„Und immer tiefer bis rein ins Wurzel-Chakra“, ruft ein Mann mit zuseligem Bart und Batik-Shirt über die Trance-Synthesizer-Klänge. Dazu hopsen vier Jugendliche jeweils vor der eigenen Kamera rhythmisch von einem Bein aufs andere. Der Batik-Bart-Mann, der sich „König Thomas“ nennt, beginnt in sonoren Gesängen „Kanal Telemedial“ ins Mikrofon zu schmettern und steuert unregelmäßige E-Piano-Töne zur Hintergrundmusik bei. Diese oder sehr ähnliche bizarre Szenen lassen sich auf TikTok fast täglich im Livestream-Format beobachten. König Thomas heißt eigentlich Thomas Gerhardt Hornauer, und wem sein Gesicht bekannt vorkam, hat den 62-Jährigen womöglich bei dessen letztem großen Auftritt gesehen: Mit dem Querdenken-Gründer Michael Ballweg auf einer Bühne in einer Kleinstadt nahe Stuttgart um einen Kristall tanzend. Wer diesen Auftritt verpasst hat, könnte Hornauer auch noch aus dem 2008 abgesetzten Esoterik-Sender Telemedial kennen. Denn bis zu seinem neu erworbenen TikTok-Ruhm hat Hornauer bereits eine in vielerlei Hinsicht zweifelhafte Karriere hinter sich.
Mit Erotik und Esoterik zu Vermögen gekommen
Hornauer verdient in den 1990er-Jahren mit Bezahl-Hotlines Geld, auf denen die Anrufer*innen für stattliche Preise Wahrsagerei- oder Telefonsex-Dienste in Anspruch nehmen können. Seine Firma Telekontor produziert, laut SZ, außerdem Erotik-Clips für Privatsender und wirft so beachtliche Gewinne ab, dass er zum Multimillionär wird und sogar die Auffahrt seiner vier Millionen Euro teuren Villa beheizen lassen kann, berichtete der Spiegel 2003. Im selben Jahr kauft Hornauer den bankrott gegangenen, baden-württembergischen Regionalfernsehsender B.TV auf.
Dem folgte ein skandalreicher Streit darum, ob Hornauer tatsächlich eine Sendelizenz erhalten dürfe, der in der Vorführung eines Pornovideos im baden-württembergischen Landtag gipfelt: Die SPD bekommt anonym ein Video zugespielt, auf dem zu sehen ist, wie Hornauer junge Frauen beim Masturbieren filmt. Die Partei führte den Film als Zeugnis dafür ins Feld, dass Hornauer charakterlich ungeeignet sei, eine Fernsehsendelizenz zu erhalten. Auch über Kontakt zur Wankmiller-Sekte wird immer wieder berichtet – einer hierarchischen, öko-esoterischen Lebensgemeinschaft, die sich selbst zunächst als „Stamm Füssen Eins“, später als „Stamm der Likatier“ bezeichnet.
Privatfernsehen mit „Energieausgleich“
Doch Hornauer erhält trotzdem eine Sendelizenz auf Probe, strukturiert das Programm komplett um und nennt den Sender nun B.TV4U – wodurch der neue interaktive Schwerpunkt betont werden soll. In der Umsetzung bedeutet das, dass das Programm nun zum größten Teil aus Esoterik-Call-in-Shows besteht, bei denen die Zuschauenden Wahrsager*innen, Kartenleger*innen oder Hornauer selbst, als universellen Lebensberater, live anrufen können – natürlich gegen extra Gebühren. „Energieausgleich“ nennt Hornauer das und dieser liegt ihm wirklich sehr am Herzen. Mitarbeiter*innen berichten gegenüber der taz von stundenlangen Einzelgesprächen, die an Gehirnwäsche erinnerten. Gleich zu seinem Job-Antritt macht ein Video die Runde, in dem Hornauer seine Mitarbeiter*innen in einer Art Motivationsrede á la The Wolf of Wallstreet anschreit: Er wolle „Krieger“, mit denen er „Millionen verdienen“ könne. Hornauer ist mit seinem Auftritt offenbar so zufrieden, dass er ihn auf der Website des Senders veröffentlichen lässt.
Schon im nächsten Jahr wird ihm die Sendelizenz jedoch entzogen: wegen medienrechtlicher Verstöße, unter anderem wegen Hornauers ausufernder Einmischung in das Programm. Er lässt mehrstündige Interviews mit sich selbst senden und ersetzt Nachrichtensendungen eigenmächtig durch Kartenlegershows. Auch ein*e Jugendschutzbeauftragte*r hat Hornauer trotz mehrmaliger Aufforderung nicht eingesetzt. Er sendet aus Österreich als Privatfernsehsender mit europaweiter Ausstrahlung weiter, bis er auch dort 2008 die Lizenz verliert. „Kanal Telemedial“ nennt Hornauer seinen Sender nun und unter diesem Schlagwort entspinnt er weiteren geschäftstüchtigen, esoterisch-glamourösen Content, den er nach dem Fernseh-Aus ins Internet verlegt.
Völkisches und Lokalpolitik
Hornauer verbreitet schillernde Erzählungen über die eigene Biographie. Er sei der uneheliche Urenkel König Ludwigs II., er habe „Bewusstseinserweiterung“ und „Herzheilung“ bei thailändischen Mönchen gelernt, sei von einem „afrikanischen König“ zum Prinzen gekrönt worden und habe die Religion des „Christbuddhismus“ begründet, der inzwischen „Millionen Menschen“ anhingen. Und „Seine Königliche Hoheit“, wie er sich nennen lässt, erklärt sich zum König des „Vereinten Heiligen Deutschen Reiches“. Das sei eine „Mentaldemokratie“ und erhebe keinen territorialen Anspruch. Auch eine Währung hat Hornauer dafür erfunden: Die „Deutschmarkt“ soll als emotionale Währung der Anfang „einer neuen friedlichen Kulturrevolution für das deutschsprachige Volk“ sein, so steht es auf der Telemedial-Website. Spätestens hier wird deutlich, dass sich Hornauer an scheinbar wirren Versatzstücken bedient, die Narrative aus verschwörungsideologischen Szenen und dem Reichsbürger*innen-Milieu bedienen.
Weitere völkische Anklänge finden sich, als Hornauer seinen Unternehmerdrang 2018 auf die Lokalpolitik ausweitet. Er kandidiert im baden-württembergischen Plüderhausen als Bürgermeister und verkündet in einer mehrstündigen Rede unter anderem, „einen richtig germanischen“ Raum am Marktplatz einrichten zu wollen, in dem junge Leute die deutsche Kultur „trainieren“ könnten. „Wir müssen wieder Traditionen haben.“ Schon 2004 hatte die taz Hornauer mit homofeindlichen und misogynen Aussagen zitiert. Seine Königs- und Reichsfantasien sind also nicht nur implizit regressiv und menschenfeindlich.
Noch in sechs weiteren Orten in der Nähe von Plüderhausen tritt Hornauer als Bürgermeisterkandidat an – erfolglos und mit sinkender Zustimmung. Und da bereits sein erstes Wahlergebnis nur bei knapp fünf Prozent lag, geht es dabei wohl kaum um tatsächliche politische Ambitionen, sondern vielmehr um eine Werbemaßnahme. Die Gelegenheit, Geld einzunehmen, lässt sich Hornauer dann natürlich auch nicht entgehen, indem er den Zeitungsverlag Waiblingen auf 300.000 Euro verklagt, da er an einem von diesem ausgerichteten Podium teilnahm. Erfolglos versteht sich.
Royale Verschwörungsschleuder
Als die Corona-Pandemie Deutschland erreicht, sieht Hornauer im „Querdenken“-Publikum – nicht ohne Grund – wohl genau die richtige Zielgruppe für seine Inhalte. Wie Recherchen von Netzpolitik offenlegten, zahlte er Michael Ballweg, dem „Querdenken“-Gründer, 5.000 Euro für einen gemeinsamen Tanzauftritt. Ballweg organisiert später Austauschtreffen mit Reichsbürger*innen wie Peter Fitzek, ebenfalls selbsternannter König, nur er König von Deutschland, die auch innerhalb der „Querdenken“-Szene zu Empörung führen. Die Tanzeinlage mit Hornauer um einen großen Kristall auf der Bühne ruft jedoch keinen vergleichbaren Aufruhr hervor. Hier wird eher der geschäftliche Aspekt problematisiert. Vielleicht, weil Hornauer zu skurril wirkt, um als ernsthaft ideologisch problematisch wahrgenommen zu werden. Später distanziert sich sogar Hornauer von Ballweg – nicht andersherum.
Seine „Telemediale Lebensschule“ verbreitet Hornauer inzwischen auch auf Telegram. In seinem seit 2021 bestehenden Kanal teilt er demokratie- und menschenfeindliche Inhalte. Videos und Reden von Rechtsextremen wie Peter Fitzek, Björn Höcke oder dem verurteilten Holocaustleugner Nikolai Nerling, außerdem Inhalte, die Impfen als tödlich darstellen und vor der „NWO“ („Neue Weltordnung“) warnen. Dabei handelt es sich um eine klassisch antisemitisch aufgeladene Verschwörungserzählung. Und Hornauer schwadoniert auch außerhalb von Telegram in Reichsbürger-Sprech: Bei der Bürgermeisterwahl in Berglen 2020 beklagt er eine „diktatorische Wahl“, da die Gemeinde, die Bürger*innen aufruft, zur Infektionsvermeidung per Brief zu wählen. Ohne offiziell zur Wahl anzutreten, hängt er zudem Wahlplakate auf und fordert, die Bürger*innen müssten ihn „ohne Auflage eines Ordnungsamtes“ wählen können, wie die Stuttgarter Zeitung berichtet.
Tänze und Drohungen
Letztlich scheint es Hornauer aber die Aufmerksamkeit und Interaktivität der sozialen Medien besonders angetan zu haben. Auch auf TikTok legt er sich 2021 einen Account zu. Größere Reichweite bekommt er Ende 2022 mit seinen TAM-Dance-Livestreams. Inzwischen hat er über 300.000 Follower*innen und seine Videos haben teils über eine Million Views. Der Begriff TAM-Dance steht für „Transzendentalen Aktiv-Meditationstanz“, der letztlich darin besteht, von einem Bein aufs andere zu hüpfen. Andere TikTok-Nutzer*innen schalten sich zu und tanzen, während Hornauer sie musikalisch begleitet – und ihr Tanzen kommentiert. Es sind hauptsächlich Jugendliche, die mit Hornauer im Livestream hüpfen und Hornauers Einlassungen dazu sind mehr als fragwürdig: Von Fatshaming gegenüber einzelnen Tänzer*innen bis hin zu anzüglichen Kommentaren gegenüber Mädchen. Ein Video, in dem er einer sehr jungen Tänzerin schwer atmend erklärt, er beobachte sie schon lange, sie sei seine „Koreakönigin“, macht im Netz die Runde.
Die ZVW fragt sich noch: „Lachen die über ihn? Lachen die mit ihm? Oder finden sie’s einfach irgendwie angenehm seltsam?“. Die Interpretation des YouTubers Rezo ist da eindeutiger: „Natürlich machen die sich über ihn lustig. Ist ja völlig obvious, dass er verarscht wird“, sagt er in einem kürzlich erschienenen Video über Hornauer. Doch wie problematisch Hornauer ist, wird auch hier nicht deutlich. Anders als bei Leon Enrique: Der Journalist und Influencer veröffentlichte vor Kurzem ein Video, in dem er auf Hornauers Vergangenheit und die Rechtslastigkeit und verschwörungsideologische Prägung von dessen Inhalten hinwies. „Ich kannte Hornauer als diesen kruden Typen von Telemedial“, berichtet Enrique gegenüber Belltower.News. „Als er mit seinen Livestreams dann viral ging, hatte ich den Eindruck, dass der Umgang damit auf der Plattform zu unkritisch war.“
Nach seinem Aufklärungsvideo zu Hornauer, greift dieser Leon Enrique in einem Livestream massiv an. Hornauer bezeichnete ihn als „Meinungsfaschisten“, wirft ihm „Rassismus gegen Könige und Impfgegner vor“, er schwurbelt von staatlich orchestrierter Diffamierung gegenüber Menschen, die „die Wahrheit“ verbreiten würden und mundtot gemacht werden sollten. Er beleidigt Enrique auch rassistisch und ruft seine Zuschauer*innen dazu auf, dessen Adresse herauszufinden. „Doxxing“ heißt diese Praxis, Klarnamen und sensible Daten von unliebsamen Plattform-Nutzer*innen gegen deren Willen zu veröffentlichen. Der „König“ droht Enrique auch mit Post von seinem Anwalt: Er werde eine Unterlassungserklärung erhalten und sie würden sich vor Gericht wiedersehen. Enrique ist von dieser Einschüchterungstaktik unbeeindruckt, er hat sich mit seinen Recherchen schon oft Feinde im rechtsextremen Spektrum gemacht.
Doch auch wenn die meisten seiner Follower*innen Hornauer als ironisches Spektakel betrachten sollten, die Reichweite bringt ihm auch ernsthafte, verschwörungsfreudige Gefolgschaft und vor allem Geld: Auf TikTok können Nutzer*innen gegen Bezahlung „Geschenke“ erhalten, um sie an andere Nutzer*innen zu senden, und diese können ab einer bestimmten Zahl in Diamanten getauscht werden und diese wiederum in „echtes“ Geld. Ob also ironisch oder nicht, am Ende profitiert ein Unternehmer mit verschwörungsideologischen, wissenschaftsfeindlichen und völkischen Inhalten.