Entstehung: Im Januar 2016 schlossen sich der offenen Facebook-Gruppe „Begleitschutz Köln“ rasch tausende Mitglieder an, darunter viele Personen aus dem Türsteher-Milieu. Nach den Ereignissen der Silvesternacht wurden über 20 fremdenfeindliche und rassistische Übergriffe aus dem Spektrum der selbsternannten Begleitschützer bekannt. Bis 2018 stieg die Mitgliederzahl der Facebook-Gruppe auf 15.000. Als der extrem rechte Hintergrund einiger Akteure auf einer Website dokumentiert wurde, gaben sie sich den unverfänglicheren Namen „Internationale Kölsche Mitte“. Inzwischen sind sie zu „Begleitschutz Köln“ zurückgekehrt.
Geschäftsmodell Begleitschutz
Der „Begleitschutz“ war zuerst einmal Geschäftsmodell: Dennis Mocha, ein Musik-DJ der sich 2018 als Sprecher der „Begleitschützer“ inszenierte, gründete einen gleichnamigen Verein und betrieb zeitweise ein „Büro“ am Kölner Hansaring. Auf seiner Website bietet er „sicheren Transport“ für vermeintlich „hilflose Bürger“ durch „motivierte Helfer“ an. Für einen Monatsbeitrag von fünf bis 20 Euro können die Dienste des Vereins in Anspruch genommen werden. Die Polizei warnte vor der rechten Gruppierung – mehrere der Mitglieder seien vorbestraft. Auch die Kölner „Mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus“ ordnet sie „der Hooligan- und Türsteherszene“ zu „mit vereinzelten Kontakten zu offen rechtsradikalen Gruppierungen“.
Vernetzung der Kölschen Mitte
Ein Blick auf die Akteure des „Begleitschutzes“ bestätigt diese Aussage. Neben Mocha tritt der YouTuber Carsten Jahn als Sprachrohr auf. In stundenlangen, tausendfach abgerufenen Videos verbreitet der ehemalige NPDler (2006–2011) aus Radevormwald rechte Verschwörungstheorien. Einen früheren „Piraten“-Politiker und Dokumentaristen der extremen Rechten bezeichnet er als „Nutte(n) des globalisierten Systems“, der „für den Staat“ arbeite. In einem Video hetzt Jahn gegen „die da oben“ und das „Geldsystem“, schwadroniert vom „sogenannten Grundgesetz“, von Zionisten, Rothschild und den „Systemlingen“. Politisch stellt er sich als Mitglied der extrem rechten Minipartei „Haus Deutschland“ vor.
Auch weitere ProtagonistInnen der „Kölschen Mitte“ kommen aus der rechten Szene: Die Aktivistin Cindy K., die mit den bekannten Neonazis Jan Fartas und Paul Breuer der Gruppe „Köln für deutschen Sozialismus“ angehört. Michael K., der ebenfalls diesem Umfeld entstammt, besucht regelmäßig die als Hooligan-Treffpunkt geltende Kneipe „Grüneck“ („Gröneck“). Auf Bildern ist er in der Kleidung einer Rocker-Unterstützergruppierung der „Hells Angels“ zu sehen, deren Mitglieder auch schon im Grüneck aufliefen.
Bei Kundgebungen waren zudem Ulrike H. und Volker F. von der Kleinstgruppierung „Widerstand steigt auf“ mit Transparenten zugegen. Beide stehen mit „Ein Prozent“, dem rechten Blogger David Berger sowie den „Identitären“ in Verbindung. Im Juli 2017 hatte die Gruppe vor einem Kölner Flüchtlingsheim Hassbotschaften gesprüht und dies online dokumentiert. Nach einer Hausdurchsuchung bei Volker F. wurde dieser im Februar 2019 vom Amtsgericht Mönchengladbach aufgrund einer rassistischen Aktion im Skulpturenpark Köln-Stammheim zu einer Geldstrafe verurteilt.
Optisch auffallend ist zudem der kahlköpfige Samy M., der bundesweit als Dauerbesucher äußerst rechter Kundgebungen auffällt. Berühmtheit erlangte er durch das – in einem Fernsehfilm dokumentierte – Zeigen des Hitlergrußes bei einer Kundgebung in Berlin am Tag der deutschen Einheit. Sein Facebook-Profil zierten schon Bilder der extrem rechten Gruppierung „Wir für Deutschland“, das Eiserne Kreuz oder „FCK Antifa“.
Einige Vertreter der „Kölschen Mitte“ zeigen die Verbindungen zwischen Neonazi-Szene und Gruppen aus dem gewaltbereiten Teil des Fußballfan-Spektrums: Zum Beispiel der Hooligan Alfred H. aus dem Umfeld der Fangruppe „Old School“. Er trug bei einer Demo ein Pappschild mit der Aufschrift „Ich bin Jüdin“ – bereits zwei Jahre zuvor hatte er gemeinsam mit dem Neonazi Patrick H. und einer Reichskriegsflagge posiert. Jener Patrick H. hatte Anfang 2016 gemeinsam mit Dominik N. eine Flüchtlingsunterkunft in Köln-Mülheim mit Bengalos attackiert, wobei neun Kinder und drei Frauen nur knapp dem Tod entkamen. Dafür wurden sie lediglich zu Bewährungsstrafen verurteilt.
Moderator und einer der Hauptaktivisten der Facebook-Gruppe ist Markus F. aus Köln. Er ist ebenfalls bestens in der Fußball-Hool-Szene vernetzt und übernahm Organisationsaufgaben beim – 2015 aufgelösten – „Bündnis Deutscher Hools“. In den sozialen Netzwerken bekannte er sich zum Nationalsozialismus und trat gemeinsam mit weiteren Hools aus dem FC-Umfeld bei Aktionen der „Begleitschützer“ auf.
Kundgebungen ab August 2018 in Köln
Ihre erste Kundgebung unter neuem Namen fand am 28. August 2018 mit 80 TeilnehmerInnen statt. Einen Monat später mobilisierte Frontmann Dennis Mocha parallel zum Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Köln etwa 50 TeilnehmerInnen, der kongolesisch-stämmige Aktivist Serge Menga trat als Redner auf. Am 15. Oktober 2018 versammelten sich etwa 20 „Begleitschützer“ hinter dem Hauptbahnhof. Beim Abmarsch unter Polizeibegleitung zum Szene-Treff „Grüneck“ zeigte ein Teilnehmer den Hitlergruß und wurde festgenommen. Den größten Zulauf erreichten die Veranstalter am 4. November 2018: etwa 110 „Kölsche Wutbürger“ trafen sich auf dem zentralen Neumarkt. Im Vorfeld machte eine Videokonferenz die Runde, in der Dennis Mocha mit dem äußerst rechten YouTuber Henryk Stöckl (Junge Alternative) auftrat und unter anderem von einem „Schlag auf den Kopf“ der Gegendemonstranten fantasierte: „Ich glaub das schwappt dann über, dass die Antifa mal dann das bekommt was die meines Erachtens nach braucht.“ An dem Video zeigte sich, dass Mocha bundesweit Kontakte pflegt.
Anschlussfähig gaben sich die „Begleitschützer“ bei ihrer Kundgebung nicht: Zwar wurde Kölsche Musik gespielt, doch neben einzelnen Redebeiträgen fielen die TeilnehmerInnen vor allem durch Provokationen in Richtung Gegenkundgebung auf. Bekannte Neonazi-Slogans wie „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ oder „Frei, sozial und national“ waren zu hören. Skurril wirkte eine Szene, als neun der „Wutbürger“ unter Polizeibegleitung einen Kiosk aufsuchten, um sich trotz Alkoholverbots als Demoauflage mit Bier einzudecken. Wie auch bei den vorangegangen Veranstaltungen waren die antifaschistischen GegendemonstrantInnen mit 300 Personen deutlich in der Überzahl.
Beteiligung an einer Neonazikundgebung in Düsseldorf
Die ProtagonistInnen der „Kölschen Mitte“ verabredeten sich über Facebook sowie über die Videos ihres „heimlichen Vorsitzenden“ Carsten Jahn zu weiteren Kundgebungen in ganz NRW. Als sich am 17. November rund 450 Hooligans vor dem Landtag in Düsseldorf versammelten, befanden sich darunter auch einige Kölner*innen. Mehrfach wurden aus der Gruppe heraus Journalist*innen angegriffen. Das Bündnis „Düsseldorf stellt sich quer“ dokumentierte in einem Video, wie ein Gegenstand – möglicherweise ein Messer – in Richtung der GegendemonstrantInnen und der Polizei geworfen wurde. Neben zwei Düsseldorfer Hooligans wurde ein Aktivist der „Kölschen Mitte“ als Täter benannt.
Ein herber Rückschlag für die „Begleitschützer“ war eine Erklärung der beliebten Kölner Kultband „Bläck Fööss“, als diese sich kurz darauf in scharfen Worten von den „Wutbürgern“ distanzierte und sich gegen das permanente Abspielen ihrer Songs auf deren Kundgebungen verwahrte. Zuvor hatte schon „Arsch Huh“, ein Zusammenschluss Kölner MusikerInnen, die selbsternannten Begleitschützer als „Antidemokraten“ verurteilt.
Festnahmen und Gewalt auf dem Ebertplatz
Den vorläufigen Endpunkt bildeten Veranstaltungen am 25. November und am 9. Dezember 2018. Am 25. November wurde der rechte YouTuber Achim v. M. im Umfeld der Veranstaltung von der Polizei kontrolliert. Gemäß einer Darstellung des Bündnisses „Köln gegen Rechts“ hatte er „Gegendemonstrantinnen in Kampfsportmanier“ angegriffen. Der im Türsteher-Milieu aktive v. M. hatte im Oktober 2017 anlässlich eines Mordes in der Drogenszene am Ebertplatz einen Aufmarsch organisiert. Etwa 60 Hooligans, viele in szeneüblicher Neonazikleidung schlossen sich an. Auch hier wurde der Hitlergruß gezeigt und im Anschluss kam es zu Verfolgungsjagden auf Dunkelhäutige.
Der vorerst letzte öffentliche Auftritt führte am 9. Dezember vom Hauptbahnhof zum symbolträchtigen Ebertplatz – die gleiche Route, die 2014 die gewalttätigen „Hooligans gegen Salafisten“ (Hogesa) genommen hatten. Nur 50 Menschen beteiligten sich, obwohl einige mit dem Tragen gelber Westen wohl an die breiten Mobilisierungen in Frankreich anknüpfen wollten.
Auch hier kam es zu Gewalt und Tumult. Die von Mocha angeführte Demonstration wurde am Ebertplatz aufgelöst, einige TeilnehmerInnen blieben auf dem dort stattfindenden Weihnachtsmarkt. Als der Betreiber eines Glühweinstands sich weigerte, ihnen Getränke auszuschenken, kam es zu Beleidigungen und Schubsereien. Die Polizei schritt ein und erteilte der „Kölschen Mitte“ ein Platzverbot. Die Zeitung „Bild“ titelte: „Rechter Demo-Leiter geht auf Polizisten los“. Mocha sei „ausgetickt“ und hätte die BeamtInnen „körperlich wie verbal“ angegriffen.
Seitdem ist die „Kölsche Mitte“ nicht mehr öffentlich aufgetreten. Ihr Versuch, sich öffentlichkeitswirksam und anschlussfähig zu inszenieren, kann als gescheitert angesehen werden. Auch das Geschäftsmodell des Vereins scheint nicht besonders erfolgreich zu sein. Ihre Facebook-Gruppe ist aber weiterhin sehr aktiv und bietet immer noch eine Austauschplattform für gewaltaffine, rassistische und rechtsoffene Gedanken und eine Vernetzungsmöglichkeit zwischen Personen aus dem Hooligan-, Türsteher- und Neonazimilieu. Die letzten Ereignisse zeigen zudem, dass die Mitglieder des „Begleitschutz“ eine reale Bedrohung für Menschen darstellen, die von ihnen als Feinde identifiziert werden.
Dieser Text wurde zuerst veröffentlicht auf „Der rechte Rand„. Mit freundlicher Genehmigung von Autorin und Magazin.
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