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Kommentar Rechte Verlage auf der Buchmesse und die Frage, wer wird hier geschützt?

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Der neurechte Vordenker Götz Kubitschek 2017 im Gespräch mit dem Direktor der Frankfurter Buchmesse (Quelle: KA)

Die Frankfurter Buchmesse ist mal wieder in aller Munde. Allerdings macht sie nicht nur positive Schlagzeilen: Die Autorin Jasmina Kuhnke wollte als Überraschungsgast auf der Frankfurter Buchmesse ihr Debüt „Schwarzes Herz“ vorstellen. Nun hat sie ihren Auftritt abgesagt, weil auf der Messe auch extrem rechte Verlage, wie der prominent platzierte „Jungeuropa Verlag“, ausstellen dürfen. Weitere Autor:innen sagten daraufhin ihre Auftritte auf der Messe ab. Im Gegensatz zur Leitung der Buchmesse setzen diese Autor:innen und Promis ein starkes Zeichen: Sie wollen die Anwesenheit und damit auch die menschenfeindliche Ideologie der rechtsextremen Akteur:innen nicht normalisieren.

Die „neue“ und die alte Rechte ist antisemitisch, rassistisch, antifeministisch und homo- und transfeindlich. In Teilen müssen wir in der Demokratie solche Standpunkte leider aushalten, solange sie sich im rechtlichen Rahmen bewegen. Darauf bezieht sich auch Buchmessendirektor Jürgen Boos: „Wir können niemanden ausschließen, können hier keine Zensur ausüben, egal, ob mir diese Leute passen, ob ich sie unerträglich finde“, so Boos im Deutschlandfunk Kultur. Die Anwesenheit des „Jungeuropa Verlags“ rechtfertigt er mit der Meinungsfreiheit. Einen zentralen Punkt vergiss Boos allerdings: Zwar müssen wir in einer Demokratie auch unangenehme und problematische Dinge aushalten, solange sie im legalen Bereich sind, aber wir sollten als Demokrat:innen auch immer Haltung beweisen und solche Positionen nicht unwidersprochen lassen. Bei menschen- und demokratiefeindlichen Ideologien müssen wir als Zivilgesellschaft dagegenhalten. Wir müssen dem Rest der Gesellschaft und den rechtsextremen Aktivist:innen zeigen, dass ihre feindlichen Ansichten nicht unwidersprochen bleiben und ausgegrenzt gehören. An dieser Stelle beweist die Messeleitung leider keine klare Haltung gegenüber den menschenfeindlichen Ideologien. Das machen die Autor:innen, die ihre Auftritte absagen.

Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins, sagte auf der Eröffnungspressekonferenz: „Es ist ein Konflikt, mit dem wir leben müssen. Das bildet die Gesellschaft ab.“ Doch genau das ist der fatale Fehler. Natürlich sind auch Rechtsextreme Teil unserer Gesellschaft, doch sie gehören geächtet und nicht protegiert. Der zaghafte Umgang der Buchmesse, die prominente Präsenz des extrem rechten Verlags auf dem Gelände mit der Meinungsfreiheit zu begründen, ist rückgratlos. Wenn Boos nun jedoch sagt, er bedauere, „dass die Autorin nicht an diesem Diskurs teilnimmt“, macht er Kuhnke zudem zur Schuldigen, zur Nestbeschmutzerin, die den Diskurs verweigere.

Kuhnkes Absage war dabei nicht nur ein symbolischer Akt, sondern erfolgte nach Abwägung einer nicht zu gewährleistenden Sicherheitslage. Kuhnke setzt sich unter dem Social-Media-Pseudonym „Quattromilfseit Jahren unentwegt und entschlossen gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit ein. Zu Beginn des Jahres wurde ihre Adresse mit den Worten „Massakriert Jasmina Kuhnke“ veröffentlicht. Dies zwang sie und ihre Familie aus der eigenen Wohnung zu fliehen und unterzutauchen. Als Frau, als Schwarze, und als Person, die immer wieder laut ihre Meinung sagt, ist Kuhnke massiven Anfeindungen ausgesetzt – auch vom Chef des extrem rechten „Jungeuropa Verlags“, Philip Stein. Der hatte gefordert, dass Kuhnke abgeschoben werden solle.

Die persönliche Unversehrtheit sei garantiert, entgegnet hingegen Messeleiter Boos: „Die Sicherheitsmaßnahmen auf der Frankfurter Buchmesse sind extrem hoch.“ Einen Raum, in dem sich Rechtsextreme frei bewegen, kann man jedoch nie ganz kontrollieren, es geht immer eine Gefahr für PoC, Jüd:innen, Muslim:innen, queere Menschen und Aktivist:innen einher. Denn schließlich ziehen rechtsextreme Verlage auch ein rechtsextremes Publikum an. Für dieses Jahr haben bereits die Faschist:innen der Neonazi-Kleinstpartei „Der III. Weg“ ihr kommen angekündigt. 2017 kamen bekannte Neonazis aus dem Unterstützerumfeld des NSU auf die Messe und besuchten den Stand eines neurechten Verlags.

Die tumultartigen Szenen und das Machtgebaren während der Buchmesse 2017 haben gezeigt, dass es der „neuen“ Rechten um Raumergreifung geht und darum, rechtsextreme Ideologie vor einem breitestmöglichen Publikum zu präsentieren. Dazu gehörte das Stören von Veranstaltungen. 2017 kam es während einer Veranstaltung des rechtsextremen „Antaios-Verlags“, aus dessen Umfeld auch der „Jungeuropa Verlag“ stammt, zu Auseinandersetzungen zwischen rechtsextremen Aktivist:innen der sogenannten „Identitären Bewegung“ und Demonstrant:innen. Es kam auch zu Übergriffen und zu Bedrohungen gegenüber Besucher:innen und Vertreter:innen zivilgesellschaftlicher Institutionen.

Es scheint, als habe die Frankfurter Buchmesse aus diesen Ereignissen keine Lehren gezogen. Viele Stimmen fordern nun, man hätte den „Jungeuropa Verlag“ erst gar nicht auf der Messe zulassen dürfen, sondern von Beginn an ausschließen müssen. Doch wenn die Messe Verlage, die sich einen Stand für nicht wenig Geld erkaufen, ausschließt, können diese sich einklagen. Dann müsste vor Gericht nachgewiesen werden, dass diese Verlage Bücher vertreiben, die gegen strafrechtliche Vorschriften verstoßen. Und das dürfte wohl auch beim „Jungeuropa Verlag“ schwierig sein.

Nachdem die Buchmesse 2017 von den rechtsextremen Aktivist:innen überrumpelt wurde, gelang es der Leitung der Buchmesse, dann teilweise 2018 und 2019 einen guten Umgang mit extrem rechten und problematischen Verlagen zu finden: Sie wurden in den hinterletzten Winkel verbannt. Zufällig fand kaum ein Besucher diese braune Ecke. Finanziell erfolgreich und prestigeträchtig dürften diese Auftritte für die rechten Verlage nicht gewesen sein. Verglichen zu den Vorjahren erkauften sich in diesem Jahr vergleichsweise wenig problematische Verlage einen Stand auf der Messe. Dass „Jungeuropa“ einen gut besuchten Stand neben den ZDF Bühnen bekommen hat, ist mindestens ärgerlich. Auf die Frage, ob dies ein Versehen war und keine genaue Vor-Recherche zu den Verlagen geleistet wurde, haben wir bisher keine Antwort von der Buchmesse erhalten.

Der schwammige Umgang der Messe mit Rechtsextremen auf ihrem Gelände steht dabei exemplarisch für den Schutz mit Betroffenen rechter Gewalt. Rechtsextremismus ist keine Meinung, sondern eine existenzielle Bedrohung, gegen die wir Haltung zeigen müssen. Die Buchmesse wälzt ihre Verantwortung allerdings ab, an die Autor:innen und zivilgesellschaftliche Institutionen.

Dass die Messeleitung den Umgang mit menschenfeindlichen Ideologien nun auf die Autor:innen und zivilgesellschaftliche Institutionen überträgt, ist schwach. Die Buchmesse ist in der Verantwortung einen angemessenen Umgang zu finden. Denn wie schon in den Vorjahren wird für einige die Teilnahme an der Buchmesse zu einer existenziellen Abwägungsfrage, weil die selbst von Neonazis bedroht werden. Wieder wird die Buchmesse in Frankfurt zu einem Ort, an dem Aktivist:innen, PoC und als „Fremd“ gelesene Menschen nicht sicher sein können. Mit ihrem zaghaften Rekurs auf die Meinungsfreiheit nimmt die Leitung der Messe bewusst in Kauf, dass von Neonazis bedrohte Menschen sich aus dem Diskurs zurückziehen und die Messe nicht besuchen. Die Frankfurter Buchmesse ist für sie kein sicherer Ort.  

Das Verhalten der Messe spiegelt dabei den Umgang mit von Rassismus und Antisemitismus betroffenen Personen in Deutschland. Wenn Personen der weißen Dominanzgesellschaft Stimmen und Bedrohungslagen von Betroffenen nicht ernstnehmen und stattdessen lieber schwammig auf die Meinungsfreiheit verweist, werden Minderheiten aus dem Diskurs gedrängt und weiter diskriminiert. Die Leitung der Messe hat sich in diesem Fall entschieden sich schützend hinter die extrem rechten Aktivist:innen zu stellen, statt sich solidarisch mit bedrohten Autor:innen zu zeigen.

 

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Frankfurter Buchmesse Neu-rechte Schläger-Schergen als Nachbarn

Das erste Mal seit zehn Jahren war der neurechte Antaios-Verlag wieder auf der Frankfurter Buchmesse vertreten. Im Vorfeld bot die Messeleitung uns, der Amadeu Antonio Stiftung, einen Stand direkt gegenüber des rechten Verlags an, um den Rassisten nicht unwidersprochen den Raum zu überlassen. Die Strategie der Neuen Rechten und der „Identitären Bewegung“ ist es, sich bei allem als Opfer und gleichzeitig als Gewinner darzustellen, ganz gleich, ob dies der Wirklichkeit entspricht. So auch auf der Frankfurter Buchmesse. Da wir der Neuen Rechten nicht die Deutungshoheit überlassen wollen, hier nun unsere Einschätzung der Messetage.

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