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Kein sicherer Ort Extrem rechte Verlage auf der Buchmesse

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(Quelle: KA)

Triggerwarnung: Enthält rassistische und antisemitische Bildsprache

Nach den Vorfällen auf der Frankfurter Buchmesse im Herbst 2017, bei denen es rund um den Stand und Veranstaltungen des neurechten „Antaios Verlages“ zu Auseinandersetzungen zwischen Zivilgesellschaft und Mitgliedern der „Identitären Bewegung“ sowie anderen Unterstützer:innen aus dem rechtsextremen Umfeld kam, werden auch 2021 auf der Buchmesse in Frankfurt wieder Verlage und Zeitschriften aus dem extrem rechten Spektrum auftreten. Einige von ihnen aus dem „Antaios“-Netzwerk sind neben den großen Bühnen des ZDF prominent platziert. Aus diesem Grund hat die schwarze Autorin und Twitter-Aktivistin Jasmina Kuhnke ihren Auftritt bei der Frankfurter Buchmesse am kommenden Freitag abgesagt.

Es ist nicht der erste rechtsextreme Vorfall auf der Frankfurter Buchmesse, der für Schlagzeilen sorgt: Den größten Skandal gab es wohl 2017. Damals standen die Aktivist:innen der sogenannten „neuen“ Rechten um den „Antaios“ Verleger Götz Kubitschek im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Damals erreichten die völkische Nationalist:innen mit ihrem Auftritt alles, was sie wollten: Öffentlichkeit wurde geschaffen, die Anwesenheit von Rassist:innen und Rechtsextremen in der Öffentlichkeit wurde weiter normalisiert. Selbst der AfD-Faschist Björn Höcke besuchte deren Messestand. Ein Rundgang mit ihm und Kubitschek wurde als Sieg inszeniert. Während einer Veranstaltung des „Antaios-Verlags“ kam es zu Auseinandersetzungen zwischen rechtsextremen Aktivist:innen der sogenannten „Identitären Bewegung“ und Demonstrant:innen. Es kam auch zu Übergriffen und zu Bedrohungen gegenüber Besucher:innen und Vertreter:innen zivilgesellschaftlicher Institutionen. 2018 gelang es Kubitschek, durch eine Verlags-Scharade dann wieder der schlecht besuchten Sackgasse auf der Buchmesse zu entkommen und mit dem erdachten Loci-Verlag“ einen guten Platz auf der Messe zu ergattern. 2019 gelang es der Leitung der Buchmesse dann endlich, extrem rechte Verlage in den hinterletzten Winkel zu verbannen. Zufällig fand kaum ein Besucher diese braune Ecke. Wie sind extrem rechte Verlage dieses Jahr auf der Messe aufgestellt?

„Oikos Verlag“

Der „Antaios-Verlag“ ist auf der diesjährigen Buchmesse nicht vertreten. Dafür aber der „Oikos Verlag“, der von „Antaios“ vertrieben wird. Bei „Oikos“ wird seit Mai 2020 „Die Kehre – Zeitschrift für Naturschutz“ herausgebracht, ein neues Magazin aus dem identitären Spektrum des Netzwerks „Ein Prozent für unser Land“. Verantwortlich für dieses Blatt ist Jonas Schick. Schick ist ehemaliger Aktivist der „Identitären Bewegung“ und ex-Mitarbeiter des  AfD-Abgeordneten in der Bremer Bürgerschaft Frank Magnitz, zudem ist er regelmäßiger Autor bei Sezession, Sprachrohr des wohl wichtigsten „Think Tank“ der „neuen“ Rechten, das wiederum zum Netzwerk von Götz Kubitschek gehört. 

Ärgerlich ist, dass „Oikos“ nicht etwa in einer schlecht besuchten Sackgasse untergebracht ist, sondern mittendrin. 

„Jungeuropa-Verlag“

Das ist auch Philip Stein, Verleger des „Jungeuropa-Verlags“, aufgefallen: „Keine Sackgasse, sondern mittendrin!“, freut er sich in einem Blogbeitrag. Stein leitet den Verein „EinProzent“, eine Art rechtsextreme NGO aus dem Netzwerk von Götz Kubitschek. Stein pflegt enge Verbindungen zu Rechtsradikalen aller Art. Er ist Sprecher der stramm rechten „Deutschen Burschenschaft“, wurde 2018 von der AfD eingeladen, im Bundestag zu sprechen und trat in einem Tagungszentrum auf, das von der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck mitgegründet wurde. 2017 beteiligte er sich an einem gewalttätigen Angriff auf einen Fotografen vor einem Verbindungshaus der „Burschenschaft Germania“ in Marburg, wie die Frankfurter Rundschau berichtete.

Zu den Autor:innen von „Jungeuropa“ zählen Martin Semlitsch (Künstlername: Martin Lichtmesz), ein extrem rechter Pseudo-Intellektueller. Auch Benedikt Kaiser, ehemals JA, der früher Teil der rechtsextremen Kameradschaftsszene mit Verbindungen zum NSU war, schreibt für den Verlag. Oder Dominique Venner, einer der wichtigsten Figuren des französischen Rechtsextremismus (Nouvelle Droite) und Mitglied der rechtsextremen Terrorgruppe „Organisation de l’armée secrète“, die militant gegen algerische Unabhängigkeitsbestrebungen vorging. Venner nahm sich selbst das Leben um ein Fanal gegen die angebliche zunehmende Degeneration Frankreichs zu setzen. Auch Werke von Alain de Benoist werden bei „Jungeuropa“ vertrieben. Um den Kreis des rechten Philosophen Benoist entstand Ende der 1960er Jahre was sich später „Nouvelle Droite – Neue Rechte“ nannte. Ein weiterer Autor von „Jungeuropa“ ist Richard Spencer, Begründer der Alt-Right und stolzer White Supremacist. Mit „Natiokratie“ ist bei „Jungeuropa“ auch ein Klassiker des ukrainischen Ultranationalismus von Mykola Sziborskyj erschienen. Das Vorwort stammt von Mykola Krawtschenko, Mitglied von „Asow“, einer militanten Neonazi-Miliz aus der Ukraine.

„Buchhaus Edition Loschwitz“: Extrem rechts mit bürgerlichem Anstrich

Der ganze Wirbel um die Ereignisse 2017 auf der Buchmesse hatten eine Solidaritätspetition von rechts zur Folge, die Charta 2017. Initiiert wurde sie von der Dresdener Buchhändlerin Susanne Dagen vom Dresdner „Buchhaus Loschwitz“. Dieses Jahr ist erstmals die „Buchhaus Edition Loschwitz“ und damit Susanne Dagen auf der Frankfurter Buchmesse vertreten.

Seit 2017 hat Dagen jedwede Berührungsängste gegenüber der rechtsextremen Szene fallen lassen: Sie lässt sich etwa in rechtsextremen „alternativen“ Medien interviewen und gemeinsam mit dem weiblichen Gesicht der rechtsextremen, selbst ernannten „neuen” Rechten, Ellen Kositza (Ehefrau von Götz Kubitschek), moderierte Susanne Dagen ein Literatur-Magazin auf YouTube. Zu Gast war unter anderem der rechtsextreme IB-Chef in Österreich Martin Sellner. Dagen saß einige Zeit im Kuratorium der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung.

In Dresden ist das „Buchhaus Loschwitz“ ein Ankerpunkt für Literaturliebhaber:innen der Pegida-Fraktion. Auf dem Blog Dokumentieren gegen Rechts“ heißt es: Das „Kulturhaus Loschwitz“ habe sich „fast schon zu einem Think Tank ausgebaut. Fast.“

„Karolinger Verlag“ 

Auch der „Karolinger Verlag“ ist dieses Jahr auf der Buchmesse zugegen. Ein kleiner, 1980 aus einer Kooperation mit dem Schweizer Verlag „L’Age d’Homme in Wien hervorgegangener Verlag, der sich an der „romanisch-germanischen Spannweite der Karolinger“ orientiert. Er ist als rückwärtsgewandt und reaktionär-monarchistisch einzustufen, da sein Verlagsprogramm in erster Linie antimoderne, antiliberale, antiaufklärerische und monarchistische Autoren umfasst. Ihr Programm ist eine Mischung aus Vordenkern des Faschismus wie Carl von Clausewitz und faschistischen Autoren wie Ernst Jünger oder Carl Schmitt. Ein Vertreter des Verlags bezeichnete in einer Stellungnahme Armin Mohler, den wichtigsten Pionier der „neuen“ Rechten im deutschsprachigen Raum, als „scharfen, auch provozierenden Geist“. Der Herausgeber, Dr. Peter Weiss, ist Alter Herr der Burschenschaft „Libertas zu Wien”, die Teil des rechtsextremen Bundes „Burschenschaftliche Gemeinschaft” ist, zudem pflegt er Kontakte zur FPÖ.

„Ahriman Verlag“

Der „Ahriman Verlag“ kann seiner Bücher dieses Jahr auf der Messe ebenfalls präsentieren. Der Verlag begreift sich selbst als in der Tradition von Psychoanalyse stehend und beruft sich auf Marx, Freud, Lenin und vor allem Wilhelm Reich. Und tatsächlich finden sich im Programm auch progressive und antifaschistische Bücher die dort vertretenen Positionen wurden aber schon längst zugunsten Menschenfeindlichkeit und Verschwörungsideologien aufgegeben. Zu den aktuell publizierten  Themen des  „Ahriman Verlag“ zählen Antifeminismus, rechte Globalisierungskritik und Antiamerikanismus, Kirchenkritik, Leugnung des Klimawandels, Geflüchtetenfeindlichkeit und Corona-Leugnung.

Der „Ahriman Verlag“ bringt außerdem die antisemitischen „Ketzerbriefe des Bundes gegen Anpassung“ heraus, eines Überbleibsels aus der Zeit der K-Gruppen der 1970er-Jahre. Diese Gruppierung wird als abstruse „rechtslastige Politsekte“ bezeichnet und ist innerhalb der linken Szene im besten Falle umstritten. Die „Ketzerbriefe“ sind inzwischen ein Organ der Coronaleugner-Szene. Der „Ahriman Verlag“ bedient mit solchen Publikationen, wenn auch in einer sehr eigenwilligen Weise, sexistische und rassistische Stereotype und antisemitische Verschwörungstheorien (vgl. Dokumentieren gegen rechts).

Die Buchmesse 2021 in Frankfurt: Wieder ein unsicherer Ort

Verglichen mit den vergangenen Jahren ist die Präsenz von rechten Verlagen auf der Buchmesse in Frankfurt zwar geschrumpft. Und dennoch ist es ein fatales Signal, wenn eine schwarze Autorin und Aktivistin aus Sicherheitsgründen ihre Teilnahme absagen muss. 2017 noch haben es neurechte Akteur:innen geschafft, die Leitung der Buchmesse zu überrumpeln. Seither versucht die Messe einen angemessenen Umgang mit rechtsextremen Verlagen zu finden. Die Option, Verlage mit menschenfeindlichen und demokratiegefährdenden Inhalten in eine schlecht besuchte Sackgasse zu verlegen, hatte 2019 noch gut geklappt. Umso trauriger macht es, dass zwei Verlage aus dem neurechten Netzwerk um den „Antaios-Verlag“ neben den großen Bühnen des ZDF ausstellen können. Philip Stein nennt diese Platzierung „glücklich“ und ruft dazu auf, die Stände zu besuchen. Und genau das ist eben auch das Problem: Rechtsextreme Literatur zieht rechtsextremes Personal an. Und die Anwesenheit von rechtsextremen Menschen bedeutet, dass als Feind markierte Menschen in dieser Umgebung nicht mehr sicher sind. 

Die Rede- und Meinungsfreiheit sei die „Grundlage unserer Branche und jeder Demokratie“, heißt es in einer Pressemitteilung der Buchmesse. „Deshalb können Verlage oder Titel, die nicht gegen das Gesetz verstoßen, auf der Frankfurter Buchmesse präsent sein.“ Sie wolle sich für den Dialog, Toleranz, Respekt und Gewaltfreiheit einsetzen. „Wir wenden uns gegen jede Form von Extremismus, insbesondere wenn er sich gegen die Freiheit Andersdenkender richtet.“ Und dennoch. Mit dieser Entscheidung wird die Buchmesse in Frankfurt wieder zu einem Ort an dem Aktivist:innen, PoC und als fremdgelesene Menschen nicht sicher sein können. 

 

Mit Recherche von Veonika Kracher

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Das erste Mal seit zehn Jahren war der neurechte Antaios-Verlag wieder auf der Frankfurter Buchmesse vertreten. Im Vorfeld bot die Messeleitung uns, der Amadeu Antonio Stiftung, einen Stand direkt gegenüber des rechten Verlags an, um den Rassisten nicht unwidersprochen den Raum zu überlassen. Die Strategie der Neuen Rechten und der „Identitären Bewegung“ ist es, sich bei allem als Opfer und gleichzeitig als Gewinner darzustellen, ganz gleich, ob dies der Wirklichkeit entspricht. So auch auf der Frankfurter Buchmesse. Da wir der Neuen Rechten nicht die Deutungshoheit überlassen wollen, hier nun unsere Einschätzung der Messetage.

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Einsam in Halle 4.1? Die völkische Rechte provozierten auf der Frankfurter Buchmesse 2019

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