Nun, es hat mit vielen Unsicherheiten für die Engagierten gegen Rechtsextremismus angefangen. Die staatlichen Förderprogramme gegen Rechtsextremismus waren noch Theorie, ihr Konzept unklar und viele Projekte mussten deshalb ihre Arbeit einstellen. Dann, als die Programme ausgeschrieben wurden, stellten sich andere Fragen. Würde die de facto Abwendung von den Akteuren der zivilen Gesellschaft hin zum verstärkten Einfluss der kommunalen Verantwortlichen zu besseren Effekten bei der Arbeit gegen Rechtsextremismus führen? Und was würde mit den kleinen Projekten geschehen, die nun aus allen Zuständigkeiten herausfielen? Wie würde dies die Entwicklung des Rechtsextremismus beeinflussen? Und wer würde imstande sein, sich besser und schneller in der Gesellschaft zu verankern – die gut organisierten Nazis oder wir, die Demokratie als Alltagsaufgabe verstehen? Und wäre es deshalb nicht besonders notwendig, eine nicht-staatliche Initiative von Förderung und Beratung, wie durch die Amadeu Antonio Stiftung, erheblich zu stärken, um den wechselnden Prioritäten und Verhältnissen in der Politik eine eigene, davon unabhängige, zivilgesellschaftliche Kraft entgegenstellen zu können?
Mitte des Jahres begann die Amadeu Antonio Stiftung mit neuen, eigenen Projekten und förderte gleichzeitig zahlreiche kleinere Initiativen. Dies wurde durch Ihre Spenden möglich, weil immer mehr Menschen auch mit kleinen Beträgen den Gedanken der Stiftung und des MUT-Portals unterstützen. Außerdem bewilligten das Bundesarbeitsministerium und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zwei unserer Projekt-Anträge, von denen Sie in Zukunft noch viel an dieser Stelle lesen werden. Zusätzlich konnte mit Hilfe der Ford Foundation im Rahmen des Stiftungsprojekts „Living Equality“ ein ganzes Netzwerk von Initiativen gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit unterstützt werden. Also, wieder ein neuer Anfang und Grund zu vorsichtigem Optimismus mitten in einer Welt, in der Nazis immer umtriebiger sind. Daher ist mein Optimismus relativ; er zerschellt bei jedem Gewaltakt. Und er blüht wieder auf mit jeder Zustiftung, jeder Spende, die wir bekommen und jeder wunderbaren Aktion an Orten, die man der allgemeinen Indifferenz gegenüber Nazis wegen auf keinen Fall freiwillig besuchen würde.
Kurz nach dem Sommer verschwand die öffentliche Indifferenz für einen Moment, als im sächsischen Mügeln acht Inder Opfer einer kollektiven, rassistischen Attacke wurden. Die Medien berichteten ausführlich. Warum sie es in diesem Fall taten und andere, ähnliche Fälle unbemerkt bleiben, bleibt ein Rätsel. Und dennoch waren wir alle erleichtert, dass wenigstens über dieses furchtbare Ereignis ein wenig von dem deutlich wurde, was die Projekte Tag für Tag erleben. Übrigens einschließlich der unwürdigen Reaktion mancher lokaler Größen. Und weil dieses Ereignis belegt, wie wichtig kontinuierliche Berichterstattung ist, haben wir auch unsere Websites modernisiert, die der Amadeu Antonio Stiftung und das Portal „Mut gegen rechte Gewalt“. Alle zusammen zählen monatlich inzwischen mehr als eine Viertelmillion Besucher, also Menschen, die sich intensiv mit dem Thema Rechtsextremismus auseinandersetzen. Auch dies ein Grund zur Hoffnung.
Außerdem haben wir im Herbst sächsische Initiativen mit einem Förderpreis ausgezeichnet – und das in der Dresdner Frauenkirche. Die Kulturstiftung Dresden der Dresdner Bank, die Stiftung Frauenkirche Dresden und die Freudenberg Stiftung waren hier unsere Partner. Und am Ende ist es uns gelungen, auch den (damaligen) Ministerpräsidenten des Freistaats Sachsen, Professor Dr. Georg Milbradt, dafür zu gewinnen. Er war der Schirmherr, hat einen eigenen Preis gestiftet und die Eröffnungsrede gehalten. Es tat gut zu sehen, wie er die Initiativen beglückwünschte, die in Sachsen noch immer als diejenigen gesehen werden, die das Nest beschmutzen. Obwohl sie doch jeden Tag genau das Gegenteil tun.
Nun geht 2007 zu Ende. Wir bedanken uns bei allen, die uns unterstützt haben: bei den Projekten, die tapfer und kreativ weiter arbeiten und bei den Spendern, Stiftern und allen, die uns geholfen haben. Es ist gut zu wissen, dass es Sie gibt!
Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).