MAD: 550 Verdachtsfälle
Der Militärgeheimdienst MAD ermittelt derzeit gegen rund 550 Bundeswehrsoldat*innen wegen Verdachts auf Rechtsextremismus. Dies sagte der Präsidenten des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), Christof Gramm, im Interview mit der Welt am Sonntag. Der MAD ist mit der Abwehr von Spionage und Sabotage innerhalb der Bundeswehr und der Überprüfung von Soldaten auf extremistische Einstellungen betreut – er darf aber keine Disziplinarmaßnahmen ergreifen, das ist Aufgabe der Vorgesetzten der Soldat*innen. In der Bundeswehr dienen derzeit 184.000 Soldat*innen, dazu kommen 80.000 Zivilbeschäftigte.
Im Jahr 2019 waren es 743 Fälle, von denen über die Hälfte, 360 Verdachtsfälle, erst 2019 dazugekommen sind. Insgesamt steige die Zahl der Verdachtsfälle seit 2017 an (da waren es 340), was aber auch einer größeren Sensibilität geschuldet sein könne (vgl. taz). 80 Prozent der Fälle betreffen Rechtsextremismus – wobei da Reichsbürger noch nicht miterfasst sind. 49 Personen wurden im Jahr 2019 wegen Extremismus aus der Bundeswehr entlassen, 46 davon wegen Rechtsextremismus, die übrigen drei wegen Islamismus.
Von den 743 Verdachtsfällen in der Bundeswehr 2019 seien 14 als „Extremisten“ überführt, davon seien 8 Rechtsextreme, 2 Reichsbürger und 4 Islamisten. Als Rechtsextremer wurde auch Maximilian T. eingestuft – einst Freund von Franco A. und Oberleutnant der Bundeswehr, heute Mitarbeiter eines AfD-Bundestagsagbeordneten (vgl. taz, BTN). Dazu wurde 40 Personen eine „fehlende Verfassungstreue“ attestiert – intern die Vorstufe zur Einstufung als Extremist. Einer davon steht unter dem Verdacht des Linksextremismus. 2020 soll es erstmals einen offiziellen MAD-Tätigkeitsbericht geben.
Verdachtsfälle bei der KSK etwa fünfmal so hoch wie beim Rest der Bundeswehr
Besonders viele Verdachtsfälle gibt es in der Eliteeinheit „Kommando Spezialkräfte (KSK)“. Zu dieser Einheit gehören 1.000 Soldat*innen. Im vergangenen Jahr gab es hier 20 rechtsextreme Verdachtsfälle. Damit ist die Zahl der Verdachtsfälle bei der KSK etwa fünfmal so hoch wie beim Rest der Bundeswehr (in Relation zur Personalstärke). Anfang 2019 waren es noch 10 Fälle.
Von den 20 Verdachtsfällen seien inzwischen mindestens 9 Soldaten als Rechtsextreme enttarnt. Gegen sie seien Sanktionen ausgesprochen worden: drei erhielten ein Dienst- und Uniformtrageverbot, ein Soldat wurde entlassen, zwei seiner Kameraden versetzt. Bei einem weiteren stehe die Entlassung unmittelbar bevor. In zwei weiteren Fällen laufe ein Disziplinarverfahren. Nur in einem Fall habe sich der Verdacht als unbegründet erwiesen (vgl. n-tv, Spiegel). In der sogenannten Eliteeinheit KSK ist der Korpsgeist größer als anderswo in der Bundeswehr. Die Einheit ist abgeschottet, auch, weil die Soldatinnen und Soldaten spezielle Fähigkeiten haben und deshalb die Personalrotation in der KSK geringer ist als in anderen Teilen der Bundeswehr.
Es gäbe aber keine rechtsextreme „Schattenarmee“ in der Bundeswehr, so Christof Gramm, das sei vom MAD recherchiert worden: „Dabei haben wir Extremisten und Personen mit fehlender Verfassungstreue erkannt, die sich teilweise auch untereinander kennen. Was wir aber nicht festgestellt haben, ist eine entschlossene ziel- und zweckgerichtete, vielleicht sogar gewaltbereite Gruppe, die unseren Staat beseitigen will.“
Nach einem Netzwerk von Nazis mit Ausbildung an und Zugang zu Waffen klingt das allerdings schon.
Rechtsextreme Reservisten und Reservistinnen
Auch unter Reservist*innen ist Rechtsextremismus ein Thema: In 788 Fällen konnte der MAD dem Personalamt der Bundeswehr gerichtsverwertbare Erkenntnisse zur Verfügung stellen, damit rechtsextreme Reservist*innen vom Dienst ausgeschlossen werden können. Diese Gruppe fiel in der Vergangenheit oft durch das Raster der Sicherheitsbehörden, weil sowohl das Bundesamt für Verfassungsschutz als auch der MAD für sie zuständig waren. Nun wird in der „AG Reservisten“ zusammengearbeitet.
Aus der Praxis: 15 bis 20 Prozent Rechtsextreme in der Bundeswehr?
Laut MAD-Chef Gramm sei es eine Pflicht für Soldat*innen, verfassungsfeindliche Bestrebungen bei Kamerad*innen zu melden. Davon nicht erfasst seien parteipolitische Präferenzen oder Wahlentscheidungen – also etwa für die AfD. Der Wehrbeauftragte der Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), spricht am 27.01.2020 im Interview mit dem Deutschlandfunk von rund 200 Meldungen durch Soldat*innen in 2019.
Bekannt werden Fälle, in denen die Praxis mehr Verständnis für rechtsextreme Soldaten zeigt – und keines für die demokratischen Soldat*innen, die das stört. Im vergangenen Sommer wurde der Fall Patrick J. bekannt: Der Unteroffizier beschwerte sich über rechtsextreme Gesinnung bei Bundeswehr-Soldat*innen, geäußert in Sozialen Netzwerken, aber auch in der Kaserne. In der Regel handelt es sich um so genannte Propagandadelikte. Das heißt, die Zustimmung zur rechtsextremer oder neonazistischer Ideologie zeigt sich durch das Liken und Teilen rechtsextremer Ideologie oder Akteur*innen in Sozialen Netzwerken, das Abspielen rechtsextremer Musik oder das Zeigen von Hitlergrüßen.
Dies sind offenbar Vorkommnisse, die längere Zeit nicht zu größerer Beachtung geführt haben. Weil sie so verbreitet sind? Weil sie als nicht wesentlich angesehen wurden? „Panorama“ hat am 05.03.2020 einen Beitrag über Patrick J. gebracht und dafür auch mit einem aktiven Bundeswehroffizier des Heeres gesprochen, der die These vertritt, rund „15 bis 20 Prozent“ der Soldat*innen würden solche Einstellungen propagieren – und deshalb entlasse man sie nicht, weil dann das Personal fehlen würde. Ein ehemaliger Mitarbeiter des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) argumentiert in eine ähnliche Richtung: Rechtsextreme Soldat*innen würden – trotz eindeutigen Votums des MAD – von Vorgesetzten geschützt, weil sie „Spezialisten“ seien und als solche gebraucht würden: „oder ach, in der Truppe hat er doch noch nichts gemacht.”
J.s Bericht war auch Thema im Verteidigungsausschuss des Bundestages. Interessant hier die Aussage des Obmannes der AfD im Verteidigungsausschuss, Rüdiger Lucassen. Soldat*innen sollten nicht „gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung agitieren“, aber der MAD dürfe auch nicht „großflächige Gesinnungsprüfungen“ durchführen. Dabei bezieht sich Lucassen auf die Recherchen von Patrick J., die auch Thema im Verteidigungsausschuss waren: „Das ist schlimmstes Denunziantentum und wird das innere Gefüge der Truppe schwer beschädigen.“ (vgl. Welt am Sonntag).
Fallschirmjäger-Unteroffizier Patrick J. wurde derweil unehrenhaft aus der Bundeswehr entlassen – seine Dienstzeit wurde nicht verlängert, angeblich wegen fehlender „charakterlicher Eignung“. Grundlage war die Meldung eines angeblichen Fehlverhaltens J.s – durch einen der Soldaten, die J. in seinen Recherchen benannt hatte. Nach „Panorama“-Recherche sind dagegen diverse rechtsextreme Soldat*innen weiterhin im Dienst. Wenn sich gleichzeitig Politiker*innen fragen, was denn gegen Rechstextremismus in der Bundeswehr getan werden könne: Hier ist ein Anknüpfungspunkt. Solange es Vorgesetzte gibt, die mehr geneigt sind, rechtsextreme Soldat*innen zu schützen als die, die sich an ihnen stören, sind unabhängige Beauftragte wohl die einzige Chance, einen Überblick über das Ausmaß der Verbreitung rechtsextremer Ideologie in der Bundeswehr zu bekommen.
Vorfälle, wie sie Patrick J. gemeldet hat:
- Hauptgefreiter auf Instagram: Verehrt die Wehrmacht; im Chat: „Ich bin durch und durch rechts“; in der Schule sei er mehrfach wegen Holocaustleugnung beim Rektor gewesen, er kämpfe „gegen die komplette Selbstaufgabe der weißen Nationen“.
- Oberstabsgefreiter: „Wir sind eh alle Staatenlos … Auf uns kann jederzeit geschossen werden …. Das einzigste was wir sind, sind dumme Arbeiter die einer großen GmbH angehören.“ (Reichsbürger, Verschwörungsideologie BRD-GmbH).
Als Zeuge hat er erlebt:
- Oberfeldwebel über mutmaßliche Flüchtlinge: „Igitt, wo kommen die denn bloß alle her?“
- Als die Truppe beim Marschieren nicht die Formation eingehalten habe, habe ein Unteroffizier angeblich gesagt: „Was würde Hitler sagen, wenn er euch marschieren sehen würde?“
- Soldaten ahmen Adolf Hitler nach, niemand der Kameraden greift ein.
- Ein Soldat schwadroniert in Anlehnung an die Rassenideologie der Nazis über die Existenz eines „Judengens“.
- Im Waschraum der Kaserne wird aus einem Buch zitiert, in dem von den Segnungen der „arischen Kämpferseele“ die Rede ist.
- Ähnliche Vorfälle sind auch aus Presseberichten bekannt: Hitler-Grüße, Rechtsrock bei Feiern, rassistische und antisemitische (Chat-)Kommentare.
All dies passiert nicht-rechten Menschen nicht nebenbei. Es sind bewusste Bekenntnisse erwachsener Menschen zu einer rechtsextremen Ideologie.
Vergleichbar ist übrigens die Schilderung des rechtsextremen Aussteigers Christian Weißgerber, der zu seiner Bundeswehrzeit offener Neonazi war und damit nirgendwo auf Probleme stieß, sondern eher auf Gleichgesinnte (vgl. Tagesspiegel).
Gefahrenpotenzial:
Militärhistoriker Wolfram Wette schreibt in einem Essay in der Süddeutschen Zeitung im Januar 2020: „Radikal rechte Umtriebe in den deutschen Streitkräften sind eine unterschätzte Gefahr, die seit Jahrzehnten heruntergespielt wird. (…) Hinzu kommt der ebenfalls berufstypische Korpsgeist. Er gebietet, Vorkommnisse, die dem Ansehen der Institution Bundeswehr in der Öffentlichkeit schaden könnten, nicht nach außen dringen zu lassen. In der Summe bedeutet das: Es gibt in der Bundeswehr eine Grauzone mangelnder Aufklärungswilligkeit. Sie stellt womöglich das eigentliche Problem dar. Werden rechtsradikale Vorkommnisse öffentlich bekannt, wiegelt die militärische Führung meist reflexartig ab. Sie spricht dann gerne von bedauerlichen „Einzelfällen“, denen selbstverständlich mit aller Sorgfalt und Bereitschaft zur Aufklärung nachgegangen werde. Damit soll die Bedeutung solcher Vorkommnisse heruntergespielt werden.“ Dabei sei das Militär schon lange kein Spiegelbild der Gesellschaft mehr, und es gäbe einen qualitativen Unterschied von Soldaten, die Zugang zu Waffen haben und die im Waffengebrauch ausgebildet sind, zu rechtsradikalen Zivilisten. Soldaten stellten ein potenziell sehr viel höheres Gefährdungspotenzial dar.
Denn sie verfolgen oder verbreiten nicht nur rechtsextreme Ideologie – sie haben auch die Ausbildung und den Zugang zu Waffen, um Gewaltfantasien umzusetzen. Nicht zuletzt hatte der Attentäter von Halle von 2010 bis 2011 Grundwehrdienst bei der Bundeswehr geleistet und bewarb sich 2018 als Zeitsoldat. Allerdings entschied er sich kurz vor dem Bewerbungsgespräch anders (vgl. Spiegel). Auch ein im Februar verhafteter 22-Jähriger (Pseudonym „Heydrich“), der als deutsches Mitglied der rechtsterroristischen „Feuerkrieg Division“ gilt, gab im Chat mit Gleichgesinnten an, er habe eine militärische Ausbildung bei der Bundeswehr absolviert und im Keller seiner Eltern eine Waffe selbst gebaut (vgl. BTN). Für rechtsterroristisch interessierte Kreise ist das interessant: So teilte etwa der Attentäter von Christchurch (Neuseeland), Brenton T., auf seinem inzwischen gelöschten Facebook-Profil Artikel über rechtsextreme Soldaten in der deutschen Bundeswehr (vgl. Spiegel).
Bei der Bundeswehr sind in den vergangenen zehn Jahren mindestens 58 Dienstwaffen „verloren“ gegangen. Am häufigsten fehlen dort halbautomatische Pistolen vom Typ P8, das Schnellfeuergewehr G3 und das Sturmgewehr G36 des Herstellers Heckler & Koch (vgl. Welt, BTN).
Gegenstrategien:
Verbal stellt sich die Bundeswehrführung gegen „Extremisten“, wenn etwa Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sagt: „Jeder, der in irgendeiner Art und Weise radikal bei der Bundeswehr auffällt, hat in der Bundeswehr keinen Platz.“ Die Bundeswehr hat sich zu ihrer Gründung eine Unternehmensphilosophie gegeben, die präventiv wirken soll. Die „Innere Führung“ stellt ein Leitbild in den Mittelpunkt, das Menschenwürde, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verkörpert und den blinden Gehorsam der Kaiserzeit und des Dritten Reiches überwinden sollte (vgl. Deutsche Welle). Ihre Vorgängerin, Ursula von der Leyden hatte nach der Verhaftung von Franco A. (siehe unten) von einem „Haltungsproblem“ der Bundeswehr gesprochen und „falsch verstandenen Korpsgeist“ kritisiert (vgl. Zeit). Ursula von der Leyen erließ in der Folge einen neuen Traditionserlass für die Bundeswehr. Weder die Wehrmacht noch die ehemalige Armee der DDR dürften ein Vorbild für die Truppe sein, legt die Verteidigungsministerin als oberste Dienstherrin fest. „Für die Streitkräfte eines freiheitlichen demokratischen Rechtsstaates ist die Wehrmacht als Institution nicht sinnstiftend“, heißt es wörtlich in dem Papier. Es sollte der in verschiedenen Kasernen praktizierten Wehrmachtsverehrung entgegen treten, entsprechende Devotionalien wurden aus den Kasernen entfernt (vgl. Spiegel).
Und praktisch? Beim KSK hat das Verteidigungsministerium Weiterbildungen „zum soldatischen Selbstverständnis“ initiiert und Leitsätze „als moralische Richtlinie für das Handeln und Auftreten aller Kommandosoldaten“ verteilt. Daneben, heißt es in dem Schreiben, wird das Einstellungsverfahren für die Elitetruppe noch einmal geschärft, um Extremisten schon dort abzuwehren (vgl. Spiegel).
Politische Bildung soll zum Alltag in der Bundeswehr gehören. Ziel sei es, die Kenntnisse der Soldatinnen und Soldaten für die Werte und Normen des Grundgesetzes zu vertiefen, antwortet ein Sprecher des Zentrums Innere Führung auf Anfrage der Deutschen Welle. Angesichts von 180.000 Soldat*innen klingen die Zahlen von rund 1.400 Soldat*innen, die 2017 und 2018 Seminare zur politischen Bildung besuchten, aber eher mager.
Desweiteren wurde 2016 eine obligatorische Sicherheitsüberprüfung für alle eingeführt, die bei der Bundeswehr eingestellt werden sollen. Sie beinhaltet eine Abfrage bei Polizei und Verfassungsschutz, ob Einträge vorliegen. Die gibt es natürlich nur, wenn die Bewerber*innen bereits den Behörden als rechtsextrem aufgefallen sind.
Größere Fälle von Rechtsextremismus mit Bezug zum Rechtsterrorismus in der Bundeswehr:
Franco A. (entdeckt 2017) – noch keine Folgen, Gerichtsverfahren steht an:
Der Oberleutnant war 2017 verhaftet worden, als er eine Waffe aus einem Versteck am Flughafen Wien geholt haben soll. Die Ermittler fanden bei ihm eine Liste mit Namen bekannter Politiker*innen und Aktivist*innen. Der Vorwurf stand im Raum, dass es um die Vorbereitung rechtsterroristischer Anschläge ging. Franco A. hatte sich außerdem eine „Zweitexistenz“ als angeblicher syrischer Geflüchteter erschlichen. Der Mann ist vom Dienst suspendiert. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main stellte im Juni 2018 fest, ein hinreichender Tatverdacht für die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat fehle. Seither stockte die juristische Aufarbeitung. Doch in 2020 soll sich Franco A. nun doch noch vor Gericht verantworten. Ausführlich auf Belltower.News:
und
Maximilian T., Oberleutnant der Bundeswehr, war im Mai 2017 als Komplize von Franco A. verdächtig, das Verfahren wurde aber 2018 eingestellt. 2020 gab der MAD bekannt, ihn gleich wohl als rechtsextrem einzustufen. Er arbeitet aber inzwischen im Bundestag. Vgl. BTN
„Hannibal“ und das „Nordkreuz“-Prepper-Netzwerk (entdeckt 2017) – einige Gerichtsverfahren
Franco A. war auch Teil eines Prepper-Netzwerks, dass sich über Whatsapp organisierte, um sich auf „Tag X“ – den Zusammenbruch der Demokratie in Deutschland – vorzubereiten. Darin: Soldaten, Polizisten, Behördenmitarbeiter. Gründer des „Nordkreuz“-Netzwerks: Ein KSK-Elitesoldat unter dem Decknamen „Hannibal“. Im norddeutschen Teil der Gruppe kursierten Feindeslisten und Tötungsszenarien. Am 21. Juni 2019 heben Beamte des Landeskriminalamtes Mecklenburg-Vorpommern in Banzkow ein Munitionsdepot beim Polizisten und ehemaligen Bundeswehr-Präzisionsschützen Marko G. aus: 1.400 Schuss illegale schwere Munition, eine Maschinenpistole vom Typ Uzi, einen Schalldämpfer, dazu mehr als 30.000 Schuss Munition. Darunter war Munition aus Bundeswehrbeständen (vgl. Nordbayern.de). Marco G. wurde vom Landgericht Schwerin 2019 wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zu einer Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Die Strafe wurde für vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt (vgl. NDR).
„Hannibal“ wurde als der Unteroffizier André S. identifiziert. Er wurde im September 2018 wegen Verstoßes gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz verurteilt (vgl. RND).
https://taz.de/Schwerpunkt-Hannibals-Schattennetzwerk/!t5549502/
Verein Uniter
KSK-Soldat André S. war auch federführend am Verein „Uniter“ beteiligt – gründet als Zusammenschluss aktiver und ehemaliger Spezialkräfte von Bundeswehr und Polizei. Der Verein wird inzwischen vom Verfassungsschutz beobachtet und hat gerade seine Gemeinnützigkeit entzogen bekommen (vgl. taz, II). Er will seinen Sitz nun offenbar in die Schweiz verlegen (vgl. NZZ).
Rechtsextreme Offiziersfeier – ohne Folgen (2017)
Bei einer Abschiedsfeier für einen Offizier im Sommer 2017 zeigte laut einer Augenzeugin eine ehemaliger Oberstleutnant des Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr u.a. einen Hitlergruß (vgl. Panorama); am 27. Februar 2020 beginnt der Prozess vor dem Amtsgericht Böblingen, nachdem der ehemalige Oberstleutnant einem Strafbefehl über 4.000 Euro nicht zugestimmt hatte. Es wurden 70 Zeug*innen geladen, die meisten Kommandosoldaten – in der Untersuchung der Bundeswehr hatten die den Hitlergruß nicht bestätigen können oder wollen. Vor Gericht war es genauso: Das Verfahren wurde eingestellt. Auch Bundeswehr-Disziplinarmaßnahmen gibt es keine (vgl.: Panorama, NDR).
Soldat*innen und AfD:
Auf einem anderen Blatt steht, dass innerhalb der Bundeswehr außerdem das rechtspopulistische und völkisch-rassistische Gedankengut der AfD Anhänger*innen findet. Mehrere frühere Obristen und ein hoher Ex-General engagieren sich für die Partei, teils in Parlamenten. Zu den Soldaten in der AfD gehören:
Andreas Kalbitz, Vorsitzender der AfD Brandenburg, war von 1994 bis 2005 Fallschirmjäger bei der Bundeswehr. Der militärische Geheimdienst MAD wertete ihn zu dieser Zeit offenbar als rechtsextrem. Mindestens drei Gespräche führte der MAD mit Kalbitz. Im Jahr 2001 baten ihn Bundeswehrleute zum Personalgespräch, ein MAD-Vermerk landete in seiner Stammakte. Außerdem ist Kalbitz nach SPIEGEL-Informationen für Reservisteneinsätze gesperrt. Das belegen interne Bundeswehrunterlagen (vgl. Spiegel).
Generalleutnant a.D. Joachim Wundrak (Oberbürgermeister-Kandidat für die AfD in Hannover 2019), Uwe Junge, Oberstleutnant a.D. und Vorsitzender der AfD in Rheinland-Pfalz, Oberst a.D. Georg Pazderski (Landeschef AfD Berlin), Generalstabsoffizier a.D. Rüdiger Lucassen (AfD NRW, jetzt MdB, für die AfD im Verteidigungsausschuss). Ebenfalls für die AfD im Verteidigunsausschuss des Bundestages: Oberst der Reserve Gerold Otten, der Kapitänleutnant der Reserve Berengar Elsner von Gronow, Jens Kestner, der es nach acht Jahren Bundeswehr bis zum Oberfeldwebel gebracht hatte, sowie Jan Nolte, der Oberbootsmann war, als er 2017 von der Marine in den Bundestag wechselte. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Peter Felser war früher Offizier und im Auslandseinsatz in Bosnien – übrigens zusammen mit dem rechtsintellektuellen Strippenzieher Götz Kubitschek.
Die „Bild“-Zeitung berichtete Anfang 2019 über eine Schätzung, wonach 2.100 der 35.000 AfD-Mitglieder Berufssoldaten seien. In der AfD-Bundestagsfraktion (91 Parlamentarier*innen) seien elf Abgeordnete frühere Berufs- und Zeitsoldaten. (vgl. Focus, BILD).