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Köpfe der Coronaproteste Wer ist eigentlich Alexander Ehrlich?

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Empört berichtet Alexander Ehrlich auf dem Telegram-Channel von "Europeans United" von den "Angriffen" der Polizei "mit Wasserkanonen" (Wasserwerfern). (Quelle: Screenshot)

Die Gewalteskalation in Brüssel am 23.01.2022 schmerzt Alexander Ehrlich. Sagt er. Immerhin sieht der 41-Jährige sich selbst als „Friedensaktivisten“, der – diesmal unter dem Label „Europeans United“ – den „March for Freedom, Democracy and Human Rights“ am 23.01.2022 mit organisiert hat, wie er selbst in Telegram-Videos erzählt. Und „99,9 Prozent“ der Veranstaltung seien auch „absolut friedlich“ gewesen. Aber dann waren da die „200 bis 300 schwarz vermummten Provokateure“, die Krawall gemacht hätten, „damit die Medien ihre Bilder bekommen“. Das klingt wie „Willkommen in der Welt der Verschwörungserzählungen“, aber Ehrlich meint (diesmal) gar nicht, dass es staatlich bezahlte Provokateure gewesen seien. Er dachte an gewalttätige Antifa-Provokationsgruppen, aber seit rechtsextreme Akteure wie Martin Sellner ihm vorwerfen, Antifa-Gruppen auf die Demonstration mit eingeladen zu haben, fragt Ehrlich sich doch, ob es nicht „Nazis“ gewesen sein könnten.

Auf dem rechten Auge sehschwach

Es gibt also in der Szene Stress nach der Demonstration mit 50.000 Teilnehmenden aus dem europäischen Coronaproteste-Umfeld, der Demonstration mit diversen Teilnehmenden aus dem rechtsextremen Spektrum und aus verschwörungsideologischen QAnon-Gruppen. Sogar Morddrohungen habe er aus der eigenen Szene bekommen, beklagt Ehrlich. Weil er früher mal Stadtführungen zum Thema „Geister“ in Wien gemacht habe, werfe man ihm „dunkel-spiritualistische Ziele“ vor. Man sollte sich seine „Freund:innen“ eben gut aussuchen. Attila Hildmann ist jedenfalls keiner. Weil Ehrlich immer viel von Frieden redet, ergießt sich Hildmanns Zorn über den bärtigen Mann mit dem Schlapphut: „Dieser ehemalige Stadtführer für Vampirtouren in Wien hat die Österreicher lange genug im Kreis geleitet und ihnen verbal die Eier abgeschnitten mit seinem Friedensgefasel.“

Dies alles konnte Alexander Ehrlich aber natürlich überhaupt nicht kommen sehen. Denn er hatte seit seinen Anfängen in der Coronaproteste-Szene Österreichs in 2020 eine ausgeprägte Rechts-Sehschwäche. Wo etwa andere Busunternehmer wie der Begründer aus der Organisation „Honk for Hope“ ausstiegen, als diese zunehmend Anfragen aus dem rechtsextremen Reichsbürger- und Verschwörungsmilieu bekam, übernahm Alexander Ehrlich den Vorsitz von „Honk for Hope“ und erklärte, die Menschen würden in den Bussen zwar gern keine Masken tragen (vgl. RND, Welt), aber es sei der berühmte Querschnitt der Gesellschaft, die er zu den Coronaprotesten brachte, erstmals zur Großdemonstration am 01. August 2020 in Berlin, und er könne beim besten Willen keine Nazis erkennen.

Über die Frage, wie viele Menschen er nach Berlin transportierte, gibt es zwar keinen Konsens – je nach Perspektive schwanken sie zwischen 50.000 und 200.000 (seine Angabe). Zumindest wurde dem Österreicher wohl spätestens zu dieser Gelegenheit klar: In einer Pandemie, die die Reisebranche praktisch zum Erliegen bringt, ist nichts lukrativer, als die einzigen Menschen zu befördern, die die Pandemie leugnen und deshalb reisen wollen. Der Welt gegenüber sagt er 2020: „Die Querdenker sind ein Segen für die Branche. Sie wollen mit dem Bus fahren, wir brauchen Fahrgäste – das ist eine Win-Win-Situtation.“

Übers Geschäft in den Aktivismus

Zumindest lässt sich gut nachvollziehen, dass Alexander Ehrlich zuvor keine politische Agenda hatte – das ist heute anders: Oft wird er inzwischen als „Streamer“ und „Aktivist“ beschrieben, sendet auf allen Social Media Kanälen, ist gern gesehener Redner auf Demonstrationen in Österreich und Deutschland, und wenn es in den Beiträgen nicht um Liebe und Frieden und Menschenrechte geht, dann liest er eben mal eine Hitler-Rede vor dem KZ Mauthausen vor, um seinen Mitstreiter:innen das Gefühl zu geben, sie wären „die Juden“ in der „Corona-Diktatur“. Holocaustrelativierungen sind zwar vielleicht nicht so bürgerlich, gehören aber für Ehrlich offenbar auch dazu (vgl. Der Standard).

Bis Alexander Ehrlich mit der Pandemie zu einem der prominenten Köpfe der Coronaprotestierenden und Impfgegner:innen wurde, hielt sein Leben eine rechte bunte Biographie bereit, die er auf seiner eigenen Website ausführlich beschreibt. Nachdem er als Alexander Bachner im österreichischen Mödling geboren worden war, wurde er nach eigenen Angaben von der ersten gleich in die vierte Klasse versetzt, und als der Überflieger, der er fortan war, hielt es ihn nie lang: Es gab mehrere Studiengänge, eine Vielzahl von Berufen vom Übersetzer bis zum Webdesigner, mehrere Ehefrauen und Kinder, Ehrlich machte einige Stadtführungen und Jobs für die Tourismusbranche und schließlich flog eine Fledermaus in sein Schlafzimmer – „der Beginn der Auseinandersetzung mit der Fledermauskunde“. Das mag absurd klingen, war aber offenbar der Beginn einer großen Liebe zur Fledermaus und führte u.a. zu der Stadtführung „Geister, Gespenster und Vampire – gruseliges Wien“, offenbar seine erfolgreichste Stadtführung vor Corona – und der Grund, warum ihm „Mitstreiter“ nun dunkle Machenschaften unterstellen. Vor allem aber betrieb er die Reiseagentur „City Tours“ mit mehreren Büros in Österreich, Italien und Polen, spezialisiert auf Busreisen – und stark betroffen durch die Pandemie, was ihn in die Coronaprotest-Szene führte. Wie er einem Magazin der Szene erzählte, sei es der (etwas unbescheidene) Versuch gewesen, „das europäische Busgewerbe vor dem ökonomischen Untergang durch die Anti-Corona-Maßnahmen zu retten, das ich in den ‘politischen Aktivismus’ gebracht habe.“ Das Magazin kommentiert: „Das Virus wurde zur Nebensache, für Ehrlich geht es längst ums Ganze.“ Und das wären Frieden und Gerechtigkeit und der Protest gegen die Einschränkungen der Grund-, Bürger- und Freiheitsrechte.

Also startete Alexander Ehrlich, der selbst kein Busunternehmer ist, sondern Reiseveranstalter, in der Initiative #Honksforhope, die er ab Sommer 2020 als Sprecher übernahm. In Deutschland war er schnell verbandelt mit den Querdenkern um Michael Ballweg und den Aktivist:innen Michael Bründel und Susanne Kühler von der „Freedom Parade“ in Berlin. Seither haben Aktionen von Ehrlich immer wieder Schlagzeilen gemacht: Er gilt als „Erfinder“ des roten Kreuzes auf Masken als „Zeichen des Widerstandes“, ruft in Österreich immer wieder zum „Warnstreik“ gegen den „Impfzwang“ auf (vgl. Wiener Zeitung). Er meldet regelmäßig Kundgebungen und Demonstrationen an – denn nur wenn die Coronamaßnahmen-Gegner:innen Ziele haben, fahren sie auch Bus. Dabei bemüht Ehrlich sich inzwischen – ebenso wie sein Freund Markus Haintz – sich von Organisationen fernzuhalten, betrieb sogar einen „Mitmach“-Telegram-Channel der „Namen- und labellosen Teams“, denn: „Eine Volksbewegung kann man nicht organisieren, nur inspirieren“ (Gruppenbeschreibung). Den Kanal hat er inzwischen nach eigenen Angaben an ein Admin-Team abgegeben, die aber viel Beiträte aus seinem persönlichen Kanal teilen. Manchmal nennt er sich und Bekannte auch „Die Namenlosen für den Rechtsstaat“.

Mehr Demonstrationen, mehr Busfahrten

Bei so viel Einsatz für die Rechtsstaatlichkeit ist es für Ehrlich umso bedauerlicher, wenn Rechtsextreme „seine“ Demonstrationen für Gewalt nutzten. Nur deshalb, so berichtet Ehrlich auf einem seiner zahlreichen Telegram-Kanäle, hätten er, Markus Haintz und Michael Scheele sich „zwischen die vermummten Provokateure und die Polizei“ gestellt, hätten „an der Polizeikette zu deeskalieren“ versucht, wollten ins Gespräch gehen, aber die Antwort seinen „Angriffe mit Wasserkanonen“ gewesen – „Ja, die Demonstration wurde ja nicht nur aufgelöst, sondern angegriffen“.

Ein Grund zum Aufhören ist alles für Ehrlich allerdings nicht: Aktuell ruft er für den kommenden Mittwoch zur Demonstration nach Berlin auf („Es geht um alles“), wenn im Bundestag über eine mögliche Impfpflicht in Deutschland diskutiert wird.

Mit den „Europeans United“, einer weitestgehend gesichtslosen Social-Media-Mobilisierungsgruppe, ruft er übrigens auch nach Berlin auf, dann aber am 30.07.2022, dann wieder mit einem andeutungsvoll an QAnon angelehnten Demonstrationsmotto „All for one and one for all“.


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