
Die Wahl gewonnen hat eine Partei, die einen offen rassistischen Wahlkampf geführt hat und in geflüchteten Personen den Hauptgrund aller gesellschaftlichen Probleme markierte. Anstatt sich mit Islamismus auseinanderzusetzen und Lösungen jenseits von Abschottungsphantasien zu erarbeiten, übernahm die CDU, wie auch alle anderen demokratischen Parteien, den 2017 von der AfD salonfähig gemachten Begriff der „irregulären Migration“ und hat bereits bewiesen, dass sie keine Hemmung hat, potenziell verfassungsfeindliche Vorschläge zur Entrechtung von Menschen in den Bundestag einzubringen.
Dicht gefolgt wird die CDU dann auch von der AfD, die nach bisherigem Stand der Auszählung von jedem fünften gewählt wurde. In Thüringen und Sachsen wählten sogar vier von zehn Menschen AfD, in Bayern liegt die Partei im ländlichen Raum bisher überall direkt hinter der CSU, mit oftmals 30 Prozent und auch im ländlichen Raum in Rheinland-Pfalz sieht es nicht anders aus. Über 11 Millionen Menschen haben ihre Stimme einer rechtsextremen Partei gegeben.
Dieses Wahlergebnis ist eine Katastrophe für Betroffene von Rassismus, deren Lebensrealität, schon jetzt geprägt von Hass und Hetze, nun noch gefährlicher werden wird. Die entmenschlichende Sprache der letzten zwölf Monate, derer sich alle Parteien bedienen, hat bereits zu einer noch stärkeren Bedrohung für Leib und Leben von Menschen geführt. Wir müssen davon ausgehen, dass dies nun noch weiter zunehmen wird.
Der Versuch der Union, durch Übernahme von AfD-Positionen, den Rechtsextremen Stimmen abzujagen, ist gescheitert. Die CDU/CSU hat Wähler*innen an die AfD verloren. Das Wichtigste ist nun, dass wenigstens der demokratische Minimalkonsens, nicht mit Rechtsextremen zusammenzuarbeiten, gehalten wird.
Unterzeichnen Sie hier die Petition der Amadeu Antonio Stiftung für die Koalitionsverhandlungen: Regierung in der Pflicht: Demokratie verteidigen!
Für Betroffene von Rassismus gibt es jedoch auch so schon keinerlei Verlässlichkeit mehr im Parlament, weil sich zukünftige Kanzlerpartei und stärkste Oppositionskraft darin einig sind, dass BIPoC Bürger*innen zweiter Klasse sind. Das Recht auf Unverletzlichkeit der Würde und auf Gleichbehandlung, wie es im Grundgesetz festgeschrieben ist, steht zur Disposition.
Die Parteien der Ampel-Koalition haben dieser Politik gegenüber Geflüchteten und Migrant*innen kaum etwas entgegenzusetzen, denn SPD und Grüne haben die bisher restriktivsten Asylgesetze eingeführt und rassistische Narrative bedient, um vermeintliche Lösungen für den Umgang mit islamistischen Attentaten zu präsentieren.
Hier geht es nicht um politische Haltungen. Hier geht es um die grundlegende Frage, was wir für eine Gesellschaft sein und wofür wir in Europa stehen wollen: Dass das Recht auf Asyl im Grundgesetz verankert wurde, war eine direkte Reaktion auf die historischen Erfahrungen der Vertreibungen und Verfolgungen, der Millionen von Menschen durch die Verbrechen der Deutschen ausgesetzt waren. Es sollte einen symbolischen Bruch mit der nationalsozialistischen Vergangenheit darstellen: Der Schutz von politisch Verfolgten war nicht nur ein grundlegendes Menschenrecht, sondern auch ein zivilisatorischer Fortschritt – ein Versprechen, nicht nur als moralische Verpflichtung, sondern als nationales Gesetz.
Der sogenannten „Asylkompromiss“ von 1993 war eine unverzeihliche Zäsur und ein Verrat an dem ursprünglichen Gedanken. Die verschärfenden Gesetzgebungen, die in den 2010 Jahren folgten, eine schon fast natürlich anmutende menschenrechtsfeindliche Folge.
Die Situation, die wir heute haben, ist dennoch schlimmer denn je: Dass Geflüchtete Menschen sind, die Schutz suchen, um ihr Leben retten zu können, ist ein Gedanke ohne politische Konjunktur…
Schon die gesundheitliche Grundversorgung von Geflüchteten ist akut gefährdet: In der ARD-Wahlarena sagte der zukünftige Kanzler dieses Landes, Friedrich Merz: „Wir können doch nicht für Hunderttausende von Menschen, die hier kein Aufenthaltsrecht haben, psychiatrische Hilfe bereitstellen, diese Menschen müssen das Land verlassen.“ Kürzungen sind für dieses Jahr bereits angekündigt. Theresa Schmidt arbeitet als Sozialarbeiterin mit Überlebenden von Folter und Kriegsgewalt und befürchtet, dass über die Hälfte der Förderung wegfallen könnte: „Eine Entscheidung, die schwertraumatisierten Geflüchteten ihre Chance auf lebenswichtige Versorgung verweigert, einfach nur, weil sie aus einem anderen Land fliehen mussten. Die psychische Gesundheit von traumatisierten geflüchteten Menschen ist spendenabhängig – und das darf so nicht sein!“
Klar ist: Die Imitation der AfD in Rhetorik, Verschärfung und Vermischung von Asyl- und Migrationspolitik durch demokratische Parteien hat der AfD als „Original“ eher genutzt als geschadet. „Der immer stärkere Abbau von grundlegenden Rechten und gleichberechtigten Zugängen für Geflüchtete wird den rechten Mob nicht befrieden. Aber sie höhlen unsere Demokratie mit Schutz für vulnerable Minderheiten weiter aus“, erklärt Stephan Jäkel, Abteilungsleitung Flucht bei der Schwulenberatung Berlin.
Einer kritischen Zivilgesellschaft den Rücken zu stärken, das ist jetzt wichtiger als jemals zuvor. Niemand muss von dieser rassistischen Politik direkt betroffen sein, um betroffen zu sein. In den kommenden Monaten werden viele Menschen Angst um ihre Zukunft haben. Viele haben sie jetzt schon. Doch in einer Demokratie ist niemand auf sich allein gestellt – sie lebt von uns allen. Wenn wir nicht möchten, dass Ausgrenzung, Hass und Hetze unser Land bestimmen, dann müssen wir nun gemeinsam dagegenhalten: Schutzräume schaffen, Aufklärung stärken, Solidarität sichtbar machen.