabend voraus, bei dem der damalige Anführer der Saarlouiser Neonazi-Szene, Peter St., beteiligt war. Gegen diesen wurde nun auch Anklage erhoben. Dem heute 54-jährigen wird Beihilfe zum Mord an Samuel Yeboah vorgeworfen.

Christlich, fundamentalistisch, radikal

Die Landeshauptstadt an der Saar wird immer wieder Austragungsort des sogenannten Marschs für das Leben der Pius-Bruderschaft. Hier demonstrieren regelmäßig und so auch 2023 Mitglieder die Priesterbruderschaft St. Pius X. gemeinsam mit rechtspopulistischen und rechtsextremen Akteur:innen gegen das Recht der Frau auf körperliche Selbstbestimmung, gegen Abtreibung, gegen die Arbeit der Beratungsstelle Pro Familia und für klerikal-traditionelle Werte. In der Vergangenheit haben die Piusbrüder immer wieder mit antijudaistischen, antisemitischen und antidemokratischen Aussagen für Aufsehen gesorgt. Die Kundgebungsveranstaltungen der christlich-fundamentalistischen Bruderschaft beginnen nicht selten vor den Büroräumen von Pro Familia als Gebetskreis. Regelmäßig nehmen hier und an den Demonstrationszügen bis zu 200 Menschen teil.

Seit 2022 ist das Bündnis für reproduktive Selbstbestimmung Saar aktiv, um auf die Menschenfeindlichkeiten der katholischen Bruderschaft aufmerksam zu machen und über deren Geisteshaltung aufzuklären. Hier sind zahlreiche zivilgesellschaftliche saarländische Akteur:innen involviert.

Hammerskins

Im Herbst 2023 wurden bundesweit Räume der Hammerskins Deutschland durchsucht und auch im Saarland waren Objekte des rechtsextremen Chapters Westwall im Visier der Ermittler:innen. Laut Polizei wurden im Saarland sechs Objekte unter die Lupe genommen und die Hate Bar in Dillingen – das saarländische Herzstück der Neonazi-Gruppierung – sogar beschlagnahmt. Hier fanden in der Vergangenheit regelmäßig Rechtsrock-Konzerte statt und die Immobilie war regional wie auch national seit Jahren eine zentrale Anlaufstelle für Mitglieder und Supporter der Gruppe. Außerdem sollen auch Privatwohnungen von Führungspersonen durchsucht worden sein.

 

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