Mitten im fünften Monat, wenn der Frühling in seiner ganzen Pracht erblüht, steht ein auf den ersten Blick unscheinbar wirkendes Datum, das auf den zweiten jedoch eine tiefe Bedeutung in sich trägt. Jährlich am 17. Mai begeht die Welt den Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit (IDAHOBIT). In der deutschen Kaiserzeit war der Spruch „am 17. Mai geboren“ eine abfällige Bezeichnung für homosexuelle Menschen. Die Ziffernfolge des Spruches ergab sich aus der Zahl 175. Denn der Ursprung liegt in §175 des Reichsstrafgesetzbuches, der 1872 in Kraft trat und die „widernatürliche Unzucht“ zwischen Männern kriminalisierte.
Unter dem Deckmantel des Paragraphen entfesselte vor allem das nationalsozialistische Regime eine gnadenlose Verfolgungswelle gegen die queere Community. Die Tatbestände wurden auf „unzüchtige Handlungen“ und „unsittliche Verdorbenheit“ ausgeweitet, was die Willkürlichkeit der Repressalien ausufern ließ. Auch mit der Verschärfung des Strafmaßes bis auf zehn Jahre Zuchthaus wurde das Ende der Fahnenstange nicht erreicht. Kennzeichnend für die Unterdrückung war der Rosa Winkel, der als sichtbares Stigma auf KZ-Uniformen angebracht wurde, um Homosexuelle von anderen Häftlingsgruppen zu isolieren und sie gezielter Demütigung und Misshandlung auszusetzen.
Erst 1994 wurde in der Bundesrepublik §175 StGB ersatzlos gestrichen. Ein Armutszeugnis, dass es so lange gedauert hat. Denn „bereits“ 1990 hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) entschieden, Homosexualität als psychische Störung endlich zu streichen. Und hier zeigt sich übrigens die schicksalhafte Fügung des Datums. Der Beschluss der WHO war genau am 17. Mai 1990 erfolgt.
Zwischen Erwachen und erhöhter Wachsamkeit
Am 17. Mai 2005 fand der erste Internationale Tag gegen Homofeindlichkeit – im Laufe der Jahre wurden auch Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit mit einbezogen – statt. Rund 24.000 Einzelpersonen sowie diverse Gay-Rights-Organisationen unterzeichneten einen Appell zur Unterstützung der „IDAHO-Initiative“. Events dazu gab es in zahlreichen Ländern, darunter die ersten LGBTQ-Veranstaltungen überhaupt im Kongo, in China und Bulgarien. Gute Anfänge. Doch die Feierlichkeiten zu dem freudigen Erwachen werden mittlerweile stark getrübt, und es wird zurecht zur erhöhten Wachsamkeit gegen antidemokratische Entwicklungen aufgerufen. Denn es gibt Rückschläge für die Gesellschaft und somit für die Regenbogen-Community.
Konservatismus, Populismus und Fundamentalismus gewinnen weltweit wieder an Einfluss. Nach Jahren des Fortschrittes erleben LGBTQ-Menschen nun Stimmungsmache und Gesetze, die von moralisierender Ächtung geprägt sind. Es bilden sich dabei unheilige Allianzen. Hierzulande scheint sich das ABC der Demagogie buchstäblich aus AfD, BSW und CDU/CSU zusammenzusetzen. Währenddessen tragen seit dem 7. Oktober 2023 viele woke Zeitgenoss*innen ihren Antisemitismus wie eine Monstranz vor sich her. Auf „pro-palästinensischen“ Demonstrationen bekunden angebliche Progressive ihre Sympathie für einen rechtsextremen, fundamentalistischen Verein namens Hamas. Die sexualisierte Gewalt, die von jener islamistischen Terrorgruppe massenhaft gegen jüdische, israelische und internationale Frauen verübt wurde, wird von erklärten Feminist*innen, trotz Bestätigung durch die UNO, felsenfest geleugnet oder sogar als „Widerstand“ gefeiert. Gruppen wie „Queers for Palestine“ bejubeln die berüchtigt homofeindlichen Hamas-Milizen als „Freiheitkämpfer“.
Pogrome und Pinkwashing
Seit rund sechs Jahren helfe ich ehrenamtlich mit bei der Betreuung queerer palästinensischer Geflüchteter. Das, was diese tapferen Menschen an Grausamkeiten vor allem seitens der Hamas, nur wegen ihrer Sexualität, erlebt und knapp überlebt haben, ist entsetzlich. In der BRD angekommen, werden sie – ohne dass ihre Wunden verheilt sind – dann aufgrund ihrer Herkunft zusätzlichem Hass ausgesetzt. Dazu werden queere Muslim*innen oft innerhalb von migrantischen Subkulturen angefeindet und ausgegrenzt. Nun jedoch steigt der Druck umso mehr, weil erwartet wird, dass sie gemeinsam mit fahnenschwenkenden, kufiyatragenden White Saviors die Straßen und die Universitäten im Namen der Intifada unsicher machen.
Denn die „pro-palästinensische“ Clique interessiert sich kaum für das Leid queerer Palästinenser*innen. Denjenigen, die auf diese Problematik hinweisen, wird Pinkwashing oder sogar Islamophobie vorgeworfen. Man behauptet, sie würden Hasbara betreiben, also Werbung für die Belange Israels machen. Fakt ist, selbst israelkritische NGOs haben die Queerfeindlichkeit der palästinensischen Behörden dokumentiert und verurteilt. Prominent zum Beispiel Amnesty International, die in ihrem 2021 veröffentlichten Jahresbericht über Menschenrechtsverletzungen in Palästina melden: „Frauen waren Diskriminierung und geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt bis hin zu Tötungen. Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Intergeschlechtliche wurden weiterhin diskriminiert und genossen keinen Schutz“ und ergänzt dass Queers „weiterhin die freie Ausübung ihrer Rechte verweigert“ werde.
Sogar das umstrittene Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) publizierte einen Leitfaden für sein Personal zur Gleichbehandlung aller Geschlechter und Gender. Die Hamas ätzte sogleich gegen UNRWAs Diversity-Handbuch, weil es ihrer Ansicht nach „Abweichung und moralischen Verfall“ förderte. Das war im September 2023. Keine drei Wochen später überfiel die Hamas den jüdischen Staat, die einzige Demokratie der Region, und beging den tödlichsten Massenmord gegen Jüdinnen*Juden seit dem Holocaust.
Bereits an diesem 17. Mai wird der Regenbogen wieder von Wolken überschattet, und dabei bleibt es nicht. Die BDS-Community strebt in Berlin eine Neuauflage ihrer umstrittenen CSD-Alternative an. Der „Internationalist Queer Pride“, bei dem die ,,palästinensische Befreiung“ erwatungsgemäß eine zentrale Forderung sein wird, möglichst ohne Kritik an der Hamas und ihrer menschenfeindlichen Haltung.