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„Kölner Klagemauer“ verbreitet ungestört Antisemitismus auf der Domplatte

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Als es im Februar 2010 erste Berichte über eine dezidiert antisemitische Zeichnung bei einer Freiluftausstellung, der sogenannten „Kölner Klagemauer“ auf der Kölner Domplatte gab, schien der Fall unschön, aber überschaubar. Inzwischen ist die Situation anders: Die Staatsanwaltschaft Köln lehnt es – mit eigenwilligen Interpretationen – ab, eine Anzeige gegen die Zurschaustellung antisemitischer Stereotype im Herzen Kölns zu verfolgen. Jetzt versuchen Menschen mit Online-Petitionen, mögliche Verantwortungsträger zum Handeln zu bewegen.

Ein bekanntes Motiv

Das Bild ist deutlich, das Motiv hinlänglich bekannt, ebenso alt wie antisemitisch: ein Mann, mit einem Davidsstern als Jude gekennzeichnet, zerteilt mit einem Messer, auf dessen Schneide „Gaza“ steht, und einer Gabel in Farben der US-Flagge ein blutendes Kind, dass durch die „Keifja“ als palästinensisch gekennzeichnet ist. Neben dem Gedeck steht ein Becher voll Blut. Was hier als „Kritik“ an israelischer Politik im Nahostkonflikt gezeigt wird, greift ein antisemitisches Stereotyp auf, dass seit dem frühen Mittelalter zur Verunglimpfung von Juden Verwendung findet: Die „Ritualmord“-Legende, der zufolge Juden zu Pessach christliche Kinder ermorden und ihr Blut trinken und zum Matzen-Backen verwenden würden. Zunächst wurde das Bild von Juden als Kindermördern vor allem im christlichen Kontext verwendet, später gern von den Nationalsozialisten aufgenommen und auch in die islamische Welt exportiert.

Ein erhoffbarer Protest

Kein Wunder also, dass ein Passant, der Kölner Theatermacher Gerd Buurmann, das Kölner „Original“ Walter Hermann anzeigte, als dieser das antisemitische Bild an seine „Kölner Klagemauer“ hängte. Herrmans „Protestwand“ aus Wäscheleinen und Plakaten existiert trotz zahlreicher Proteste auf der Domplatte bereits seit 1991. Zunächst wandte sie sich gegen Obdachlosigkeit und Armut, um dann für den Frieden in der Welt einzutreten und sich ab 2004 im speziellen dem Nahostkonflikt zuzuwenden. Bisweilen fiel Hermann durch fragwürdige Aushänge auf der Grenze zwischen politischer Kritik und menschenverachtender Judenfeindlichkeit auf, allerdings niemals so deutlich wie mit dieser Zeichnung.

Kein Wunder ist es also auch, dass zahlreiche Fraktionen des Kölner Stadtrates – CDU, FDP, die Grünen und die Linken – die Anzeige Buurmanns begrüßten, sich die Kölnische Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit mit einer Anzeige anschloss.

Wer ist für die Staatsanwaltschaft Teil des „Durchschnittspublikums“?

Erstaunlich allerdings ist die Reaktion der Kölner Staatsanwaltschaft auf die Anzeige wegen des Verdachts der Volksverhetzung (und anderem, dokumentiert in Buurmanns Blog „Tapfer im Nirgendwo„). Die Zeichnung sei eine legitime Meinungsäußerung, eine Kritik an Israel, nicht etwa Hetze gegen Juden. Es ginge, so die Staatsanwaltschaft, darum wie „das verständige Durchschnittspublikum den Erklärungsgehalt unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und der Verkehrsanschauung auffassen würde.“ Und die, so meint die Staatsanwaltschaft, sähen Kritik an der „israelischen Militärpolitik und deren Unterstützung durch die Us-amerikanische Regierung. Das Kleinkind soll die Schwäche und Wehrlosigkeit der Palästinenser im Gaza-Streifen symbolisieren.“ Antisemitische Assoziationen hätten nur die „religionsgeschichtlich interessierten und gebildeten Betrachter, insbesondere aber […] jüdische Mitbürger“, und die sollen wohl damit leben. Außerdem, auch eine interessante Auffassung, würden hier Israel und die USA verunglimpft und somit eine in Deutschland lebenden Juden als Teil der inländischen Bevölkerung, deshalb sei „Volksverhetzung“ gar nicht möglich. Außerdem stehe in Frage, ob er öffentliche Friede dadurch gestört sei, es habe wenige Anzeigen gegeben.

Folgen: Keine?

Nachdem die Kölner Staatsanwaltschaft am 14. April die Anzeige abgelehnt hatte, passierte von offizieller Seite nichts. Walter Hermann hat das Bild inzwischen abgehängt und seine „Klagemauer“ wieder für Proteste gegen Armut umgewandelt, will sich aber im Juni wieder dem Nahostkonflikt zuwenden. Gerd Buurmann und Unterstützer versuchen derweil, über Online-Petitionen, aufzuzeigen, dass es doch mehr Menschen in Deutschland stört, wenn mitten in der Kölner Innenstadt antisemitische Hetzbilder verbreitet werden. Es gibt auch Unterstützergruppen bei XING und Facebook. Ein Sprecher des Kölner Bürgermeisters Jürgen Roters sagte gegenüber der „Jerusalem Post“, der Bürgermeister werde bald mit einem Statement an die Öffentlichkeit treten.

Die einzigen, die die „Kölner Klagemauer“ offenbar wirklich bewegt, sind die, die die Kölner Staatsanwaltschaft nicht zum Durchschnittspublikum zählt. Stephan Kramer vom Zentralrat der Juden in Deutschland findet deutliche Worte: „Überall, wo sich ein wütiger Judenhass als legitime politische Aussage tarnt, muss er demaskiert werden. Sonst wird ein wirksamer öffentlicher Kampf gegen die Anstachelung antijüdischer Emotionen nicht möglich sein“. Emmanuel Nahshon, Botschafter des Staates Israel in Berlin,kommentiert: „Ausgerechnet unmittelbar nach dem Yom Hashoa, Israels nationalem Holocaust-Gedenktag, hat ein deutscher Staatsanwalt Israel-Hassern eine Motivationsspritze verpasst. […] Wir sind überzeugt, dass die Karikatur eindeutig antisemitischen Charakters ist und dass sie zu Hass und Gewalt anstachelt.“

Mehr im Internet:

| Blog „Tapfer im Nirgendwo“

| Facebook-Gruppe „Against Antisemitism in Cologne“ / Gegen die Kölner Klage-Mauer“

| Online-Petition „Against Antisemitism in Cologne“

| Website zur Online-Petition

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