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Kommentar Die Demokratie zu dämonisieren ist Populismus. Immer.

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Anetta Kahane ist Vorsitzende des Vorstands der Amadeu Antonio Stiftung (bis Ende März 2022); Foto: MUT

Warum in aller Welt soll man dieser Partei mit dem albernen roten Pfeil auch noch Wahlhilfe leisten, indem man über jedes Stöckchen springt, das sie hochhält? Zum Beispiel die Aussage einer der Parteigänger über einen tollen Fußballspieler, den die meisten gern zum Nachbarn hätten. Die große Aufregung darüber ist so eine Zwickmühle. Einerseits: wie soll man sich über Rassismus nicht aufregen? Andererseits bringt das den Rassisten immer weitere Punkte.

Die andere Frage ist: Wieso braucht es für eine solche berechtigte Aufregung eigentlich diese Partei und ihre Figuren? Solche Dinge geschehen jeden Tag. Rassismus ist in Deutschland ein riesiges Problem, das noch dadurch angefeuert wird, dass dieses Land ihn ständig ignoriert, vertuscht oder abstreitet. Wenn man das aber so macht und behauptet, es gebe ihn gar nicht, wie in aller Welt kann man den Rassismus dann bekämpfen? Wenn es keine Klarheit, keine Grenzen oder roten Linien gibt, zu denen wir uns verhalten, wie kann man erwarten, dass Rassisten sie nicht ständig zu übertreten und zu verschieben versuchen? Noch dazu, wenn sie dafür jedes Mal Beifall oder bestenfalls ratlose Empörung erhalten? Das gleiche gilt auch für andere Bereiche: die blaurote Partei hat eine ganze Reihe Abgeordneter, und es werden sicher noch mehr. Für die parlamentarische Arbeit gibt es Regeln und Geld. Was, wenn diese Leute mit beidem umgehen, wie es ihnen passt, und jeden Maßstab verletzen? Und auch dafür Beifall und Schenkelklopfen ernten?

Hat nicht das verallgemeinernde Politikerbashing als Volkssport dazu beigetragen? Die grundsätzliche Respektlosigkeit gegenüber der Demokratie, ihren Institutionen und Repräsentanten steht seit langem in keinem Verhältnis zu deren Leistungen und Möglichkeiten. Wer sich mit den Wegen demokratischer Prozesse nicht beschäftigen will, wer keine Lust hat, richtig hinzuschauen, ob und in welcher Weise Abgeordnete ihren Job gut oder schlecht machen, sondern alle generell beschimpft, ist selbst ein Populist. Egal ob er wählt und wen er wählt. Die Blauroten profitieren jetzt davon.

Wir müssen lernen, ebendiese Demokratie zu verteidigen

Die Furcht, immer wieder in die Zwickmühle zu geraten, weil jeder Verstoß durch die Populisten ihnen gleichsam zur Werbung dient, mag berechtigt sein. Doch sie bleibt es nur, solange die Furcht oder Fassungslosigkeit im Mittelpunkt steht und nicht das entschlossene demokratische Handeln. Vielleicht sind die Formen der Partizipation durch die Bürger veraltet, vielleicht gibt es tatsächlich Bedingungen, die Gestaltung behindern – vielleicht ist die Demokratie aber doch besser als ihr Ruf. Sie zu kritisieren ist Bürgerpflicht. Aber nicht mit dem Ziel, sie abzuschaffen, zu zerstören und alle ihre Regeln zugunsten eines diffusen „Volkswillens“ in die Tonne zu treten. Das soll und wird nicht geschehen. Doch dafür müssen wir lernen, ebendiese Demokratie auch zu verteidigen und gegen Zumutungen in Schutz zu nehmen. Und zwar nicht wegen der Pfeilpartei, sondern wegen der Instrumente dieser Demokratie, die Rassismus und plumpe autoritäre Anmache zu ahnden in der Lage ist. Diese Instrumente zu schärfen und ihre Anwendung einzufordern ist nun Sache der Bürger*innen.

Was das bedeutet? Ganz einfach: Die Demokratie zu dämonisieren ist Populismus. Immer. Was wir aber verlangen können, sind andere, bessere Zugänge. Und was wir von uns verlangen sollten, ist eine faire Einschätzung dessen, was die demokratischen Institutionen und die, die für sie arbeiten, konkret für die Bürger*innen leisten.Und noch was: Rassismus ist immer ein Skandal, nicht nur bei einem Fußballspieler der Nationalmannschaft. Also muss der Rechtsstaat gedrängt werden, hier auch immer zu reagieren, ganz gleich wie peinlich das für ihn und seine Institutionen werden wird. Darauf darf uns nicht erst die Pfeilpartei bringen! Aber wenn sie es tut, dann ist nicht Ratlosigkeit gefragt, sondern selbstbewusstes und konsequentes Handeln dagegen.

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).

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